Filmkritik: "BFG: Big Friendly Giant" - Steven Spielberg verzaubert Kinderherzen

Auf den ersten Blick ist “BFG: Big Friendly Giant” ein typischer Kinderfilm aus der Schmiede Steven Spielberg. Es geht um Themen und Motiven, die der Erfolgsregisseur immer wieder behandelt. Erzählt wird die Geschichte zweier Außenseiter, eines keinen Mädchens und eines freundlichen Riesen, die Freunde werden, zahlreiche Abenteuer erleben und Seite an Seite gegen böse Feinde kämpfen. Und doch kann man nicht umhin, sich über diesen wunderbaren Film zu wundern, unterscheidet er sich doch in vielem von dem, was man von seinem Schöpfer gewohnt ist.

Die geistige Vorlage von “BFG” stammt von Roald Dahls gleichnamigem Kinderbuch (deutscher Titel: “Sophiechen und der Riese”). Der 1990 verstorbene britische Schriftsteller ist ein Geistesverwandte Spielbergs. Seine Bücher sind für Kinder geschrieben und handeln von Kindern; sie stehen auf der Seite der Kinder und blicken schon mal gerne auf die seltsamen Erwachsenen herab. Vor allem sind die Kleinen bei Dahl - wie auch bei Spielberg - Unverstandene, deren Gefühle und Sehnsüchte von den Großen nicht ernst genommen werden.

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Zwei Außenseiter werden Freunde

Auch die kleine Sophie (Ruby Barnhill) ist so eine Alleingelassene. Das Mädchen lebt in einem Londoner Waisenhaus, doch echte Freunde hat es hier nicht. Stattdessen verbringt die Leseratte die Nächte mit der Lektüre von Büchern. Vor allem Charles Dickens’ “Nicholas Nickleby” hat es ihr gerade angetan - auch so ein Buch über Außenseiter. Eines nachts lernt Sophiechen einen Riesen (Mark Rylance) kennen, der sie in sein Reich entführt. Das vermeintliche Monster entpuppt sich als sanftmütiges Wesen, das den Menschen in der Nacht schöne Träume einflößt. Der BFG, der große freundliche Riese, und Sophie werden Freunde, die bald von den menschenfressenden Artgenossen des Giganten bedroht werden.

Wie das ewige Kind Spielberg zwangsläufig auf Dahl treffen musste, so mussten sich auch Sophie und das freundliche Wesen unweigerlich eines Tages über den Weg laufen. Wie das Mädchen ist auch BFG in seiner Welt ein Außenseiter. Deutlich kleiner und sanftmütiger als die anderen Riesen, wird er von diesen immer wieder drangsaliert. Während die anderen am liebsten leckere Kinder verspeisen, gibt sich BFG mit eklig-schleimigen Kotzgurken und grünem, Blähungen verursachendem Spudelwasser zufrieden. Den Menschen tut er lieber Gutes.

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Spielberg fehlt der Biss

Spielberg lässt sich viel Zeit, um die soziale Struktur im Land der Riesen zu zeigen, wenngleich er in der Darstellung der Monster wie auch der Menschen gemäßigter ist als Dahl, bei dem die Welt außerhalb der Lebenswirklichkeit der Kinder voller Gefahren und Tücken ist. Vor allem scheint sich Spielberg mit der Menschenwelt versöhnt zu haben, wo er noch in seinem Klassiker “E.T. - Der Außerirdische” weitaus skeptischer war. Im Kampf gegen die Riesen werden die sogar zu Verbündeten von Sophie und BFG. Was nicht ausschließt, dass man sie durchaus der Lächerlichkeit preisgeben darf.

Auch als Geschichten-Erzähler gibt sich Spielberg in “BFG” gelassener. Seinen letzten Kinderfilm, die Comicverfilmung “Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn”, fand er zu rasant erzählt, gestand er im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Zeit. Es gebe Szenen in dem Abenteuerfilm, bei denen er - als Zuschauer - gerne länger verweilt wäre, doch man würde zu schnell aus der Geschichte geworfen. Klar weist auch “BFG” manch erzählerische Raffinesse auf, auch sprüht das Fantasy-Spektakel vor visuellen Einfällen - etwa die Szene, in der sich BFG im nächtlichen London den Blicken der Menschen entzieht; oder der verspielt und einfallsreich inszenierte Kampf zwischen den beiden Freunden gegen die bösen Riesen.

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Kein neuer “E.T.”, dennoch unterhaltsam

Ansonsten muss und will Spielberg niemandem etwas beweisen. Sein Augenmerk gilt vor allem der Geschichte, den Figuren, den einzelnen Szenen, denen er sich mit viel Gespür für Details und vor allem: Rhythmus nähert. Die Szenen im Buckingham Palace wirken in ihrer Ausgedehntheit und Langsamkeit wie ein Fremdkörper im Gesamtwerk des Regisseurs. Vor allem an diesen liebevoll umgesetzten Passagen merkt man, wie gerne Spielberg den Film gemacht hat, wie groß sein Respekt war gegenüber der Vorlage und seinen (kleinen) Zuschauern. Klar reicht “BFG” nicht an den großen “E.T.” heran, dazu ist der Film letztlich zu harmlos und glatt geraten. Doch voller Charme und Poesie ist er allemal.

Kinostart: 21. Juli 2016

(Bilder: Constantin Film)