Filmkritik: Knock Knock - Der gefesselte Betrüger

Ein Mann allein zu Hause, Frau und Kinder sind übers Wochenende an den Strand gefahren. Draußen zieht ein Sturm auf, es ist bereits finsterste Nacht. Der Architekt Evan Webber (Keanu Reeves) hat eine Schallplatte aufgelegt. Er will es sich mit entspannender Musik und einer Prise Aufputschmittel gemütlich machen, während er an seinen Entwürfen arbeitet.

Da klopft es draußen plötzlich an der Tür. Vor ihm stehen zwei durchnässte Frauen, als er diese öffnet. Die eine brünett (Lorenza Izzo), die andere blond (Ana de Armas), beide jung, attraktiv, sexy. Sie wollten eigentlich auf eine Party, doch dann hätten sie sich verlaufen, erklären sie kleinlaut und schauen dem verdutzten Mann Mitleid und Hilfe suchend in die Augen. Wie sollte Evan auch anders handeln, als den armen Geschöpfen der Nacht Einlass zu gewähren? Hätte er es doch lieber sein lassen.

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Ein verhängnisvoller Fehler
Klopf, klopf! So ähnlich beginnt auch ein Film mit dem irreführenden Titel “Funny Games” von einem Regisseur namens Michael Haneke. Der Psychothriller erschien 1997 in den Kinos und handelt von zwei jungen Männern, die sich im Haus einer dreiköpfigen Familie einnisten und die Bewohner psychisch und physisch bis zum Äußersten quälen. Es ist ein Film, der mit seiner nüchternen Schilderung menschlicher Gewalt bis heute seinesgleichen sucht.

In Eli Roths “Knock Knock” hat Hanekes Klassiker zwar keinen so konsequent beklemmenden, dafür einen Nachfolger gefunden, der mit einer vergleichbaren inhaltlichen Prämisse aufwartet. Bei Roth sind es allerdings nicht zwei harmlos scheinende pubertierende Jungs, sondern zwei noch harmloser scheinende junge Frauen, die eine Lawine aus Psycho-Folter ins Rollen bringen.

Bei Roth ist das Opfer auch keine Familie, sondern ein einziger Familienvater. Und anders als bei Haneke ist dieses Opfer nicht gänzlich unschuldig. So sehr sich Evan Webber gegen die Verführung der zwei Grazien auch wehrt, am Ende erliegt er ihren Reizen doch - was diesen Grund genug ist für ihre Handlung, in deren Verlauf sie den wehrlosen Mann in seinem Haus einsperren, ihn fesseln und sich an ihm vergehen.

Die Motive des Ehebruchs und der Bestrafung des Betrügers durch die Frau, mit der er betrogen hat, erinnert wiederum an einen weiteren Film, der einst jedem Mann im Kino das Blut im Schritt gefrieren ließ, “Eine verhängnisvolle Affäre” nämlich. Darin begeht Michael Douglas den gleichen Fehler wie Evan Webber: Wie dieser hintergeht er seine Frau und wie dieser wünscht er sich bald, es lieber nicht getan zu haben.

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Folter mit einer Prise Humor
Roth wandelt also auf ähnlichen Pfaden wie die genannten Filme und doch grenzt er sich von den beiden Vorbildern entschieden ab. Denn “Knock Knock” weist etwas auf, was “Funny Games” und “Eine verhängnisvolle Affäre” gänzlich fehlt: Humor. Leider, muss man sagen. Denn wenn der Regisseur seine zunächst Furcht und Entsetzen erregende Geschichte in eine irrwitzige Komödie münden lässt, dann kommt das fast einem Verrat seiner eigenen Prämisse gleich.

Und als wäre der comic relief nicht genug, wagt Roth den obendrein noch halbherzigen Versuch, seinen Teufelinnen ein Gesicht zu geben, indem er diese nicht nur als Rache-Göttinnen im Namen aller sexistisch-gebeutelter Frauen auftreten lässt, sondern sie zu allem Überfluss auch noch mit psychischen Traumata ausstattet.

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Radikale Unterhaltung
Dennoch, trotz mangelnder Konsequenz ist dem Regisseur mit “Knock Knock” ein sehr unterhaltsamer Film gelungen. Man mag es kaum glauben - und das ist vielleicht ihre eigentliche Radikalität: Die Geschichte über einen Mann, der terrorisiert und gequält wird, macht richtig Spaß. Roth, der mit blutigen Billigproduktionen wie “Cabin Fever” und der “Hostel”-Reihe bekannt geworden ist, hat mit seinem fünften Spielfilm ein handwerklich einwandfreies Werk geschaffen, dessen Stimmigkeit auch auf das Konto seiner überzeugenden Hauptdarsteller geht.

Neben den selbstbewusst auftretenden Newcomerinnen Lorenza Izzo und Ana de Armas überzeugt auch Keanu Reeves, den man nach diversen künstlerischen und finanziellen Flops fast abgeschrieben hatte, bis er sich mit dem wunderbar ironischen Action-Thriller “John Wick” eindrucksvoll zurückmeldete. Mit “Knock Knock” untermauert er ein weiteres Mal seine Ambitionen, an seine Glanzdekade der 1990er Jahre anzuknüpfen.

Kinostart: 10. Dezember 2015

Autor: Willy Flemmer

(Bilder: © 2015 SquareOne/Universum Film)