Erzählt “Bohemian Rhapsody” wirklich die Wahrheit über Freddie Mercury?

Der echte oder der falsche Freddie? Rami Malek sieht dem originalen Mercury zum Verwechseln ähnlich. (Bild: Twentieth Century Fox)
Der echte oder der falsche Freddie? Rami Malek sieht dem originalen Mercury zum Verwechseln ähnlich. (Bild: Twentieth Century Fox)

Mit Biopics ist das so eine Sache: Sie können das Leben eines Superstars nur ausschnittweise erzählen. Dadurch geht zwangsweise einiges verloren. Im Falle des neuen Films über Freddie Mercury nahmen sich die Drehbuchschreiber jedoch auffallende Freiheiten heraus.

Muhammad Ali, Johnny Cash, George W. Bush, Lady Diana, Margaret Thatcher – über sie alle wurden mehr oder weniger erfolgreiche Dramen gedreht. Sogenannte Biopics, also Filmbiografien. Hauptaugenmerk gilt dabei in der Regel dem Hauptdarsteller beziehungsweise der Hauptdarstellerin. Wird er oder sie eine berühmte Ikone der Zeitgeschichte glaubhaft verkörpern und dem Publikum näher bringen können?

Optik hui, Inhalt pfui?

In “Bohemian Rhapsody” schafft es Schauspieler Rami Malek, den 1991 verstorbenen Freddie Mercury wieder zum Leben zu erwecken: Aussehen, Mimik, Gestik, Aussprache – alles sitzt und erzeugt die Illusion, dass man als Kinobesucher meint, tatsächlich Mercury auf der Leinwand zu sehen. Optisch gibt der Queen-Film somit einiges her. Doch wie sieht es mit dem Inhalt aus?

Freddie Mercury im Sommer 1986 mit seiner Freundin Mary Austin. (Bild: Getty Images)
Freddie Mercury im Sommer 1986 mit seiner Freundin Mary Austin. (Bild: Getty Images)

Auf erzählerischer Ebene überzeugt die 52 Millionen Dollar (46 Millionen Euro) teure Produktion allerdings nicht alle Vollblutfans. Das liegt unter anderem daran, dass Brian May und Roger Taylor, die einstigen musikalischen Weggefährten von Mercury, die komplette Produktion des Films beeinflussten.

“Borat”-Darsteller ursprünglich für die Rolle geplant

So legten May und Taylor etwa ein Veto ein, als Sacha Baron Cohen für die Hauptrolle engagiert werden sollte. Der “Borat”-Komiker wollte Mercury Insiderinformationen zufolge als “durchtrieben und sexbesessen” darstellen, schließlich war Mercury bekannt für Sätze wie “Ich gehe mit allem ins Bett” (“I‘ll go to bed with anything”) und “Ich habe für den Sex gelebt”. Sein langjähriger Lebensgefährte Jim Hutton sagte über ihn “Wenn er Lust auf Sex verspürte, konnte man ihn nicht mehr bremsen”. Von Sex ist im Film dafür erstaunlich wenig zu sehen. Sehr wahrscheinlich deshalb, weil die Produzenten eine niedrige Altersfreigabe wollten, um möglichst viele Besucher anzulocken.

Mary Austin, gespielt von Lucy Boynton, und Rami Malek in der Rolle des Freddie Mercury. (Bild: Twentieth Century Fox)
Mary Austin, gespielt von Lucy Boynton, und Rami Malek in der Rolle des Freddie Mercury. (Bild: Twentieth Century Fox)

May und Taylor stellten sicher, dass Mercury nicht allzu verrucht und lüstern dargestellt wird. Das Ergebnis ist daher auch mehr Hagiografie als Biografie, mehr Ikonenverehrung als Lebenserforschung.

Rami Malik kann Kritik nachvollziehen

Die vielen Männerbekanntschaften Mercurys werden dabei fast vollkommen ausgeblendet. Hauptdarsteller Malik kann die Kritik verstehen. Gegenüber der Tageszeitung “USA Today” sagte er: “Freddie Mercury ist eine Schwulenikone, und er ist eine Ikone für uns alle. Ich hoffe, die Leute glauben nicht, dass der Film der Community einen schlechten Dienst erweist, und wenn es nach mir ginge, hätte ich das gern mehr eingearbeitet.”

Nicht nur Mercurys sexuelle Ausschweifungen werden nur am Rande erwähnt, auch seine lebenslange Freundin Mary Austin, mit der er in den 70er-Jahren in einer Liebesbeziehung war, kommt viel zu kurz. Welche Bedeutung Austin in Mercurys Leben hatte, lässt sich vielleicht daran ablesen, dass Mercury sie als Haupterbin seines Millionenvermögens eingesetzt hat.

Barbara Valentin und Freddie Mercury teilten sich zwischenzeitlich sogar eine Wohnung im Münchener Glockenbach-Viertel (Bild: ddp images)
Barbara Valentin und Freddie Mercury teilten sich zwischenzeitlich sogar eine Wohnung im Münchener Glockenbach-Viertel (Bild: ddp images)

Barbara Valentin wurde “aus Freddies Leben ausradiert”

Eine weitere wichtige Person in Mercurys Leben kommt erst gar nicht vor. Mit der Münchnerin Barbara Valentin pflegte der Sänger eine innige Freundschaft – laut seiner Biografin Lesley-Ann Jones sogar eine sexuelle Beziehung. Dass sie im Film ausgespart wurde ist ihrer Meinung nach ein Skandal. “Barbara Valentin war die Liebe seines Lebens”, behauptete sie im Gespräch mit der “Daily Mail”. Die beiden habe viel miteinander verbunden. “Es macht mich wütend, dass man sie aus dem Leben von Freddie Mercury ausradiert hat.”

Der historische Auftritt von Queen im Wembley-Stadion wurde mit den Schauspielern kopiert. (Bild: Twentieth Century Fox)
Der historische Auftritt von Queen im Wembley-Stadion wurde mit den Schauspielern kopiert. (Bild: Twentieth Century Fox)

Freiheiten haben sich die Drehbuchautoren auch an anderen Stellen genommen. So kommen etwa die umstrittenen Konzerte im südafrikanischen Sun City nicht im Film vor. Queen traten damals in dem Apartheid-Staat auf und widersetzten sich damit Boykottaufrufen. Auch die Aids-Krankheit Mercurys wird kaum thematisiert. Zwar erzählt der Film-Mercury seinen Bandkollegen von der positiven HIV-Diagnose. Der Film endet allerdings mit dem legendären Live-Aid-Konzert im Londoner Wembley-Stadion im Sommer 1985. Problem: Der echte Mercury soll laut Jim Hutton aber erst 1987 von seiner Krankheit erfahren haben.

Lebensende von Freddie Mercury kommt im Film nicht vor

Der britische “Economist” schreibt daher in einer Rezension, der Film hätte besser “We Are The Champions” betitelt werden sollen, da es in dem Film um “Ruhm und Vermögen und alles, was dies mit sich bringt” gehe. Gerade die letzten Lebensjahre des Freddie Mercury liefern eigentlich viel Stoff für ein Leinwanddrama: sein Hadern mit der Bekanntgabe seiner Aids-Erkrankung, seine angeschlagene Gesundheit und wie er sich zu letzten Krafttaten wie “The Show Must Go On” und dem Musikvideo zu “These Are The Last Days Of Our Lives” aufrafft.

Alles in allem ist “Bohemian Rhapsody” ein bild- und tonreiches Spektakel. Was den Inhalt angeht, muss man leider einige Abstriche in Kauf nehmen.