EU will mit Visa-Politik Druck auf Drittstaaten machen

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Männer aus Marokko und Bangladesch sitzen in einem überfüllten Holzboot im Mittelmeer vor der Küste Libyens, als sich ihnen Helfer der spanischen Organisation «Open Arms» nähern (Archiv).
MΓ€nner aus Marokko und Bangladesch sitzen in einem ΓΌberfΓΌllten Holzboot im Mittelmeer vor der KΓΌste Libyens, als sich ihnen Helfer der spanischen Organisation Β«Open ArmsΒ» nΓ€hern (Archiv).

Seit Jahren hinken die EU-Staaten beim Thema RΓΌckfΓΌhrungen den eigenen AnsprΓΌchen zurΓΌck. Nun soll es Fortschritte geben.

BrΓΌssel (dpa) - Die EuropΓ€ische Union will mit ihrer Visa-Politik Druck auf Drittstaaten ausΓΌben, die nicht zur RΓΌcknahme abgelehnter Schutzsuchender bereit sind.

Β«Wenn LΓ€nder bei der RΓΌckfΓΌhrung nicht kooperieren, muss das Konsequenzen habenΒ», sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag anlΓ€sslich einer Videokonferenz mit seinen EU-Kollegen. Er habe bei dem Treffen darauf gedrungen, Β«dass wir zΓΌgig von diesem Instrument Gebrauch machenΒ». So sollen kΓΌnftig mehr Menschen ohne Bleiberecht in ihre HeimatlΓ€nder zurΓΌckkehren.

Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson mâchte zügig Fortschritte sehen. «Nun ist Zeit zu handeln.» Der Bericht ihrer Behârde zur Zusammenarbeit mit 39 LÀndern bei der Rückübernahme von Migranten sei dafür eine gute Grundlage. Damit kânne den LÀndern schwarz auf weiß gezeigt werden, «wie sie kooperieren und wie die Mitgliedsstaaten die Zusammenarbeit sehen, so dass wir Druck auf sie ausüben kânnen».

Die Idee, die Visa-Politik als Hebel bei der Migration zu nutzen, gibt es schon lange. Die Staats- und Regierungschefs hatten die EU-Kommission schon 2017 dazu aufgefordert, die Hebelwirkung besser zu nutzen. Seit Februar 2020 ist der neue Visa-Kodex in Kraft, der diese MΓΆglichkeit explizit bietet. Stellschrauben sind etwa die GΓΌltigkeitsdauer der ausgestellten Visa, die HΓΆhe der VisumgebΓΌhr oder die Befreiung bestimmter Reisender von den GebΓΌhren.

Die RΓΌckfΓΌhrungsquote der EU ist seit Jahren gering. 2018 hatte die EU-Kommission das Ziel gesetzt, die Quote bis 2020 auf rund 70 Prozent zu steigern. Dies wΓΌrde bedeuten, dass sieben von zehn Ausreisepflichtigen die EU verlassen. TatsΓ€chlich sind 2019 nach Angaben der EU-Kommission jedoch nur 29 Prozent jener Menschen ausgereist, die die EU-Staaten hΓ€tten verlassen mΓΌssen.

Allerdings ist die Zahl nur bedingt aussagekrΓ€ftig, weil nicht aufgeschlΓΌsselt wird, wie viele der Ausreisepflichtigen das Land aktuell doch nicht verlassen mΓΌssen, etwa weil sie geduldet sind. In Deutschland zum Beispiel waren Ende 2019 zwar knapp 250 000 Menschen ausreisepflichtig - doch gut 200 000 von ihnen geduldet.

Dass die RΓΌckfΓΌhrungsquote unter den Erwartungen vieler bleibt, liegt sowohl an den EU-Staaten selbst als auch an den Drittstaaten. Diese stellen zum Beispiel nicht die nΓΆtigen Dokumente fΓΌr ihre Landsleute zur VerfΓΌgung. In den EU-Staaten tauchen die Betroffenen teils unter.

Die EU-Kommission hatte im Februar einen Bericht vorgelegt, der die Zusammenarbeit mit 39 Drittstaaten bei der Rückkehr und Rückübernahme abgelehnter Schutzsuchender untersucht. Mit mehr als einem Drittel der betrachteten LÀnder müsse die Kooperation verbessert werden, heißt es darin nach Angaben der Brüsseler Behârde. Konkrete LÀnder nannte sie nicht; der Bericht ist vertraulich.

Nach den Vorstellungen von EU-Innenkommissarin Johansson sollten sich die EU-Staaten nun zΓΌgig mit der EU-Kommission auf eine begrenzte Zahl an Drittstaaten einigen, mit denen man dann Verhandlungen aufnehmen werde. Falls der Fortschritt ungenΓΌgend sei, sei sie dazu bereit, bis Sommer VorschlΓ€ge zu machen, fΓΌr welche LΓ€nder es positive oder negative VerΓ€nderungen der Visa-Politik geben sollte. Zugleich stellte Johansson klar: Β«Die Absicht der EU ist nicht, Visa-EinschrΓ€nkungen zu haben. Die Absicht der EU ist eine bessere Zusammenarbeit bei der RΓΌckΓΌbernahme.Β»

In den Beziehungen mit den Drittstaaten kΓΆnnen jedoch auch weitere Hebel genutzt werden, etwa Handelspolitik oder Entwicklungshilfe. Auch Kooperationen bei der Klimapolitik, beim Austauschprogramm Erasmus oder auch bei legaler Migration kΓΆnnen zum Beispiel eine Rolle spielen. Es brauche einen Β«umfassenden AnsatzΒ», sagte Johansson.

Dies soll auch bei einer gemeinsamen Videokonferenz der EU-Innen- und Außenminister am kommenden Montag diskutiert werden. Die Herangehensweise beider Ressorts unterscheidet sich hÀufig erheblich. WÀhrend die Innenminister für einen harten Kurs im VerhÀltnis zu den Drittstaaten plÀdieren, setzen die Außenminister eher auf Ausgleich.