EZB könnte ab heute Fuß vom Zins-Gas nehmen: Entscheidungstag

(Bloomberg) -- Die Europäische Zentralbank dürfte das Tempo der Zinserhöhungen verlangsamen, nachdem die von ihr als Indikator bevorzugte Kerninflation zum ersten Mal seit 10 Monaten zurückgegangen ist.

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Angesichts der bremsenden konjunkturellen Wirkung der Geldpolitik erwarten sowohl Volkswirte als auch die Geldmärkte, dass der EZB-Rat den Einlagensatz am heutigen Donnerstag nur um einen Viertelpunkt auf 3,25% anheben wird. Danach sollten noch zwei Zinsschritte kommen, bis die EZB im Juli mit 3,75% den Gipfel erreicht.

Ein größerer Schritt kann heute freilich nicht gänzlich ausgeschlossen werden: Eine Minderheit, zu der unter anderem JPMorgan und die Bank of America gehören, geht davon aus, dass sich die Währungshüter wieder für einen Schritt von 50 Basispunkten entscheiden. Immerhin liegt die Teuerung immer noch weit über dem Ziel von 2%. Goldman Sachs etwa sagt zwar einen Viertelpunkt voraus, meint aber, der sei “keine ausgemachte Sache”.

Eine Verlangsamung auf einen Viertelprozentschritt würde auch der Erhöhung um einen Viertelpunkt entsprechen, die die Federal Reserve am Mittwoch vorgenommen hat.

Die Volkswirte von Bloomberg Economics sagen:

“Die EZB wird wahrscheinlich eine Anhebung um 25 Basispunkte ankündigen. Jüngste Kommentare deuten darauf hin, dass die Unterstützung für einen größeren Schritt eine schmale Basis hat. Eine Stabilisierung der Kerninflation und Anzeichen dafür, dass sich die Kreditbedingungen verschärfen, haben die Ratsmitglieder wahrscheinlich davon überzeugt, dass die Zeit für eine Abkehr von Schritten um 50 Basispunkte gekommen ist.”

— David Powell, Experte für die Eurozone. Gesamte Analyse hier

Die EZB gibt die geldpolitischen Beschlüsse um 14.15 Uhr bekannt. Eine Pressekonferenz mit Präsidentin Christine Lagarde folgt eine halbe Stunde später im Frankfurter EZB-Turm.

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Zinssätze

Die Falken im EZB-Rat könnten weiterhin auf die Kerninflation — die Energie und Lebensmittel ausklammert — verweisen, die mit 5,6% nach wie vor in der Nähe eines Rekordhochs liegt. Wenn sie sich auf einen kleineren Zinsschritt einlassen, könnten sie im Gegenzug auf einem Ausblick bestehen, der weitere Erhöhungen ankündigt.

Wirtschaftlicher Ausblick

Die Ratsmitglieder haben eine Reihe von Konjunkturdaten aus der vergangenen Woche zu besprechen. Der Rückgang der Kerninflation und das schwächer als erwartet ausgefallene Wachstum in der Eurozone sprechen dafür, dass der Preisschock abklingt. In dieselbe Richtung weisen Daten, die zeigen, dass die Banken ihre Kreditvergabe einzudämmen.

Andererseits deuten die Umfragen unter den Einkaufsmanagern auf eine robuste Konjunktur im Dienstleistungssektor hin. Auch die Löhne ziehen stärker an.

Quantitative Straffung

Die EZB hat im März damit begonnen, ihren Anleihebestand von rund 5 Billionen Euro um 15 Milliarden Euro pro Monat zu verringern. Dies hat auf den Finanzmärkten nicht zu Verwerfungen geführt und die Erwartung geweckt, dass der Abbau beschleunigt werden könnte. Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel deutete letzten Monat an, dass der Zeitpunkt für den Stopp von Reinvestitionen im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten “bald” bestimmt werden könnte.

Ein Gesprächsthema für den Rat könnten auch die gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (englisch TLTRO) für die Banken sein, von denen eine Tranche von 477 Milliarden Euro im Juni fällig wird. Bislang wurden keine neuen Maßnahmen in Aussicht gestellt, aber der Stress im Bankensektor bedeutet, dass die EZB die Situation genau beobachten wird.

Überschrift des Artikels im Original:ECB Set to Slow Hike Pace After Core Prices Ease: Decision Guide

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