Faschismus ist schrecklich – wenn er schön weit weg ist

In Charlottesville zeigte die extreme amerikanische Rechte Flagge (Bild: AP Photo/Steve Helber)
In Charlottesville zeigte die extreme amerikanische Rechte Flagge (Bild: AP Photo/Steve Helber)

Die Empörung über Donald Trumps Schmusekurs mit Rassisten und Faschisten ist laut. Sie lenkt auch von unseren eigenen Problemen ab.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Über den US-Präsidenten herrscht mal wieder Klarheit. Bei den Ausschreitungen in Charlottesville, diesem Aufmarsch von rassistischen Losern, die ihre Schwächen mit mittelalterlichen Schilden kaschieren wollten, waren nach Auffassung von Donald Trump auch anständige Leute dabei. Ich weiß zwar nicht, wie der Mann es fertig bringt das Wort „anständig“ über die Lippen zu bringen. Mindestens drei Semester Mimikstudien an einer Fernuni muss er dafür absolviert haben, ohne für allzu viele Lacher zu sorgen.

Aber der US-Präsident will seine Wählerschaft nicht verprellen, daher kuschelt Trump mit jenen, die ihr weißes Amerika im Untergang sehen und daraus eine Verteidigungshaltung begründen; dabei haben sie nur Angst vor sich selbst.

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Dass die Ausschreitungen und die Mordtat zu verurteilen sind, dass Trumps Lavieren markiert wird, ist wichtig. Aber mich überrascht die weltweite Empörung darüber schon. Selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) drückte den Hinterbliebenen der durch eine Attentatsfahrt getöteten Frau ihr Beileid aus. Macht sie das bei jedem Anschlag weltweit? Richtet sie ihre Worte auch an afghanische Hinterbliebene eines Selbstmordanschlags in Afghanistan, wo immerhin die Bundeswehr vor Ort ist? Oder ist sie zu bemüht in der Vorstellung, Afghanistan sei ein sicheres Abschiebungsland?

Ein Ausflug nach Mittelerde

Bei aller Empörung über den Aufmarsch von Rassisten und Faschisten in Charlottesville drängt sich bei mir doch der Eindruck auf, man ist besonders eifrig im Verurteilen, weil der Ort so schön weit weg ist. Die Schilde, der Ku Klux Klan mit seinen Kapuzen, die sich „Ritter“ nennenden Typen – das klingt hübsch martialisch und lenkt von der Tatsache ab, dass sich in Charlottesville drei Hunde und zwei Katzen zusammengefunden haben, um „Trumps Ziele zu vollenden“.

Der Aufmarsch dort war symbolisch hoch aufgeladen, die Rechte wollte ein Zeichen setzen. Und Aufmerksamkeit tut not, schließlich sehen diese Herren aus der so genannten Oberklassenrasse in Trump ihren Fürsprecher im Weißen Haus. Doch ein Blick in deutsche Fußgängerzonen lehrt, dass Faschismus und Rassismus keine Phänomene im Wilden Westen sind, sondern auch bei uns Alltag. Wie oft geschieht es, dass Neonazis sich spontan zusammentun und herumwandern, um „Ausländern“ eine zu „klatschen“, bei ihrem Weg zur „National befreiten Zone“? Wie laut ist unsere Empörung darüber? Was sagen wir über das in Deutschland Alltag gewordene Gefühl, von Anderen misstrauisch beäugt zu werden, die Angst vor Gewalt hinunter zwingen zu müssen?

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Es gibt in München einen Strafprozess, der das Wirken einer neonazistischen Terrorbande untersuchen soll. Für den interessieren sich nicht einmal drei Hunde und zwei Katzen. Die Staatsanwaltschaft ist vollends damit beschäftigt, nur in einem Trio den ganzen „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) definiert zu haben. Das ist Quatsch. Die Anklagebehörde will nur rasch einen Schlussstrich ziehen. Ein intensiver Blick auf die mehr als dubiosen Rollen der verschiedenen Verfassungsschutzämter während der Terrormordserie wäre eigentlich angebracht – aber wir schauen weg. Bei Charlottesville aber schauen wir genau hin.

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