Der Feind im eigenen Kopf

Was geht im Haus der Turners vor sich? Auch in der zweiten Staffel von "Servant" inszeniert M. Night Shyamalan ein beklemmendes Kammerspiel voller unvorhersehbarer Wendungen.

M. Night Shyamalan steht nicht auf simple Fragen und ebenso einfache Antworten. Bei dem berühmt-berüchtigten Filmemacher, der 1999 mit "The Sixth Sense" durchstartete, geht es je nach Faible des Zuschauers herausfordernd komplex oder abgedreht und schwurbelig zu. Dementsprechend divers wurden die meist mysteriös angehauchten Werke des Filmemachers rezipiert. Während der Satz "Ich sehe tote Menschen" aus "The Sixth Sense" den meisten Filmfans noch heute Gänsehaut über den Rücken jagt, erntete der letzte Kinofilm Shyamalans, "Glass" (2019), nur durchwachsene Kritiken. Deutlich atmosphärischer war hingegen die Apple-Serie "Servant", deren zweite Staffel am 15. Januar bei Apple TV+ startet.

Hinter der vermeintlichen Familienidylle von Fernsehjournalistin Dorothy Turner (Lauren Ambrose) und ihres Ehemanns, dem Gourmetkoch Sean (Toby Kebbell), enthüllte die Aufaktstaffel mit schleichender Subtilität ein tragisches Schicksal: Das Paar hatte seinen Sohn Jericho verloren, und um Dorothys Trauma abzufedern, hatte die befreundete Psychologin Natalie (Jerrika Hinton) eine Babypuppe empfohlen. Als jedoch das verschlossene Kindermädchen Leanne (Nell Tiger Free) ihren Dienst bei den Turners antrat, war der kleine Jericho plötzlich quicklebendig.

Mit einer bedrückenden Atmosphäre, fast ausschließlich als beklemmendes Kammerspiel im spärlich ausgeleuchteten Haus der Turners inszeniert, benötigte "Servant" keine aufmerksamkeitsheischenden Jump Scares. Vielmehr entwickelte die Serie aus vielen kleinen Absurditäten ein schauderhaftes Puzzle, das immer gerade dann eine neue Überraschung parat hatte, wenn man dachte, man hätte das Spiel durchschaut.

Mystery à la Shyamalan

Nach demselben Erfolgsrezept sind nun auch die zehn neuen Episoden der Mystery-Serie gestrickt - wenngleich sie einen anderen Fokus setzen als die Auftaktstaffel. Man erinnere sich: Durch das furiose Finale wurden die Karten gänzlich neu gemischt. Leanne verließ die Turners und kehrte zu ihrer Sekte zurück, und Jericho lag plötzlich nicht mehr in Menschengestalt, sondern als Puppe im Kinderbettchen.

Shyamalan nimmt in der zweiten Staffel zunächst Tempo aus der Erzählung raus. Die veränderte Dynamik spiegelt sich auch in den Positionen der Figuren zueinander wider. Während Sean immer mehr Halt bei Dorothys Bruder Julian ("Harry Potter"-Star Rupert Grint) sucht, gleitet Dorothy immer mehr in Richtung Wahnsinn. Obsessiv treibt sie die Suche nach Leanne voran, die sie als Schlüssel zu einer Rückkehr Jerichos sieht. In ihrer blinden Wut, dessen Wahnsinn Lauren Abrose herausragend verkörpert, nimmt sie sogar körperliche Gewalt in Kauf.

An die permanent bedrohliche Atmosphäre der ersten Staffel tastet sich "Servant" in den neuen Folgen heran, erreicht sie aber nicht ganz. Nell Tiger Free, die zu Beginn der Serie als undurchschaubares Kindermädchen Leanne mit hypnotischem Blick und ihrer Unterwürfigkeit allen die Show stahl, wird dafür schlichtweg zu wenig Präsenz eingeräumt. Auch das Potenzial der ominösen Sekte Leannes lässt Shyamalan lange Zeit ungenutzt.

Dennoch bleibt "Servant" auch in der Fortsetzung eine der überzeugendsten Mystery-Serien der letzten Jahre. Und wer M. Night Shyamalan kennt, weiß: Der Regisseur versteht es wie kein anderer, die Spannungschraube hin zu einem großen Finale zu drehen - überraschende und schockierende Plot Twists inklusive.