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Filmkritik: "Doctor Strange" - Von Zauberern und Menschen

‘Helden wie die Avengers beschützen die Welt vor physischen Gefahren. Wir Zauberer retten sie vor mystischen’, sagt einmal in einer Szene ein Zauberer einem Lehrling. Der Satz fällt recht spät in “Doctor Strange”. Nicht nur Fans wissen an dieser Stelle schon längst, dass mit dem 14. Superheldenfilm aus der so genannten Marvel-Cinematic-Universe-Reihe eine neue Ära eingeläutet wurde. Das Fantastische ist dem Comicfilm in die DNA eingeschrieben, in Dr. Strange geht es allerdings nicht nur um Fantasy, hier wird reichlich Hokus Pokus betrieben.

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Hochmut kommt vor dem Aufstieg

Dabei beginnt die Geschichte von guten und bösen Zauberern auf recht rationalem Boden. Im Zentrum der Handlung steht der brillante Neurochirurg Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch). Dem selbstverliebten und arroganten Arzt wird eines Tages der Boden unter den Füßen weggezogen, als bei einem Autounfall seine wichtigsten Instrumente zertrümmert werden, seine Hände. Kein Experte auf der Welt kann Strange heilen, also greift er nach dem letzten Strohhalm. Er reist nach Nepal, wo er einen Guru namens The Ancient One konsultiert.

Die Magier-Meisterin (Tilda Swinton) bringt den psychisch und physisch lädierten Strange nicht nur wieder auf Vordermann, sie akzeptiert ihn auch als ihren Schüler - und weist ihn prompt in einige Geheimnisse ein. Unsere Welt besteht nicht nur aus Raum und Zeit, lehrt sie ihn, sondern hat auch Sphären, die das Vorstellungsvermögen eines Menschen weit übersteigen. Und: In einer dieser Sphären haust eine Gottheit namens Dormammu, die es auf bekannte und unbekannte Welten abgesehen hat. Um diese zu zerstören, hat sie ihren treuesten Gehilfen geschickt, den einstigen Schüler von The Ancient One, Kaecilius (Mads Mikkelsen). Der ist mit seinen brutalen Schergen schon längst dabei, eine Welt nach der anderen zu verschlingen.

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Jeder Zeit sein Comicheld

Doctor Strange erscheint als Comicfigur zum ersten Mal 1963. Das Datum spricht Bände. In einer Zeit, als die Jugend mit bewusstseinserweiternden Drogen zu experimentieren beginnt, Rockmusiker in Indien nach der alles umfassenden Wahrheit suchen, andere in dem Mystiker Hermann Hesse einen Geistesverwandten entdecken, schafft auch Marvel mit seinem Sorcerer Supreme einen Wanderer zwischen den Welten.

Die Darstellung von mehreren Dimensionen dürfte nicht nur für Doctor-Strange-Erfinder und -Zeichner Steve Ditko die größte Herausforderung gewesen sein. Auch die Macher um Regisseur Scott Derrickson müssen mit ähnlichen Schwierigkeiten gekämpft haben. Reichlich CGI-Technik und noch mehr Geld für sonstige Produktionskosten sei Dank haben sie dennoch atemberaubendes Kino geschaffen. Derrickson inszeniert einen wilden Trip durch Zeiten und Räume, mit dem sein Film mal an die surreale Welt eines Salvador Dalí, mal an die unmöglichen Räume eines M.C. Escher, dann wieder an die sich biegenden und faltenden Häuser von Christopher Nolans “Inception” erinnert.

Ja, in “Doctor Strange” geht es ziemlich psychedelisch zu, das Genre auf den Kopf stellt der Film indes nicht. Mag Derrickson mit seinen Ko-Drehbuchautoren Jon Spaihts und C. Robert Cargill mit dem Motiv des Magischen mehr oder weniger Neuland betreten, sind sie andererseits doch den Regeln des modernen Blockbusterkinos verpflichtet. Vieles hat man so oder so ähnlich schon zigfach gesehen - angefangen von der Begeisterung des Hollywood-Kinos für fernöstliche Philosophien und Kampfkünste (“Matrix”) bis hin zur Dramaturgie und Motivik eines x-beliebigen Comicfilms.

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Nichts Neues aus Marvel Cinematic Universe

Auch sich selbst bleibt Marvel wieder treu. Einmal mehr zeigt das Studio ein Händchen für die richtige Besetzung. Benedict Cumberbatch, Chiwetel Ejiofor und Rachel McAdams überzeugen durchweg in ihren jeweils ersten Auftritten in einem Comicfilm. Die Verpflichtung von Independen-Kino-Ikone Tilda Swinton als asiatischen Mönch sorgt im Kontext der 'whitewashing’-Debatte für Aufregung. Andererseits wird mit der Figur ein weiterer starker Frauencharakter ins Genre eingeführt. Wie erwartet, kommen auch die Marvel-typische Leichtigkeit und der Humor nicht zu kurz, wobei sich die Drehbuchautoren hier was besonders Nettes haben einfallen lassen: Der beste Gag-Lieferant des Films ist nicht der Held, sondern dessen Anzug. All das macht “Doctor Strange” zu einem gelungenen und unterhaltsamen Film - nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Kinostart: 27. Oktober 2016

(Bilder: Walt Disney Studios Motion Pictures Germany)