Astrazeneca-Impfungen sollen wieder starten

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Die EMA sieht grundsätzlich keine erhöhten Gesundheitsgefahren und empfiehlt die Fortsetzung der Impfungen mit Astrazeneca.
Die EMA sieht grundsΓ€tzlich keine erhΓΆhten Gesundheitsgefahren und empfiehlt die Fortsetzung der Impfungen mit Astrazeneca.

Drei Tage nach dem vorlÀufigen Haltesignal für den Impfstoff von Astrazeneca liegt eine wissenschaftliche Überprüfung vor: Das Mittel kann nun weiter gespritzt werden, jedoch mit ergÀnzten Informationen.

Berlin/Amsterdam (dpa) - Die vorsorglich gestoppten Corona-Impfungen mit dem PrΓ€parat von Astrazeneca sollen in Deutschland wieder starten - aber mit einem neuen Warnhinweis zu mΓΆglichen Nebenwirkungen.

Ziel sei, dass schon an diesem Freitag wieder begonnen werden kΓΆnne, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstagabend nach einem Votum der EuropΓ€ischen ArzneimittelbehΓΆrde (EMA) und Beratungen mit den LΓ€ndern. Die EMA hatte zuvor die Sicherheit des Impfstoffes bekrΓ€ftigt. Es werde aber eine extra Warnung vor mΓΆglichen seltenen FΓ€llen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen hinzugefΓΌgt.

Spahn sagte, das Aussetzen sei notwendig gewesen, um Sicherheit zu bekommen. Dies zeige, dass die BΓΌrger darauf vertrauen kΓΆnnten, dass sorgfΓ€ltig geprΓΌft werde. Γ„rzte ohne diese Informationen weiterimpfen zu lassen, wΓ€re schwer zu verantworten gewesen. Das festgestellte Risiko werde weiterhin als geringer angesehen als die Folgen, die Nicht-Impfen habe. Wichtig fΓΌr das Vertrauen sei aber Β«informiertes ImpfenΒ». In die AufklΓ€rungsbΓΆgen fΓΌr Patienten solle schnellstmΓΆglich das Risiko bei Frauen unter 55 Jahre eingefΓΌgt werden. Γ„rzte kΓΆnnten eine erfolgte AufklΓ€rung dazu vorerst auch handschriftlich ergΓ€nzen.

Der PrΓ€sident des fΓΌr Impfstoffe zustΓ€ndigen Paul Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, sagte: Β«Es ist klargestellt, es handelt sich um ein sehr seltenes Ereignis, und es ist klargestellt, dass insofern die Impfungen weiterhin ein positives Nutzen-Risiko-Profil tragen und weitergeimpft werden kann.Β» Die LΓ€nder-Gesundheitsminister sprachen sich einstimmig fΓΌr eine Fortsetzung ab Freitag aus. Β«Das ist ein gutes Signal fΓΌr alle Menschen, die sich gegen das Coronavirus impfen lassen wollenΒ», sagte der Vorsitzende Klaus Holteschek (CSU) aus Bayern. Die LΓ€nderminister stΓΌnden auch hinter dem vorΓΌbergehenden Impfstopp mit Astrazeneca, betonte er. Β«Sicherheit geht vor.Β»

Der Impfstoff kam nachdem AuffΓ€lligkeiten in einigen LΓ€ndern auf den PrΓΌfstand. In Deutschland gibt es inzwischen 13 gemeldete FΓ€lle von Hirnvenen-Thrombosen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen mit dem PrΓ€parat, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Drei Patienten seien gestorben. Insgesamt handele es um zwΓΆlf Frauen und einen Mann im Alter zwischen 20 und 63 Jahren. Die Bundesregierung stoppte den Einsatz von Astrazeneca am vergangenen Montag nach einer Empfehlung des PEI - damals gab es sieben FΓ€lle. Trotz insgesamt mehr als 1,6 Millionen Impfungen sei dies ΓΌberdurchschnittlich hΓ€ufig.

Die EMA erklÀrte, sie sehe keine erhâhten Gesundheitsgefahren und empfahl die Fortsetzung der Impfungen. «Der Impfstoff ist sicher und effektiv gegen Covid-19, und die Vorteile sind wesentlich grâßer als die Risiken», sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Donnerstag in Amsterdam nach einer Sondersitzung des Sicherheitsausschusses. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Impfungen die VorfÀlle verursacht hÀtten. Dennoch sei es nicht ausgeschlossen. Daher würden die Prüfungen und Studien auch fortgesetzt. Experten der EMA hatten alle Daten der FÀlle gemeinsam mit dem Hersteller des Impfstoffes, Experten für Bluterkrankungen sowie Gesundheitsbehârden geprüft.

Astrazeneca ist als dritter Corona-Impfstoff zugelassen worden und spielt eine wichtige Rolle in der gesamten Impfstrategie der EU. Der britisch-schwedische Hersteller hat zwar Lieferschwierigkeiten, dennoch sind 70 Millionen Dosen fΓΌr das zweite Quartal vorgesehen. Weil das PrΓ€parat nicht so stark gekΓΌhlt werden muss, kann es auch gut von HausΓ€rzten gespritzt werden. VerfΓΌgbar sind daneben auch die schon zuvor zugelassenen PrΓ€parate von Biontech/Pfizer und Moderna.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die MinisterprÀsidenten der LÀnder wollen sich am Freitag zu einem «Impfgipfel» per Telefonkonferenz zusammenschalten. Beraten werden soll auch über den Zeitplan für einen breiten Impfstart in Praxen. Die Gesundheitsminister von Bund und LÀndern peilen diesen Übergang spÀtestens für die Woche vom 19. April an. Zu klÀren ist dafür auch, wie verfügbarer Impfstoff zwischen Praxen und den regionalen Impfzentren der LÀnder aufgeteilt werden soll. Spahn sagte, mit dem Beginn der Astrazeneca-Impfungen am Freitag gelte es nun, vier verstrichene Tage aufzuholen.

Nach Kritik wegen knapper Mengen und überlasteten Termin-Hotlines werden in den nÀchsten Monaten grâßere Impfstoffmengen erwartet. Im zweiten Quartal sollen 40,2 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer kommen. Von Astrazeneca waren bisher 16,9 Millionen Dosen vorgesehen. Dazu sind 6,4 Millionen Dosen von Moderna eingeplant. Zudem wird wohl in der zweiten AprilhÀlfte der Lieferbeginn des inzwischen ebenfalls zugelassenen PrÀparats von Johnson & Johnson erwartet.

Auch in Frankreich soll Astrazeneca nach der Empfehlung der EMA ab Freitag wieder gespritzt werden. Spanien will voraussichtlich ab Dienstag wieder starten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte vor voreiligen SchlΓΌssen aus einem vorΓΌbergehenden Impfstopp gewarnt. Β«In Impfkampagnen ist es Routine, potenzielle unerwΓΌnschte Ereignisse zu melden. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Ereignisse mit der Impfung in Verbindung stΓΌnden.

Beim Impfen gibt es einen Wettlauf gegen die Zeit: Eine dritte Corona-Welle zeichnet sich deutlicher ab. Das Robert Koch-Institut (RKI) schΓ€tzt das Wachstum als exponentiell ein. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner stieg erneut. Bundesweit lag diese Sieben-Tage-Inzidenz laut RKI am Donnerstag bei 90 - und damit erneut hΓΆher als am Vortag (86,2). Die GesundheitsΓ€mter meldeten dem RKI binnen eines Tages 17.504 Corona-Neuinfektionen - gut 3000 mehr als am Donnerstag der Vorwoche.