"Am Ende muss man den Hut ziehen": Thomas Broich kann Katar-Boykott nachvollziehen
Boykottieren oder nicht? Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar wurde diese Frage unter Fans kontrovers diskutiert. ARD-Experte Thomas Broich kann verstehen, wenn Fußballfreunde sich gegen das Turnier entscheiden - und sucht selbst einen Umgang damit.
Die problematischen Bedingungen rund um die Weltmeisterschaft in Katar stellt viele Fußballfans vor die Frage: Einschalten oder boykottieren? Die Antwort ist nicht leicht, selbst für TV-Experten. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau berichtete Thomas Broich, im Ersten für die taktische Analyse zuständig, er könne nachvollziehen, wenn Fans auf diese WM bewusst verzichten. Mehr noch: "Veränderungen brauchen eindeutige Haltungen", so der 41-Jährige, der im Jugendbereich von Hertha BSC arbeitet. "Und am Ende muss man vor jedem den Hut ziehen, der tatsächlich so konsequent ist."
Als Taktik-Experte ist Broich selbst vor Ort im Wüstenstaat. Am heutigen Mittwoch greift Deutschland gegen Japan ins Turnier ein und auch Broich kommt an der Seite von Moderatorin Julia Scharf zu seinem ersten WM-Einsatz, dem er zuvor mit gemischten Gefühlen entgegenblickte. "Ich bin da wirklich hin- und hergerissen. Einerseits bin ich Fußballer durch und durch und freue mich auf ein großes Turnier wie ein kleines Kind", so der ehemalige Bundesliga-Profi. Andererseits gebe es aktuell so viele Krisen: Broich nennt die Pandemie, den Klimawandel, den Krieg in der Ukraine sowie die Proteste im Iran.
Da sei eine solch kontroverse WM wahrscheinlich noch das "geringere Übel". Dennoch müssten Dinge wie Menschenrechtsverletzungen und Korruption klar benannt werden, stellt Broich klar. "Sich davon freizumachen, gelingt einfach nicht. Das ist wie ein riesiger Schatten, der über allem liegt."
"Man kann es nicht jedem recht machen"
Die Öffentlich-Rechtlichen haben sich kritische Berichterstattung verordnet, die Experten zur Lage in Katar gebrieft. Broich selbst versuchte, sich über die Printmedien, Dokus und Talkshows zu informieren. Doch was bedeutet das konkret für den Analysten? "Ich muss mir Gedanken machen, wie man das auch wirklich lebt. Das ist eine schwierige Situation für uns alle." Es gelte, eine Haltung zu den Umständen zu finden.
"So zu tun, als wäre nichts, wäre total falsch", findet Broich. "Die ganze Zeit nur darüber zu reden ist für jemanden, der sich an einem schönen Spiel erfreuen will, aber auch nicht cool." Es sei schlussendlich ein schmaler Grat und alle Erwartungen zu erfüllen unmöglich: "Egal, wie man es macht, man hat nicht viel zu gewinnen und kann es nicht jedem recht machen", konstatiert Broich.