Filmkritik: "Mistress America" - Don't worry! Be Happy!

Inspirationsquelle Greta Gerwig
In der wunderbaren Greta Gerwig hat Noah Baumbach seine definitive Muse gefunden. Mit seiner Lieblingsschauspielerin - und inzwischen Lebensgefährtin - arbeitet der Independent-Regisseur zum ersten mal bei “Greenberg” zusammen. Für die unwiderstehlich-charmante Tragikomödie “Frances Ha” holt er sie auch als Koautorin an Bord. Die gleiche Konstellation findet sich nun auch bei “Mistress America”. Das Ergebnis ist trotz einiger Längen ein typischer Baumbach/Gerwig-Film: eine temporeich erzählte Komödie über liebenswerte Verlierer, die sich vom Schicksal nicht unterkriegen lassen.

Die Hauptrolle hat das Autorenduo allerdings nicht Gerwig auf den Leib geschrieben, vielmehr steht der Charakter von Nachwuchs-Schauspielerin Lola Kirke im Mittelpunkt der Erzählung. Tracy studiert in New York Literatur, doch so unsicher sich die 18-Jährige als angehende Schriftstellerin fühlt, so wackelig sind ihre Schritte auf dem sozialem Minenfeld. Auf Partys fühlt sie sich unwohl, der Big Apple übt auf sie keinen besonderen Reiz aus. Da trifft es sich gut, dass ihre Mutter sich mit einem Mann verlobt, der eine 30 Jahre alte Tochter hat. Tracy stellt bald den Kontakt zu Brooke her, deren Charme die Studentin sofort erliegt.

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Verlierer und Stehaufmännchen
Es ist vor allem dieses Energiebündel, dem das Interesse Baumbachs und Gerwigs gilt. Wie Tracy fasziniert von dem unbeschwerten Sich-durch-das-Leben-treiben-Lassen ihrer zukünftigen Stiefschwester ist, so angetan sind auch die Filmemacher von der Vitalität dieser Frau. Gerwig legt den Charakter als Variation von Frances aus dem Vorgängerfilm an. Wie jene Möchtegern-Tänzerin ist auch Brooke eine Frau, die vieles anpackt und in allem scheitert - und dabei doch nicht einknickt; eine Lebenskünstlerin, die sich durch beherztes Handeln auszeichnet und der hemmende Zweifel fremd sind. Baumbach bewundert diesen Menschenschlag: Unangepasste, die unbeeindruckt von gesellschaftlichen Zwängen und Normen unbeirrt ihren eigenen Weg gehen.

Brookes geschwätziges Temperament, das sich dramaturgisch zwar in wunderbar pointierten Dialogen niederschlägt, sich nach einer Weile jedoch erschöpft, kompensiert Baumbach immer wieder durch Blicke aufs Milieu. Wie schon in “Frances Ha” zeigt er auch hier das pulsierende Leben New Yorks, demgegenüber sich der miefige Universitätsbetrieb wie eine andere Welt ausnimmt. Dann aber verliert er sein Interesse am Draußen, um sich im Drinnen zu verlieren. In der zweiten Hälfte verlagert sich das Geschehen ins Haus von Brookes Ex-Freund Dylan (Michael Chernus), dem die angehende Unternehmerin - blind für das unausweichliche Scheitern ihres Vorhabens - eine Geschäftsidee schmackhaft machen will.

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Verbeugung vor einem Genre
Ab hier bekommt man plötzlich einen anderen Film zu sehen. Hatte sich “Mistress America” ehedem schon durch temporeiches Erzählen und spritzige Wortgefechte nach Vorbildern wie François Truffaut und Woody Allen ausgezeichnet, will es Baumbach nun der klassischen Screwball-Komödie gleichtun. Doch wie schon bei Peter Bodganovich mit “Broadway Therapy” geht auch bei ihm die Mischung aus Hommage und Wiederbelegung eines großen Genres nach hinten los - zu aufgesetzt, zu lang, zu kalt und zu trocken ist diese Passage geraten. Und so muss man bis zum Finale warten, bis “Mistress America” endlich Wärme auszustrahlen beginnt. Zusammen mit Brooke übrigens, die nach einer letzten Verletzung endlich zum Mensch wird - mit all seiner Komik und Tragik.

Kinostart: 10. Dezember 2015

(Bild: © 20th Century Fox)