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Das digitale Zukunftslabor Italiens

Von wegen Geheimtipp: Apulien hat als Ferienziel längst der Toskana den Ruhm abgelaufen. Und das nicht erst, seit deutsche Nationalspieler dort in pittoresken Kirchen heiraten – Manuel Neuer! – und Stars wie Madonna in den zu Luxusanwesen umgebauten alten Gutshöfen, den Masserie, urlauben. Apulien ist in. Sogar die First Daughter Ivanka Trump soll diesen Sommer kommen.

Die Region am Absatz des Stiefels mit ihren Stauferburgen, Trulli, Stränden, Olivenhainen und der fruchtbaren rotfarbenen Erde, sammelt immer mehr Auszeichnungen von Tourismus-Fachmagazinen. Und noch verteilen sich die Besucher zwischen dem Gargano an der Adria und dem Salento am Ionischen Meer, während sich alles im Chianti-Gebiet im Süden von Florenz drängt, längst „Chiantishire“ getauft, wo kaum noch italienisch zu hören ist, sondern fast nur noch englisch und deutsch. Ein kochend heißer Sommertag im Gedränge auf dem Ponte Vecchio von Florenz ist nicht jedermanns Geschmack. Dann lieber auf den Spuren Friedrichs II. wandeln oder den Barock in Lecce anschauen.

Bari, Brindisi, Otranto, Gallipoli und Taranto stehen in jedem Reiseführer, nebst den besten Restaurants wie dem Fischlokal „Il Pescatore“ in Bari. Das Städtchen Bisceglie am Meer nördlich von Bari gehört normalerweise nicht zum Besuchsprogramm. Doch genau hier liegt Apulien 4.0. Hier zeigt sich die ökonomisch führende Region des Südens auf Augenhöhe mit dem Silicon Valley. Hier ist das Zukunftslabor des Stiefels.
Einmal im Jahr kommen Unternehmer, Investoren und digital Natives für vier Tage in den von den Normannen gegründeten 55.000-Seelen-Ort. Dann findet dort der „Digithon“ statt, der digitale Marathon für Innovationen, der erste seiner Art in Italien. Bei dem Hackathon, einer kollaborative Software- oder Hardwareveranstaltung, treten im Eiltempo 100 Start-ups an und versuchen, Unternehmer und Investoren von ihrem Projekt zu überzeugen. Der Sieger des „Digithon“ erhält 10.000 Euro, gestiftet vom Unternehmerverband, und die nötige landesweite Aufmerksamkeit, um sein Start-up voranzubringen.

Erfinder und Promoter des digitalen Wettbewerbs, bei dem ein Komitee von Fachleuten und Interessenten in den sozialen Netzen abstimmen, ist Francesco Boccia, Ökonom und Politiker, Vorsitzender des Haushaltsausschusses der Abgeordnetenkammer. Er kommt aus Bisceglie. In Rom kennt er jeden und so holt er Topleute an die Adria: Kultusminister Dario Franceschini, der von „großem Wachstumspotenzial, vor allem auch in der Kultur“ spricht, Mediaset-Chef Fedele Confalonieri, dann der Chef des Industrieverbands sowie viele Unternehmer. Und natürlich war auch Michele Emiliano da, Ministerpräsident von Apulien, parteiinterner Gegner von Ex-Premier Matteo Renzi und ein Förderer von Forschung und Innovation.


Suchmotor für Leihbusse

Sieger des „Digithon“ 2017 ist das römische Start-up „BusRapido.com“. Vor zwei Jahren hat Roberto Ricci zusammen mit zwei Freunden das Start-up entwickelt: der erste Suchmotor in Italien zum Leihen von Autobussen und Minibussen mit Fahrern. Online kann man Angebote vergleichen und die beste Lösung für Gruppenreisen finden. Roberto kam auf die Idee, weil er während des Studiums an der römischen Universität LUISS ausländische Kommilitonen betreute und viele Gruppenreisen organisierte.

„Ein schönes Projekt, sie haben mit Abstand am meisten Stimmen erhalten, auch beim Votum im Netz“, sagte Boccia. „Sie sind mutig, denn sie kommen auf einen Markt, über den gerade wegen Flixbus viel diskutiert wird.” Die Jungs von BusRapido.com würden keine Räder auf eine Plattform setzen, sondern die Technik verfeinern und jedem dazu verhelfen, mit bereits bestehenden Firmen ein Transportmodell zu entwickeln.

100 teilnehmende Start-ups, 200.000 Visualisierungen und 12.000 Stimmen im Netz – „Digithon“ hat sich im zweiten Jahr etabliert. „Wir bringen bei digitalen Strategien die wirtschaftliche, die technische und die kreative Perspektive zusammen“, erklärt Boccia, der auf dem Platz vor dem Stauferschloss viel befreiter wirkt als bei den stundenlangen Haushaltsdebatten im Parlament. Die Zusammenarbeit nicht nur mit Finanziers und Unternehmen, sondern auch der Universität und dem Polytechnikum von Bari als Inkubatoren hat sich eingespielt. In ganz Italien ist man auf die Hightechschmiede Apulien aufmerksam geworden. Doch auch 2018 soll der „Digithon“ wieder in Bisceglie stattfinden. „Ich hänge an dieser Region“, gibt Boccia zu.

Und doch, einer stahl am Ende sämtlichen Start-ups und Prominenten die Schau: Valerio Di Luzio aus Bisceglie. Acht Jahre alt und Erfinder. Er präsentierte auf der Piazza seine App mit dem Namen „Zanzarapp“, für die er einen Sonderpreis erhielt.

„Wenn eine Mücke näher kommt, gibt die App ein Signal und lokalisiert das Insekt durch Sensoren und zeigt an, wo es viele gibt und wo nicht”, erklärt Valerio ein bisschen aufgeregt im örtlichen Fernsehen. „Meine App gibt dir auch Tipps, um die Mücken dann loszuwerden und einen ruhigen Sommer zu verbringen und ist geeignet für alle Smartphones und Tablets.“ Das klingt schon ganz schön professionell. Ivanka, Madonna und die restlichen Urlauber können das gleich ausprobieren.