Mit Førzdesk ins Homeoffice

Herr K. sitzt in seinem Büro und starrt unschlüssig auf die lieb gewonnenen Stahlrohrmöbel, seinen Homer-Simpson-Kaffeebecher und die vier Fensterachsen, die ihn dem Vorstand zumindest ausstattungsmäßig näherbringen. CFO Schnaas zum Beispiel hat sechs, Frau Doktor Schwielow nur fünf, dafür aber Eckzimmer, was in der bürointernen Macht-Wahrnehmung als durchaus ebenbürtig betrachtet wird.

Es gibt sogar Leute wie Berger aus dem Marketing, die „fünf über Eck“ für stärker halten als „sieben längs“, wegen der einschüchternd zulaufenden Glasfront, vor die sich Frau Doktor Schwielow ein Stehpult aus dem Rokoko gepflanzt hat. Der alte Reschke hat als Chef natürlich zehn Achsen inklusive zweier Ecken, komischerweise aber die billigen Stehlampen aus dem Katalog für den Außendienst-Nachwuchs. Vielleicht ist das so ein Bescheidenheits-Ding, womit sich die Frage stellt, wie viel zum Beispiel drei Stehlampen von Tobias Grau oder zwei Eames-Chairs von Vitra in Fensterachsen wert wären, wenn …

Über die Zahl der Fensterachsen oder die Größe des Schreibtisches sind in westlichen Industrienationen schon Kriege ausgebrochen. Da ist sich Herr K. ziemlich sicher, auch wenn ihm persönlich dieses kleinkarierte Reviergehabe natürlich völlig fremd ist. „Ich nehm‘ auch Sperrmüll“, hatte er bei seinem Einzug verkündet, dann aber privat dem zuständigen Facility-Manager einen vierstelligen Aufpreis in bar zugeschoben für eine peppermintfarbene Sitzecke, die in seinem Bürogestaltungs-Budgetrahmen (Antragsformular BBR 2/302-FK) gar nicht vorgesehen war.

Berger ist fast geplatzt vor Neid, zumal Herr K. gelächelt hat: „Top-Leute, Top-Design.“ Und dass Typen wie Koslowski nur zwei Fensterachsen haben, findet Herr K. völlig legitim, wenn man bedenkt, was für ein Idiot Koslowski sein kann. Eigentlich sollte man das komplette Controlling im Souterrain zum Innenhof unterbringen mit graubetonierter Kasematte, Duschkopf-Jahreskalender auf der Raufasertapete und Möbeln, die „Førzdesk“ oder „Strullewånd“ heißen.

So viel ist hier klar: Auch Herr K. begreift Büro als Lebensraum und Biotop gleichermaßen. Büro ist Schlachtfeld, Treibhaus, Resonanzboden, Echoraum und welche geschwollenen Begriffe man sonst noch zurzeit dafür benutzt, möglichst eloquent nichts zu sagen. Und ausgerechnet jetzt kommt die Hausmitteilung, dass auch die Führungskräfte künftig „zu mehr Homeoffice angehalten werden“.

Homeoffice – das war für Herrn K. bislang so etwas wie firmenseitig geduldetes Blaumachen. Jetzt scheint das schick zu werden. Oder ist das eine Art Rausschmiss auf Raten? Er macht sich Sorgen. Zu Recht, wie man bald sehen wird (Fortsetzung folgt).

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK