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Der Koalitionsvertrag bewegt die Wirtschaft: Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall übt harsche Kritik, Autoindustrie und Finanzbranche sind zufrieden.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist ausgehandelt. Die Große Koalition soll kommen. Die Reaktionen auf das Vertragswerk fallen allerdings höchst unterschiedlich aus. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall lässt seiner Enttäuschung über den Koalitionsvertrag freien Lauf. „Der […] ausgehandelte Koalitionsvertrag ist kein Dokument des Aufbruchs, sondern eine Dokumentation des Scheiterns“, sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. Die vereinbarten Inhalte seien „noch scheußlicher als erwartet“.

Man begrüße zwar die Investitionen und Bildung und Infrastruktur. Doch die negativen Inhalte würden bei weitem überwiegen. „Die Vereinbarung enthält sozialpolitische Versprechen, die zu weiten Teilen von Facharbeitern, Steuerzahlern und Leistungsträgern aus der Mitte der Gesellschaft erbracht werden müssen“. Das Geld der Bürger und Unternehmen werde „mit vollen Händen ausgegeben“.

Mit der vereinbaren Rentenpolitik marschiere die Große Koalition „zielsicher in die Einheitsrente“. Darüber hinaus schwäche der Koalitionsvertrag die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft, unter anderem durch die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung. „Statt Europa wettbewerbsfähiger zu gestalten, soll nun der Schwenk zu einem Sozialstaatseuropa erfolgen, finanziert durch den deutschen Steuerzahler“, so Zander.

„Halbherzig, lustlos, uninspiriert“

Für Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA), geht der Koalitionsvertrag dagegen nicht weit genug: „Während andere Regionen der Welt einen klaren Innovationskurs verfolgen, droht uns mit der GroKo Dienst nach Vorschrift. Das ist alles andere als der große Wurf, den wir brauchen!“

Zwar erkenne die VDMA die Bemühungen um verbesserte Rahmenbedingungen für den industriellen Mittelstand an, aber zu vieles wirke unentschlossen, heißt es in der Pressemitteilung. Brodtmann ist sich sicher: „Der politische Aufbruch in digitale Zeitalter wird von dieser Koalition nicht ausgehen.“ Dem VDMA fehlt die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung.

Die Familienunternehmen sind mit dem Ergebnis ebenfalls unzufrieden. „Im Koalitionsvertrag sind wenig Weichenstellungen und zukunftsweisende Projekte zu finden, obwohl zig Milliarden Euro einfach nur umverteilt werden, ohne Strukturen zu verbessern“, erklärte Reinhold von Eben-Worleé, Präsident des Verbandes „Die Familienunternehmer“. „Das Ganze wirkt, als hätte sich die Union dazu entschlossen, aus dem Kanzleramt heraus eine SPD-Regierung zu tolerieren.“


Autoindustrie ist zufrieden

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hätte sich von der Großen Koalition mehr Förderung gewünscht. Der Verband kritisiert unter anderem die fehlende Finanzierung von digitalen Angeboten. Gerade im Bereich Pharma-Industrie vermisst der BPI-Vorstandsvorsitzende Martin Zentgraf konkrete finanzielle Anreize: „Unter den vielversprechenden Überschriften Digitalisierung, Sicherheit oder Forschungsförderung ist wenig Konkretes zu finden, das in die Zukunft der Arzneimittelversorgung investiert.“

Der BPI sucht im Koalitionsvertrag darüber hinaus vergeblich nach Mindeststandards, die die Vorteile der Digitalisierung zum Patienten bringen. Auch im Bereich Sicherheit beklagt der Verband akute Mängel: „Den Unternehmen ist durch die rigide Sparpolitik im Arzneimittelmarkt, durch Instrumente wie Festbeträge, Rabattverträge und Preismoratorium die Refinanzierung der erforderlichen enormen Investitionen versperrt.“

Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery hält sich mit Kritik ebenfalls zurück. „Der Koalitionsvertrag setzt beim Thema Gesundheit an vielen Stellen durchaus richtige Akzente. Nur beispielhaft genannt seien hier die vorgesehenen Maßnahmen gegen den Ärztemangel, wie die Förderungen von Landärzten und der Ausbau der Strukturfonds.“

Und auch die deutsche Autoindustrie zeigt sich überwiegend zufrieden mit dem vereinbarten Koalitionsvertrag. In weltweit unruhigen Zeiten brauche das Land eine „verlässliche und stabile politische Führung“, kommentierte Matthias Wissmann, der scheidende Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA), in einer Pressemitteilung.

Deutschland müsse sowohl die Europäische Union weiterentwickeln, als auch die Beziehungen zu den USA vertiefen. Und auch mit den zurückhaltenden Klimazielen sind die Autobauer zufrieden. „Wir begrüßen, dass das Bekenntnis zum internationalen Klimaschutz verbunden wird mit einer zukunftsorientierten Industriepolitik“, so Wissmann weiter.

Dazu müsse Deutschland sich am „Grundsatz der Technologieneutralität“ orientieren. „Quoten oder Technikverbote führen in die wirtschaftliche, sozial- und klimapolitische Sackgasse“, schreibt der Verbandspräsident. Es sei unbedingt nötig, drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge abzuwenden. Stattdessen müssten Investitionen in Schlüsseltechnologien wie die elektrische Mobilität und das selbstfahrende Auto oben auf der Agenda stehen.

Auch bei den deutschen Stadtwerken kam der Koalitionsvertrag gut an. „Natürlich muss an der einen oder anderen Stellschraube in der Umsetzung feinjustiert werden“, sagte Michael Ebling, der Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU). „In der Summe“ sei man aber zufrieden. VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche begrüßte vor allem, dass sich Digitalisierung als Querschnittsthema durch den Vertragsentwurf ziehe, dem die SPD-Mitglieder noch zustimmen müssen.

„Der Sprung von Kupfer zu Glasfaser ist erst die notwendige Grundlage, um Deutschland zu einem führenden Digitalland zu entwickeln“, sagte sie. Es brauche Regeln für die Nutzung von Daten, auf der auch kommunale Unternehmen neue Geschäftsmodelle aufbauen könnten.


„Banken sind wichtig für die Realwirtschaft“

In den Bankentürmen von Frankfurt hält sich die Aufregung über den neuen Koalitionsvertrag ebenfalls in Grenzen. „Trotz einiger Schwächen, etwa in der Steuerpolitik, ist dieser Koalitionsvertrag eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Regierungsarbeit“, so Bankenpräsident Hans-Walter Peters.

Die Politik erkenne die „große Bedeutung erfolgreicher Banken für die Realwirtschaft“ ausdrücklich an. Wichtig sei es nun, auch die Widerspruche und Nebenfolgen der Bankenregulierung zu prüfen, die in den vergangenen Jahren eingeführt worden sei. Mit den Änderungen im Arbeitsrecht werde der Finanzplatz international konkurrenzfähig.

Die Sparkassen sehen sich in ihrer Hoffnung bestärkt, dass auch in Zukunft deutsche Sparer nicht für eine Krisenbank in einem anderen Euro-Land haften sollten. „Wir teilen die Auffassung, dass Risiko und Haftung nicht getrennt werden dürfen. Eine vergemeinschaftete europäische Einlagensicherung würde dieses Prinzip verletzen.“

Lob kommt auch aus der Lebensmittelwirtschaft: Der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) ist laut Pressemitteilung angetan von der Förderung des Binnenmarkts durch die große Koalition. BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff will eng mit der Regierung zusammenarbeiten: „Gerne sind wir bereit, die angebotenen Gesprächsfäden aufzugreifen und gemeinsam mit weiteren anerkannten Experten wissenschaftsbasierte, zielorientierte und nachhaltige Konzepte zu entwickeln.“

DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte: „Die Wirtschaft freut sich zwar über einige gute Zukunftsinvestitionen, sie ist aber zugleich besorgt über teure Zukunftslasten, die insbesondere die Unternehmen treffen.“ Es sei richtig, dass sich Union und SPD intensiv mit den Herausforderungen der digitalen Welt beschäftigten. Der Koalitionsvertrag beruhe aber noch zu sehr auf Regularien und Rezepten der Vergangenheit.

BDI-Präsident Dieter Kempf kritisierte eine „Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung“. „Wir vermissen ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung“, sagte er. Die steuerlichen Anreize für Gebäudesanierung seien kraftlos und zu wenig substanziell.

Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), findet die Ergebnisse in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik weitgehend enttäuschend. „Vieles bleibt wirtschaftlich unvernünftig und bedeutet weniger Flexibilität für die Unternehmen, dafür aber ein Mehr an Belastung und Regulierung. (...) Der Vertrag ist geprägt von rückwärtsgewandter Umverteilung und unverantwortlicher Belastung der jungen Generation, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen für die Zukunft abzusichern.“

Bei den Gewerkschaftern fallen die Reaktionen auf den Koalitionsvertrag gemischt aus. Es gebe „Stärken und Schwächen“, erklärt der DGB. Positiv seien etwa die Beschlüsse zu mehr Investitionen in Bildung, in den Wohnungsbau und in Verkehr. „Auf pures Unverständnis“ stoße aber das Festhalten an einem ausgeglichenen Haushalt.