Fall Pell: Schlappe für australische Medien auf der Anklagebank

SYDNEY (dpa-AFX) - In Australien müssen sich zahlreiche Journalisten vor Gericht verantworten, weil sie eine Nachrichtensperre im Missbrauchsprozess gegen den Kurienkardinal George Pell missachtet haben sollen. Jetzt erlitten die 12 Medienhäuser und 18 Journalisten eine erste Schlappe: Richter John Dixon vom Supreme Court im Bundesstaat Victoria entschied am Freitag, dass das Verfahren weitergeführt wird. Die Verteidigung hatte gefordert, den Prozess einzustellen. Stattdessen sollen nun 79 der 87 Anklagepunkte im Januar weiterverhandelt werden.

Bei dem umstrittenen Justizverfahren, das im November eröffnet wurde, geht es um das Urteil gegen den Australier Pell, der Ende 2018 wegen Kindesmissbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Die Justiz hatte eine Nachrichtensperre verhängt, weil noch ein zweiter Prozess gegen Pell anstand. Sie wollte verhindern, dass die Geschworenen bei ihrer Entscheidung von Medien beeinflusst würden.

Einige australische Medien hatten damals - ohne Namensnennung - dennoch berichtet, ein "hochkarätiger Australier" sei zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Andere hatten auf internationale Medien verwiesen, die im Ausland über das Urteil gegen Pell berichtet hatten. Die Anwälte der angeklagten Journalisten hatten in den vergangenen Wochen betont, der Fall weise "verheerende Löcher" auf. Sie forderten, das Verfahren einzustellen.

Kritiker monieren, in Australien sei die Pressefreiheit in der Verfassung nicht garantiert. Die Attacken der konservativen Regierung auf investigativen Journalismus in dem Land seien besorgniserregend, schreibt "Reporter ohne Grenzen" auf seiner Webseite.

Alle Angeklagten, darunter Sydney Morning Herald, Australian Financial Review und Nine Entertainment, haben sich nicht schuldig bekannt. Ihnen drohen Geldbußen und sogar Gefängnisstrafen. Der Prozess soll am 28. Januar fortgesetzt werden.

Pell war wegen des Missbrauchs von zwei Chorknaben in den 90er Jahren zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Im April wurde die einstige Nummer Drei des Vatikans aber nach rund 13 Monaten Haft im Berufungsverfahren freigesprochen und entlassen.