Werbung

Ich bin doppelt geimpft, geboostert und habe mich doch mit Corona infiziert — so denke ich jetzt über das Impfen

Auf das neue Jahr habe ich mich gefreut. Trotz Corona. Sicher, schon seit einigen Wochen verdüsterte die Omikron-Variante die Aussicht auf ein schnelles Ende der Pandemie. Dennoch überwog zum Jahreswechsel meine Zuversicht, dass Corona 2022 seinen Schrecken und seine Macht über uns verlieren werde. Persönlich machte ich mir ohnehin wenig Sorgen: Schließlich bin ich doppelt geimpft und frisch geboostert.

Dann habe ich mich infiziert.

Seit fast zwei Jahren beschäftigt mich die Pandemie beinahe rund um die Uhr. Bei Business Insider Deutschland habe ich gemeinsam mit Jakob Wais die Verantwortung für das Wohlergehen aller im Team. Corona dominiert zudem selbstverständlich unsere journalistische Arbeit. Der Hunger nach verlässlichen Informationen ist riesig. Ständig verändern sich wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Abwägungen und nicht zuletzt das Virus selbst. Je länger die Pandemie dauert, umso emotionaler werden die Debatten – und umso unversöhnlicher.

Nun wurde aus der Theorie Praxis.

Am Tag meines positiven Tests fühlte ich mich ausgezeichnet. Noch am Nachmittag hatte ich einen Schnelltest gemacht, bevor ich zwei Kollegen traf, weil mir unser Gespräch so wichtig war, dass ich es persönlich führen wollte. Wenig später rief meine Frau an und erzählte, sie habe einen positiven Schnelltest. Als ich zu Hause ankam, hatte auch unser Sohn einen positiven Test. Kaum zwei Stunden später galt das auch für mich. Die Bestätigung der Infektion durch den PCR-Test 24 Stunden später war nur noch Formsache.

So schnell geht das also.

Noch schneller als das Labor war das Virus. Noch am Abend eskalierten die zunächst typischen Vorzeichen einer Erkältung: Schüttelfrost, Fieber, rasende Kopfschmerzen. Nach einem weiteren Tag wurde es langsam besser. Noch einmal gut gegangen. Viele, viel zu viele andere, trifft es härter.

2022 beginnt für mich also mitten im Wirbel der irritierenden Corona-Indizien: Ich bin doppelt geimpft, ich bin geboostert und habe nun doch selbst Corona.

„Und? Was hat das ganze Impfen dir nun gebracht?“

Damit stand die Impffrage unübersehbar im Raum: „Und? Was hat dir das ganze Impfen nun gebracht?"

In der aufgeheizten Stimmung rund um das Thema Impfen, bemühen wir uns bei Business Insider, uns strikt an Fakten zu orientieren. Unsere Meinung spielt keine Rolle. Wir berichten, damit ihr euch selbst eure Meinung bilden könnt. Also berichten wir sowohl über die Datenlage zur Wirkung von Impfungen als auch über Risiken und Nebenwirkungen.

Persönlicher gehe ich mit dem Thema in unserem Newsletter "BI Daily" um, den ich im Wechsel mit Johannes Altmeyer täglich schreibe. Im Newsletter habe ich offensiv berichtet, dass ich mich habe impfen und boostern lassen. Ich habe Auskunft gegeben, dass wir früh auch unseren Sohn haben impfen lassen. Ich habe mich bei Forschern und Impfteams bedankt. Ich habe auch meine Leserinnen und Lesern gebeten, sich impfen zu lassen. Immer gab es neben Zuspruch auch viel Kritik (und manche wüste Beschimpfung).

Ich konnte mir also vorstellen, wie diejenigen, die sich selbst nicht impfen lassen möchten, oder die sogar generell gegen eine Corona-Impfung sind, auf meinen Impfdurchbruch reagieren würden.

Darum lieferte ich die Antwort gleich mit und schrieb: „Ich bin froher denn je, dreifach geimpft zu sein. Nach meinen bisherigen Symptomen möchte ich mir nicht vorstellen, wie die letzten Tage ohne meine Impfungen gelaufen wären.“

Selten habe ich so viele Reaktionen auf den Newsletter erhalten, wie auf diese Ausgabe. Kritische. Ablehnende. Wütende. Immer lauteten die beiden Argumente: Meine Impfung habe mich ja nicht vor einer Ansteckung geschützt. Und ob meine Impfung den Verlauf der Infektion wirklich gemildert hat, könne ich gar nicht wissen, da niemand sagen könne, wie meine Infektion ohne Impfung verlaufen wäre.

Das ist streng genommen beides richtig. Und dennoch taugt es nicht als Argument gegen eine Impfung. Hier sind meine Gründe:

Erstens: Dass keiner der verfügbaren Impfstoffe einen vollständigen Schutz gegen eine Corona-Infektion bietet, ist bekannt. Über Impfdurchbrüche wird regelmäßig und ausführlich berichtet. Seit dem Aufkommen von Omikron wird thematisiert, dass die verfügbaren Impfstoffe nur eingeschränkt vor einer Infektion mit dieser Variante schützen. Mir war dies klar. Ich habe dies abgewogen.

Eine Impfung bietet keinen vollständigen Schutz vor einer Infektion. Aber eine Impfung senkt nachweislich das Risiko einer Infektion.

Zweitens: Impfungen vermindern neben dem Risiko einer Infektion auch das Risiko, dass eine Covid-19-Erkrankung im Falle einer Infektion einen schweren Verlauf nimmt. Für meinen Fall bedeutet das:

Es gibt für mich keinen Grund anzunehmen, dass der Verlauf meiner Covid-19-Erkrankung ohne Impfung milder gewesen wäre. Es gibt aber guten Grund zu der Annahme, dass das Risiko eines schweren Verlaufes ohne Impfung größer gewesen wäre.

Nein, meine Impfungen haben mich nicht vor einer Infektion geschützt.

Nein, ich kann nicht wissen, ob meine Erkrankung ohne Impfung schwerer verlaufen wäre

Aber ja: Ich kann sagen, dass ich während der gesamten Corona-Pandemie noch nie so froh darüber war, geimpft zu sein, wie in diesen Tagen.

Auf das neue Jahr freue ich mich. Trotz Corona. Heute überwiegt meine Zuversicht, dass Corona 2022 einen Großteil seines Schreckens und seiner Macht über uns verlieren wird.

Der Artikel erschien bei Business Insider zuerst am 8. Januar 2022