Diese Frau soll Apple in China retten

Seit dieser Woche hat Isabel Ge Mahe, was man wohl guten Gewissens als einen der härtesten Jobs Chinas bezeichnen darf: Sie ist die lokale Chefin des amerikanischen Techgiganten Apple.

Während das Unternehmen in den USA Kult-Charakter hat, steht Apple in China mit dem Rücken zur Wand. Seit Jahren bezeichnet Apples Konzernchef Tim Cook China zwar als den „nächsten großen Wachstumsmarkt“, wo sein Unternehmen seit 2009 seinen Weltbestseller iPhone verkauft.

Doch nach anfänglichen Erfolgen ist die Offensive der Kalifornier ins Stocken geraten. Seit vergangenem Jahr gehen die Umsätze und Gewinne im Reich der Mitte stetig zurück. Im ersten Quartal lagen diese um 14 Prozent unter den Ergebnissen des Vorjahres.

Die gebürtige Chinesin Isabel Ge Mahe, die auf Chinesisch nur Ge Yue genannt wird, arbeitet bereits seit fast zehn Jahren als Vizepräsidentin der Mobilfunktechnologiesparte in der Zentrale des kalifornischen Konzerns. Nun soll Ge ihr Büro in Cupertino gegen einen Schreibtisch in der ostchinesischen Stadt Shanghai tauschen. Dort muss sie in der neugeschaffenen Rolle als Geschäftsführerin den dunkelsten Fleck in der Erfolgsbilanz von Tim Cook beseitigen.

Apple Pay bekommt in China keinen Fuß auf die Erde

Schuld an Apples Krise sind vor allem preiswerte Android-Smartphones von aufstrebenden chinesischen Konkurrenten wie Lenovo, Huawei, ZTE und BKK Electronics' Oppo und Vivo, die den Geräten von Apple Marktanteile abjagen.

Die chinesische Mittelschicht ist stolz auf den Aufstieg der heimischen Champions. Gleichzeitig nervt sie Apples Drang, alles mit seinem App Store zu verknüpfen. Sie nutzen beispielsweise gerne die Dienste des sozialen Netzwerks WeChat oder den Bezahldienst von Alibaba, anstatt ständig an Apples eigene Produkte geknebelt zu sein. Immer häufiger strafen sie das US-Unternehmen deshalb mit dem Griff nach lokalen Produkten ab.

Zudem ist der staatliche Druck auf Apple auf dem weltweit größten Markt für Mobiltelefone hoch. Chinas Führungsriege stört sich an der Marktmacht des amerikanischen Herstellers. Um Platz für lokale Anbieter zu schaffen, lässt sich Peking immer wieder neue Gängeleien einfallen. Im vergangenen Jahr gewann etwa ein chinesischer Hersteller von Handytaschen in einem umstrittenen Rechtsstreit die Markenrechte des iPhones – genauer gesagt IPHONE – um diese auf seine billigen Federmäppchen zu drucken. Im gleichen Jahr wurde der Verkauf von Filmen und E-Books über die firmeneigene Plattform nach nicht einmal sechs Monaten am Markt verboten.

Lediglich Apples Bezahldienst Apple Pay sowie sein Online-Musikservice sind in China noch zu erreichen. Allerdings wohl nur, weil die Dienste von chinesischen Wettbewerbern wie Alibaba und Tencent weitaus populärer sind. Apple Pay hat schätzungsweise nicht einmal ein Prozent Marktanteil, obwohl es mit gewaltigen Rabatten um neue Kunden wirbt.

Um die Mächtigen in Peking zu besänftigen, scheint Apple auch internationale Kritik zu riskieren. So berichteten im April die Macher der amerikanischen Satire-Show „China uncensored“, dass ihr Programm auf Apple TV nicht nur in Festlandchina, sondern auch in Hongkong und Taiwan geblockt sei. Zwei Regionen, die nicht unter chinesischem Recht stehen. Regelmäßig sichtet man Cook zudem in der chinesischen Hauptstadt freudestrahlend mit Unternehmergrößen oder Regierungsvertretern.


Wer in China bleiben will, muss investieren

Nun scheint Apple mit Ge sogar auf eine Vollzeit-Lobbyistin zu setzen. Die erfahrene Managerin stammt aus dem nordchinesischen Shenyang unweit der Hauptstadt Pekings und sie kennt sich nicht nur in vielen Bereichen des Unternehmens aus, sondern spricht auch Chinesisch.

Noch ist die Managerin allerdings eine Unbekannte im Land. In den chinesischen Medien scheint niemand etwas mit dem Namen der erfolgreichen Managerin anfangen zu können. Es gibt nur Fotos aus dem Pressearchiv von Apple, keiner scheint sie aus ihrer Zeit vor dem Studium in den USA zu kennen.

Nichtsdestotrotz: Noch scheint man über die Entscheidung von Apple, eine Frau mit chinesischen Wurzeln nach Shanghai zu schicken, zufrieden zu sein.

Dass ihre Ernennung fast gleichzeitig mit dem Bau eines neuen Datenzentrums in China zusammenfällt, ist sicher kein Zufall. Wer bleiben will, muss lokal investieren, fordert Peking. Eine Milliarde Dollar lässt sich Apple die Investition in der südchinesischen Provinz Guizhou kosten, die als die ärmste Region des Landes gilt. Peking will die Provinz bis 2020 zu einem Big Data Hub ausbauen. Apples lokaler Partner, den das Unternehmen mit ins Boot holen musste, ist das 2014 gegründete Staatsunternehmen Guizhou Cloud Big Data Industry. Keine bekannte Größe im Bereich des Cloud-Computings, sicher aber größter Nutznießer der erzwungenen Partnerschaft.

iPhones gelten noch immer als Statussymbol

China hat jüngst seine Gesetze zur Internetsicherheit verschärft. Peking fürchtet sich vor der amerikanischen Computertechnologie, die sie zunehmend als Sicherheitsrisiko einstuft. Apple-Produkte dürfen deshalb seit jüngster Zeit nicht mehr von Behörden werden. Gleichzeitig müssen ausländische Unternehmen Daten von Nutzern aus China im Land speichern und den Zugang zu ihren Servern für Behörden ausweiten. Auch um diese Vorgabe zu erfüllen, dürfte das Unternehmen nun in Guizhou an seinem neuen Datenzentrum schrauben.

Ges neuer Arbeitsplatz in Shanghai wird wohl östlich des Flusses Huangpu liegen, der die Millionenmetropole in zwei Hälften teilt. Aus dem gemauerten Hochhaus im Zentrum der Stadt, wo heute schon Mitarbeiter des amerikanischen Herstellers arbeiten, wird sie direkt an Apple-Chef Tim Cook und Jeff Williams berichten.

Als Rückenwind bekommt sie von Cook das neue iPhone 8 auf den Weg, das für den Herbst erwartet wird. Denn trotz Marktanteilsverlusten gelten die iPhones von Apple immer noch als Statussymbol. Apple dominiert zumindest noch das Marktsegment für hochwertige Smartphones.

Wenn das neue Gerät ein großer Wurf wird, dürften auch die Umsätze in China wieder anziehen. Das würde Cook und auch der neuen China-Chefin eine Atempause an der Wall Street verschaffen, die Apples Chinageschäft zunehmend kritisch beäugt.