Filmkritik: Crimson Peak - Schaurig-kolportierte Märchenwelt

Die Farbe rot zieht sich buchstäblich wie ein roter Faden durch den neuen Film von Guillermo del Toro. Rot sind die Geister, die der Protagonistin auflauern. Rot ist der Grund, auf dem das Anwesen zweier anderer Figuren errichtet ist. Rötlich schimmern die Haare von Hauptdarstellerin Mia Wasikowska. Rot funkelt der Stein im Ring, den die Hauptfigur von ihrem Verehrer geschenkt bekommt. Und natürlich fließt reichlich rotes Blut in dieser romantisch-schaurigen Geschichte mit Jessica Chastain, Tom Hiddleston und Charlie Hunnam in weiteren Rollen.

Zweifellos, es gibt viel zu sehen in “Crimson Peak”, was übersetzt übrigens ‘blutroter Gipfel’ heißt. Del Toro tut einiges daran, das Auge des Zuschauers zu kitzeln. Fans des mexikanischen Regisseurs aber, die von ihm doppelbödiges Kino à la “Pans Labyrinth” erwartet haben, werden von seiner neuen Regiearbeit enttäuscht sein. Denn mit ihr legt er kaum mehr vor, als eine wenig inspirierte Genre-Melange aus Horror-Thriller, schwulstiger Liebesromanze und einer banalen Hochstapler-Geschichte.

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Schatten an den Wänden
Allenfalls mit einigen kulturellen Querverweisen vermag del Toro zu überraschen. Sein Film spielt nicht nur mit Elementen des Schauerromans, es finden sich darin auch zahlreiche Motive des deutschen expressionistischen Films. Wenn etwa der besagte Geist bedrohliche Schatten an die Wände wirft, dann erinnert man sich unwillkürlich an den unheimlichen Blutsauger aus Friedrich Wilhelm Murnaus Klassiker “Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens”.

Mit ebendieser Erscheinung muss die kleine Edith Cushing (Sofia Wells) früh im Leben Bekanntschaft machen, als eine dunkle Gestalt sich eines nachts an ihr Bett schleicht und sie vor einem Ort namens Crimson Peak warnt. Wenige Jahre später nimmt das angedeutete Unheil seinen Lauf. Die mittlerweile erwachsene Edith (Wasikowska) ist angehende Schriftstellerin, ihre künstlerischen Ambitionen aber stoßen auf den Widerstand der Verlage. Zu viele Geister würden in ihren Geschichten herumspuken. Statt dessen solle sie sich doch lieber auf das Erzählen von gefühlvollen Romanzen verlegen.

Edith versteht die Welt nicht. Selbst bei ihrem Vater (Jim Beaver) finden sie kein Gehör, der Patriarch kann über ihre Beschwerden allenfalls nur schmunzeln. Erst als sie Sir Thomas Sharpe (Hiddleston) kennenlernt, findet Edith in dem aufstrebenden Erfinder einen Geistesverwandten. Der ist gerade in der Stadt, um seine neueste Erfindung vorzustellen. Bei Ediths Vater wird er vorstellig, doch der steinreiche Unternehmer hält den jungen Mann jedoch für etwas unheimlich und lässt sich auf den Deal nicht ein. So leicht er ihn als Geschäftspartner losgeworden ist, so schwer fällt es ihm, den charismatischen jungen Mann von seiner geliebten Tochter fernzuhalten. Denn die ist längst verliebt und bereit, dem adretten Baronet überallhin zu folgen.

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Wo bleibt der Abstand?
Bevor Edith mit Thomas in den unheimlichen Hafen der Ehe einläuft, kommt es zwischen den beiden zum Bruch. Ausgerechnet der Mann, der ihre literarischen Erzeugnisse so sehr schätzte, stellt deren Qualität nun in Frage. Ihre Texte seien sentimentales Gewäsch, lautet einer der Vorwürfe. Was aber noch schwerer wiege, sei die Tatsache, dass es ihr an Distanz fehle gegenüber ihren rührseligen Schmonzetten. Diese Kritik, das weiß der Zuschauer, wird der Tatsache nicht gerecht. Sharpe ist gezwungen, sie zu äußern. Es ist der letzte Schachzug des Vaters, um ihn endgültig vom Hals zu schaffen.

Wer sich ebendiese Kritik indes gefallen lassen muss, das ist del Toro. Denn der trägt seine seine Liebes- und Horrorgeschichte nicht nur allzu dick und frei von ironischen Brechungen auf, er verliert darüber auch seine Hauptfigur aus dem Blickfeld. Ist Edith am Anfang noch die selbstbewusste Frau, die als Mensch und Künstlerin gegen patriarchale Gesellschaftsstrukturen aufbegehren will, verkommt sie später zu einer sich aufopfernden Liebenden ohne künstlerische oder gesellschaftliche Ambitionen. Dass es ihr bis zuletzt nicht dämmert, in welcher Falle sie sich da befindet, ist jedoch nicht auf einen blinden Liebeseifer zurückzuführen. Das verlangt die Dramaturgie des Horrorfilms.

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Schöne Frauen, wilde Furien
Der Zuschauer begreift schneller. Wenn der Geist spätestens beim dritten Mal durch den Türspalt prescht, wenn einst zartbesaitete Frauengestalten nach Hackmessern und Schaufeln greifen und auf sich eindreschen, wenn die Handlung unaufhaltsam auf ihr kolportiertes Ende zurast, spätestens dann hat er die Mechanik der Erzählung durchschaut. Und dass die nicht anders oder gar besser funktioniert als Genre-Dutzendware.

Kinostart: 15. Oktober 2015

Autor: Willy Flemmer

(Bilder: © 2015 Universal Pictures International)