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"Wir fangen in den USA nicht bei null an"

WirtschaftsWoche: Herr Schwämmlein, vor nicht einmal fünf Jahren haben Sie mit zwei Freunden den Fernbusanbieter Flixbus gegründet. Nun expandieren Sie in die USA. Werden Sie langsam größenwahnsinnig?
André Schwämmlein: Absolut nicht. Wir glauben an unsere Chance. Aber natürlich wird der US-amerikanische Fernbusmarkt ein harter Brocken. Derzeit schauen wir uns deshalb ganz genau an, welche Strecken Potenzial haben. Darin haben wir ja Erfahrung. Denn wir sind inzwischen in 26 europäischen Ländern unterwegs, wo wir überall mal bei null angefangen haben.

Ihnen dürfte aber nicht entgangen sein, dass Ihnen in den USA die Platzhirsche Greyhound und Megabus das Leben schwer machen werden...
Wir sind immer gut damit gefahren, weniger auf die Konkurrenz zu achten und stattdessen zu schauen, was wir unseren Kunden bieten können. Wir reflektieren: Was ist das beste Produkt, was ist das beste Netz, was ist die beste Technologie? Wir sind davon überzeugt, dass der US-amerikanische Markt von einem gesunden Wettbewerb profitieren würde. Außerdem betrachten wir uns als eine zusätzliche Mobilitätsalternative. Zusammen mit regionalen Buspartnern werden wir, wie hierzulande, den besten Mix aus Qualität, Netzwerk und fairen Preisen bieten können.

Megabus verkauft Tickets ab einem US-Dollar. Preiswerter geht es nicht. Wie wollen Sie bei diesen Kampfpreisen als Neueinsteiger Kunden überzeugen?
Der Wettbewerb wird nicht ausschließlich über den Preis entschieden. Wir wissen, wie man ein Netzwerk aufbaut und worauf es den Kunden ankommt. Das beginnt bei der einfachen Buchung des Tickets und geht weiter über direkte Verbindungen, bequeme Sitze und WLAN im Bus. Unsere Stärke ist unsere Affinität zur Technik und unsere Kundenfokussierung.

WLAN im Bus bietet auch Megabus an...
Das ist ja nur ein Unterscheidungsmerkmal. Wir wollen insgesamt eine höhere Qualität bieten als unsere Wettbewerber und setzen dafür auf die besten Busse im Markt. Derzeit laufen Gespräche mit Busherstellern und regionalen Buspartnern.

Starten Sie in Kalifornien, wo Sie Ihre US-Dependance aufbauen?
Das liegt nahe. Aber wir analysieren derzeit den Markt und wollen in den nächsten sechs bis zwölf Monaten starten. Der US-Markt hat noch ein riesiges Potenzial.

Der Markt ist aber im Prinzip schon fest etabliert. Macht das den Einstieg nicht hoch riskant?
Der US-Markt funktioniert heute ähnlich wie der europäische Markt vor zehn Jahren. Das Image der Fernbusse ist verstaubt, die Kunden kommen aus dem Low-Income-Milieu. Fernbusse in den USA sind heute so uncool wie das in Europa früher der Fall war. In Europa haben wir das Image des Fernbusses verändert. In den USA wollen wir das auch erreichen. Städte mit Colleges und Universitäten werden uns mit offenen Armen empfangen. Die Studenten warten auf uns.

Hat denn der US-amerikanische Mobilitätsmarkt eigene Spielregeln?
Der Markt ist sehr liberal, aber die Konkurrenzsituation in den USA ist sehr speziell. Die Menschen fahren viel längere Strecken als in Europa. Nach wie vor dominiert das private Auto die Mobilität. Außerdem gibt es kaum Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene, wie wir ihn aus Deutschland und Frankreich kennen.


"Flixbus passt gut in die USA"

Ist das ein Vorteil?
Kurzfristig könnte das für uns ein Nachteil sein. Denn das Interesse an unseren grünen Bussen war in Deutschland auch deshalb so groß, weil wir dem ICE auf der Schiene Konkurrenz gemacht haben. Das fehlt in den USA. Aber langfristig ist das für uns eine riesige Chance. Die Fernbusse werden die lange Strecke dominieren.

Sie haben in Europa noch ein paar weiße Flecken. Kommt das Abenteuer USA nicht zu früh?
Wir wachsen auch in Europa stark weiter. Allein in Deutschland, Österreich und Schweiz kommen 2018 rund 140 neue Halte hinzu. Außerdem entstehen beispielsweise neue Verbindungen nach Skandinavien und Portugal. Bis zum Ende des Jahres 2017 werden über 100 Millionen Fahrgäste mit Flixbus durch ganz Europa gereist sein. Mit Blick auf unseren Erfolg in Europa sind wir sicher, dass unser Geschäftsmodell auch in den USA funktionieren wird.

Wann kam Ihnen die Idee?
Die Idee zu unserem Einstieg in den USA kam vor ein bis zwei Jahren. Man guckt über die Weltkugel und überlegt, wo unser Geschäftsmodell Sinn ergibt. Außerhalb Europas kommt vor allem Nordamerika in Frage. Die US-Amerikaner haben eine ähnliche Kultur und sind technikaffin. Flixbus passt da gut hin.

In Europa arbeiten Sie mit Busunternehmern zusammen, die ins Risiko gehen. Flixbus stellt die Fahrpläne zusammen und verkauft die Tickets über die Plattform. Haben Sie in den USA schon Partner gefunden?
Wir führen Gespräche. Die US-Amerikaner haben eine gute unternehmerische Kultur. Deswegen mache ich mir keine Sorgen, dass wir Buspartner finden werden, die Lust auf das Neugeschäft haben. Die werden dann am Umsatz beteiligt. Die Zusammenarbeit mit unseren Buspartnern ist unser strategischer Vorteil gegenüber den Wettbewerbern. Megabus und Greyhound fahren zum größten Teil mit eigenen Bussen. Das macht deren Modell schwerfällig.

Werden Sie Tickets ausschließlich online über die Webseite und die App verkaufen?
Nein. Wir richten uns da an die lokalen Bedürfnisse. In Südeuropa verkaufen wir einen hohen Anteil an Tickets am Schalter, die Schweden kaufen zu 99 Prozent online. So flexibel werden wir das auch in den USA handhaben. In Kalifornien wird der Online-Anteil sicherlich höher sein als in ländlich geprägten Bundesstaaten. Wir wollen die Breite der Bevölkerung erreichen. Darauf stellen wir uns ein. Flexibilität ist ja unsere Stärke.

KONTEXT

Zur Person

André Schwämmlein

André Schwämmlein (36) ist Co-Gründer und Geschäftsführer der FlixMobility GmbH. Bereits während seines Studiums gründete er eine IT-Beratungsfirma. Nach seinem Studium war er drei Jahre bei der Boston Consulting Group in München als Strategieberater tätig. 2011 gründet er mit seinen Schul- und Studienfreunden, Daniel Krauss und Jochen Engert, das Fernbusunternehmen FlixBus - damals unter dem Namen GoBus.