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In englischer Erde: "Die Ausgrabung" bei Netflix

Das Netflix-Drama "Die Ausgrabung" lässt Ralph Fiennes im Schlamm wühlen. Ein bisschen mehr Pathos hätte dem Film nicht geschadet.

Vielleicht liegt es ja daran, dass Regisseur Simon Stone in der Schweiz geboren wurde, in Australien aufwuchs, später durch die Welt tingelte und seinen neuen Film nun in Südostengland gedreht hat: Nationalismus scheint dem 36-Jährigen auf jeden Fall fremd zu sein. Zumindest beschleicht einen dieser Eindruck, wenn man sich bei Netflix Stones zweiten Langfilm ansieht, "Die Ausgrabung" (ab 29. Januar). Da erzählt Stone, basierend auf dem Historienroman "The Dig", von einer der größten Entdeckungen der britischen Archäologiegeschichte - und klingt dabei so, als handle es sich bei der ganzen Angelegenheit um etwa so Alltägliches wie den Gang zum Supermarkt. Pathos, große Gefühle, Nationalstolz - all das versucht der Film tunlichst zu vermeiden.

Was vielleicht auch am Hauptdarsteller von "Die Ausgrabung" liegt. Gespielt wird jener Mann, von dessen Leben und vor allem bedeutendster Entdeckung der Film handelt, von Ralph Fiennes. Der 58-jährige Brite ist so etwas wie der Intellektuelle des Weltkinos - als Regisseur drehte er zuletzt, ebenfalls überraschend kühl inszeniert, einen Film über Ballettstar Rudolf Nurejew. Und wer Fiennes zum Interview trifft, begegnet einem Mann, der jeden Satz so lange im Kopf hin und her wälzt, bis er ihn schließlich wohlformuliert an die Öffentlichkeit lässt.

Im englischen Regen

Da haben sich also zwei gefunden, der Regisseur und sein Hauptdarsteller, könnte man sagen. Indes: Ein bisschen mehr Pathos hätte "Die Ausgrabung" dann doch verdient gehabt. Schließlich erzählt der Film, wie gesagt, von einer archäologischen Sensation. Fiennes spielt Basil Brown, einen Archäologen, der sich selbst aber lieber einen Buddler nennt. Und buddeln darf er auch: Im Jahr 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, reist Basil nach Suffolk. Hier bewohnt die Witwe Edith Pretty (Carey Mulligan) mit ihrem Sohn Robert (Archie Barnes) ein viel zu großes Anwesen, zu dem ein weitläufiges Stück Land gehört.

Weil sich Edith selbst für Archäologie interessiert, bittet sie Basil, auf einer ihre Wiesen den Boden umzupflügen. In den grasbewachsenen Hügeln, die sich auf ihrem Grund verteilen, vermutet sie die Gräber aus Wikingerzeit. Basil beginnt also, sich im englischen Regen durch den Matsch zu wühlen, und macht bald eine weitaus spannendere Entdeckung als ein paar Wikingerknochen: In der Erde stößt er auf die Überreste eines Schiffes aus angelsächsischer Zeit. Das hölzerne Gefährt, das freilich längst verfallen ist, diente einst einem bedeutenden Herrscher als Grabstätte.

Doch bevor Basil den Goldschatz heben kann, der gut konserviert durch reichlich Erde die Jahrhunderte überdauert hat, muss er sich noch mit anderen Dingen herumschlagen als dem miesen englischen Wetter: Wissenschaftler eines nahegelegenen Museums sowie vom British Museum in London haben Wind bekommen von der Sensation, die Basil aus dem Boden von Suffolk gezogen hat. Und sie alle wollen ein Stück vom Kuchen - und vom Ruhm, versteht sich.

Einer der wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten

Das Schiffsgrab von Sutton Hoo, das Basil Brown vor mehr als 80 Jahren entdeckt hat, gilt als einer der wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten. Weil die Funde außergewöhnlich schön und noch dazu sehr gut erhalten waren. Aber auch, weil sie zeigten, wie weit fortgeschritten die angelsächsische Kultur des siebten Jahrhunderts war. Weil sich für derartige Dinge aber ein doch eher kleines Publikum interessieren dürfte, schmückt "Die Ausgrabung" die Geschehnisse des Jahres 1939 ein wenig aus. Da macht einer der aus London in die Provinz geeilten Archäologen seinem Kollegen schöne Augen, während dessen ungeliebte Frau (Lily James) wiederum mit dem Neffen von Grundbesitzerin Edith flirtet.

Auch diese kleinen Nebengeschichten verhandelt Regisseur Simon Stone mit leicht distanziertem Blick. Nur nicht in den Kitsch abdriften!, mag er sich vor Beginn der Dreharbeiten geschworen haben. An sich ja ein gutes Ansinnen. Doch auch hier gilt: Manchmal braucht es eben doch Mut zu Pathos und zu großen Gefühlen. Weil es ein Film sonst schwer hat - und das gilt leider auch für "Die Ausgrabung" - sein Publikum mitzureißen.