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Das Drama hinter dem besten Film aller Zeiten

Die Kinos haben geschlossen, lang lebe das Kino: David Finchers Netflix-Film "Mank" erzählt von "Citizen Kane"-Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz und lässt das Hollywood der 30er-Jahre wiederauferstehen.

Nach wie vor führt "Citizen Kane" die Bestenliste des American Film Institute an - fast 80 Jahre, nachdem der Film 1941 ins Kino kam. In dem Vertrag zu seinem Erstlingswerk ließ sich Allroundgenie Orson Welles komplette Handlungsfreiheit zusichern. Er nutzte es zur Entwicklung kinematografischer Innovationen: "Citizen Kane" setzte tricktechnische und erzählerische Maßstäbe und ist heute ein lebendiges Museum der Filmsprache.

Es schadet nichts, all das zu wissen, bevor man sich den Netflix-Film "Mank" (ab 4. Dezember) ansieht - es ist aber auch nicht wirklich wichtig, ob man "Kane" nun kennt oder nicht. Denn "Mank" erzählt zwar davon, wie Herman J. Mankiewicz einst das Drehbuch zu dem Filmklassiker schrieb, in einem Zustand irgendwo zwischen Genie und Alkoholvergiftung. Vor allem aber handelt David Finchers Film vom Hollywood der 30er-Jahre.

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Drehbuchautor Jack Fincher, der 2003 verstorbene Vater des Regisseurs, hat sich für die Erzählstruktur seines Films bei "Citizen Kane" bedient und wechselt mithilfe vieler Rückblenden zwischen den Jahren hin und her. Im Jahr 1940 hat sich Mankiewicz in die Mojave-Wüste zurückgezogen, um am Skript zu "Citizen Kane" zu arbeiten. Nach einem Autounfall eingegipst und ans Bett gefesselt, soll Mankiewicz, in New York geborener Sohn deutscher Einwanderer und älterer Bruder des späteren Regisseurs Joseph L. Mankiewicz ("Alles über Eva"), in nur zwei Monaten die Auftragsarbeit für Orson Welles erledigen.

Gespielt wird der auf dem Trockenen liegende Alkoholiker mit unglaublicher Wucht von Gary Oldman, der ihn mit viel schwarzem Humor, viel Galle aber auch ebenso viel Wärme ausgestattet hat. Mit seiner schier übermenschlichen Performance empfiehlt sich Oldman - wie übrigens auch Regisseur Fincher - für einen Oscar.

Ein Fest für Cineasten

Das Buch, das Mankiewicz seiner Sekretärin und Pflegerin Rita (Lily Collins) in den Block diktiert, erzählt von Aufstieg und Fall des fiktiven Zeitungstycoons Charles Foster Kane und dem wohl berühmtesten letzten Wort der Filmgeschichte. Reales Vorbild für die Filmfigur war William Randolph Hearst - Millionär, Verleger, Erfinder des Boulevardjournalismus. Und ein Mann, der es sich einst verscherzt hat mit Drehbuchautor Mankiewicz. Zunächst, das zeigen Rückblenden, waren beide Männer noch sehr voneinander angetan - einmal nennt Hearst, im Film gespielt von Charles Dance, Mankiewicz gar den "Shakespeare des Kinos". Doch als Mankiewicz die Schauspielerin Marion Davies (Amanda Seyfried) kennenlernt, die Geliebte von Hearst, beginnt die Beziehung zu bröckeln.

"Mank" ist über weite Strecken ein wahres Fest für Cineasten. Da treten Hollywood-Größen wie Studiochef Louis B. Mayer und Produzenten wie David O. Selznick ("Vom Winde verweht") auf, es geht hinein in die großen Studios und hin zu Dreharbeiten, bei denen alles noch Handarbeit war. "Mank" lässt den untergegangenen Glamour des alten Hollywoods wieder aufleben, unter dessen Glanz aber auch die Schattenseiten düster schimmern: die Ausbeutung der Stars, die in einem rigiden System gefangen waren, der Machtrausch, dem so manch Hollywood-Boss verfiel, die vielen Drogen. Und die Weltwirtschaftskrise, die in den frühen 30-ern große Teil der USA fest in ihrem Griff hat.

Überraschend aktuell

Bei all dem ist "Mank" überraschend aktuell. Wie zuletzt im US-Wahlkampf wird hier jeder, der nur ansatzweise moderne Gedanken hegt, als Sozialist niedergeschrien. "Mank" erzählt auch davon, wie sich der Schriftsteller Upton Sinclair für die demokratische Partei als Gouverneur von Kalifornien bewarb, unterstützt von Mankiewicz und zu Fall gebracht von einem seiner Freunde, der im Auftrag von William Randolph Hearst verunglimpfende, gefälschte Wahlkampfspots drehte - die Vorläufer der "fake news". An einem wie Hearst, wie er in diesem Film gezeigt wird, hätte Donald Trump wohl seine Freude.

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Regisseur David Fincher ("Fight Club", "The Social Network") hat seinen Film in Schwarz-Weiß gedreht, und auch sonst viele Stilelemente aus "Citizen Kane" übernommen. Überblendungen etwa, rasch geschnittene Collagen, das raffinierte Spiel mit Licht und Schatten. Orson Welles (Tom Burke) und sein Film spielen dabei nur eine kleine Rolle, was aber egal ist: Wer das Kino liebt, wird von "Mank" begeistert sein. Wie schade, dass man den Film hierzulande - die Pandemie ist schuld - nur bei Netflix erleben kann und nicht auf der großen Leinwand!

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