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Digitale Möglichkeiten: Werden Filmklassiker bald mit Produktplatzierungen verwässert?

Der Produktplatzierung im Film sind im digitalen Zeitalter technisch kaum Grenzen gesetzt. Theoretisch kann jedes Produkt nachträglich in jeden Film eingefügt werden. Werden bald auch Filmklassiker entsprechend manipuliert?

Szene aus dem Filmklassiker
Szene aus dem Filmklassiker "Casablanca" mit Humphrey Bogart, Ingrid Bergman und Dooley Wilson (am Klavier) Bild: ddp/BO/UIG

Product Placement im Film ist – fast – so alt wie die Kunstform selbst. Die Praxis, ein Markenprodukt in eine Filmszene hineinzuschmuggeln, reicht bis in die Zehnerjahre des 20. Jahrhunderts zurück und findet ihren Höhepunkt mit den jüngsten Auswüchsen der "James Bond"-Reihe, deren Filme immer auch eine Werbefläche sind für elegante Anzüge, geschüttelte Drink und schnittige Autos. Und doch ist selbst ein James Bond, das Model im Dienste der Wirtschaftlichkeit, ein Waisenknabe im Hinblick auf die Ausmaße, die Produktplatzierung und zwar dank digitaler Mittel anzunehmen droht.

Denn klassische Werbeintegration im Film (und anderen audiovisuellen Medien) zeichnet sich – unter anderem – dadurch aus, dass das beworbene Produkt bei der Aufnahme einer Szene am Set präsent war – genauso wie die Schauspieler, die Kulisse und die Kostüme. Produktplatzierung aber, wie sie auf uns im Zeitalter der Digitalisierung gerade zukommt, ist auch und wesentlich durch das Moment des Nachträglichen geprägt. Das heißt: Das zu bewerbende Produkt kann mühelos im Nachhinein mit digitalen Methoden in eine längst abgefilmte Szene eingefügt werden.

In-Getränk in "Casablanca"?

Was für die Praxis neben der technischen Machbarkeit weiter spricht, ist ihre Flexibilität. Ein Werbeprodukt kann theoretisch in jeden x-beliebigen Film eingeblendet werden – auch in Schwarz-Weiß-Klassiker. Es bräuchte lediglich einen Vorwand, der eine Platzierung glaubwürdig machen würde. Und den zu finden, dürfte nicht schwer sein. Die Bar Rick's Café Américain in "Casablanca" wäre sicher nicht der passende Ort für, sagen wir: ein Smartphone. Aber dort, wo der Alkohol in Strömen fließt, könnte der eine oder andere Fusel leicht durch ein modernes Getränk ersetzt werden. Und wenn dessen Hersteller ein Nachfolgeprodukt auf den Markt bringt, ließe sich damit das alte ersetzen. Wie gesagt: Das Verfahren ist flexibel.

"Lichter der Großstadt": Charles Chaplin (links) in seiner Paraderolle des armen Tramp. (Bild: ddp Images)
"Lichter der Großstadt": Charles Chaplin (links) in seiner Paraderolle des armen Tramp. (Bild: ddp Images)

Eine Firma, die sich auf das Thema spezialisiert hat, ist das britische Unternehmen Mirriad, das laut BBC schon Auftraggeber wie einen chinesischen Streaming-Anbieter und die Macher der Sitcom "Modern Family" zählt. Stephan Beringer, der Chef der "einen Plattform für unbegrenzte Möglichkeiten" (Vermarktungstext), verweist auf die technische Effizienz zumindest ihrer Technologie. Sie könne jedes Bild "'lesen' und seine Tiefe verstehen", wird der Unternehmen von BBC zitiert. Insofern könne man in alte Bilder "neue einführen, von denen das menschliche Auge im Grunde nicht weiß, dass sie nachträglich, nach der Produktion erstellt wurden."

Entwicklungsförderer und -bremsen

Türöffner für digitales Product Placement kann auch die besondere, schwierige Situation sein, in der sich die Filmindustrie derzeit befindet. Es vollzieht sich hier ein Strukturwandel, der digitalen Plattformen wie Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ zum Vorteil gereicht und traditionelle Filmstudios benachteiligt, deren wichtige Einnahmequellen wie Kino und DVD-/Blu-ray-Verkäufe immer mehr versiegen. Die Corona-Pandemie sorgt zusätzlich und eklatant für Umsatzeinbußen und dürfte den Wandel vorantreiben. Das heißt also: Gegen die zusätzliche oder besser: kompensierende Umsatzmöglichkeit digitale Produktplatzierung werden viele Filmproduzenten nicht abgeneigt sein.

Von einer anderen Seite besehen, hätte die Entwicklung ein großes Opfer zur Folge. Denn Film ist nicht nur eine Wirtschaftsgröße, sondern auch eine Kunstform. Und viel wäre dies hinsichtlich nicht gewonnen, würde zum Beispiel der Tramp aus "Lichter der Großstadt" statt seiner schäbigen und übergroßen Latschen schicke, perfekt sitzende Adidas-Treter tragen. Filmenthusiasten dürfen aber hoffen. Ein digitaler Eingriff in einen Film ist erstens an rechtliche Fragen geknüpft, immerhin ist das jeweilige Werk urheberrechtlich geschützt. Zweitens müsste die Praxis eine weitere Hürde überqueren: die Integrität nämlich jener Rechteinhaber, die auch um des größten Umsatzes Willen auch nicht den kleinsten ideellen Wert opfern würden. Noch ist also nicht aller Tage Abend.

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