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Die Zukunft ist da: Das Jahr 2019 in Science-Fiction-Filmen

Scarlett Johansson und Ewan McGregor in “Die Insel” (Bild: Warner Home Video)
Scarlett Johansson und Ewan McGregor in “Die Insel” (Bild: Warner Home Video)

Es ist das Gesetz des Genres: Science-Fiction-Filme spielen in der Zukunft – auffällig viele von ihnen im Jahr 2019. Wir zeigen, welche und wie sie die heutige Zeit dargestellt haben.

Wir sind in der Zukunft angekommen – in der Zeit zumindest oder noch genauer: im Jahr, das von so manchem Filmemacher als Inbegriff des technologischen Fortschritts aber auch für die Gefahr des ökonomischen, ökologischen und zivilisatorischen Zusammenbruchs galt. Wir haben es also erreicht, das fiktive Jahr 2019, in dem Maschinen gegen Menschen rebellieren; in dem ökologische und ökonomische Endzeiten angebrochen sind; in dem Menschen angesichts nuklearer Katastrophen einander verspeisen oder dank wissenschaftlicher und technologischer Möglichkeiten einander klonen. Nun, da wir das fiktive Jahr eingeholt haben, können wir getrost feststellen: So weit, wie es Filme und Serien oftmals vorausgesagt haben, ist es weder mit uns Menschen noch mit unserer Welt gekommen. Alarmiert sollten wir dennoch bleiben, denn was nicht ist, droht noch zu werden.

Eine Frage, zwei Antworten

Es lohnt also der Blick auf die meist dystopischen Zukunftsentwürfe der Filmemacher. Vorerst aber die Frage: Warum haben so viele Drehbuchautoren und Regisseure die Handlungen ihrer Filme und Serien in 2019 spielen lassen? Die erste Antwort liegt auf der Hand. Erscheint ein Epoche machendes Kunstwerk, wird es seiner ästhetischen Qualitäten wegen oder auch in thematischer Hinsicht für nachfolgende Generationen zu einem Bezugspunkt. Der wohl berühmteste aller 2019-Filme, Ridley Scotts “Blade Runner”, war nicht nur in formaler Hinsicht stilprägend. Scott legte mit seinem 1982 entstandenes Sci-Fi-Meisterwerk zugleich auch den Grundstein für einen filmischen Diskurs zu der Frage: Wie wird unsere Welt – ausgehend von dem, was in Ansätzen bereits existiert oder sich bereits voll entfaltet hat – in knapp 40 Jahren sein? Wenn nachfolgende Filmemacher die Handlungen ihrer Filme ebenfalls auf 2019 verlegten, dann warfen sie damit ihren Standpunkt zum Thema in die Waagschale.

Damit ist die oben gestellte Frage auch mit einer zweiten Antwort fast beantwortet. Charakteristisch für das Genre ist die zeitliche Doppelkodierung. Science Fiction zeichnet eine zukünftige Welt, in die sie zugleich unsere jetzige hineinprojiziert. Sie ist morgen angesiedelt, handeln aber idealerweise von heute. Sie zeigt eine in die Zukunft weiterentwickelte, dort verdichtete und überspitzte Gegenwart. So gesehen ist die Zeit, in der die Handlung eines Science-Fiction-Werks spielt, entscheidend. Ist die dargestellte Zukunft zeitlich zu weit weg von unserer Wirklichkeit, droht das Werk seine sozialpolitische Relevanz zugunsten des rein Spekulativen zu verlieren. Ist die Handlung zu nah dran an heute, könnte das zulasten der attraktiven Phantastik gehen. Science-Fiction bezieht ihren größten Reiz schließlich aus den spekulativen Zukunftsentwürfen.

Rutger Hauer als Replikant Roy Batty in “Blade Runner”. (Bild: wenn.com)
Rutger Hauer als Replikant Roy Batty in “Blade Runner”. (Bild: wenn.com)

Der egoistische Mensch

Was auch immer ausschlaggebend für 2019 als Handlungszeit in vielen Sci-Fi-Filmen gewesen ist, interessant ist aus heutiger Perspektive zu sehen, wie sich die jeweiligen Filmemacher dieses Jahr einst ausgemalt hatten. Eines kann man festhalten: Sonderlich rosig sieht unsere Zeit in den Zukunftsentwürfen nicht aus. Scott ließ sich für “Blade Runner” von Fritz Langs Klassiker “Metropolis” und den Filmen des Film noir inspirieren, doch keiner der Vorbilder war so düster wie sein Meisterwerk. Scott machte die Tage zu Nächten. Von der Sonne ist im Los Angeles des Jahres 2019 nicht viel zu sehen. Dafür regnet es unaufhörlich. Es ist eine Metapher: Die Düsternis ist ein Folge des menschlichen Raubbaus an der Natur. Die Welt ist zugrunde gerichtet, die Erde überbevölkert, das Künstliche hat das Natürliche ersetzt. Alles Gründe zur Einsicht? Nein, der Mensch will lieber auf fremde Planeten auswandern. Erschlossen werden sollen die neuen Welten von Maschinen, so genannten Replikanten, die – und das ist die bissigste Kritik des Films – klüger sind und gefühlvoller als die Menschen, ihre Erschaffer.

Der nächste Film von gestern, der heute spielt: In Michael Bays künstlerisch eher enttäuschendem, thematisch immerhin interessantem Film “Die Insel” erschafft der Mensch zwar keine Maschinen, dafür reproduziert er andere Menschen. Auch das natürlich aus egoistischen Gründen. Bay zeichnet auf Grundlage des Romans “Geklont” von Michael Marshall Smith eine Welt, in der Menschen sich menschliche “Ersatzteillager” schaffen lassen. Wird ein Mensch krank, kann das betroffene Organ dank des Klons ersetzt werden. Weil die Klone nicht dumm sind und das falsche Spiel durchschauen könnten, hat man sie von der Außenwelt abgeriegelt. Um sie ruhigzuhalten, trichtert man ihnen ein Märchen ein: Die große Welt jenseits ihrer kleinen Welt ist verseucht. Mit der Ausnahme eines kleinen Fleckchens auf der Erde – einer Insel, die im paradiesischen Zustand erhalten geblieben ist. Jeder hat die Möglichkeit, dorthin zu gelangen. Vorausgesetzt er oder sie ist tüchtig und hat ein wenig Glück. Doch immer mehr Klone zweifeln die Welterklärung an.

Viggo Mortensen und Kodi Smit-McPhee in dem postapokalyptischen Drama “The Road” (Bild: Universum Film)
Viggo Mortensen und Kodi Smit-McPhee in dem postapokalyptischen Drama “The Road” (Bild: Universum Film)

Die Bestie Mensch

Es geht noch düsterer, noch brutaler, wenn es um die Darstellung der menschlichen Spezies geht. In “The Road” zeigt John Hillcoat wie auch der Autor der Romanvorlage, Cormac McCarthy, den Menschen als instinktiv handelnde wilde Bestie. Die Handlung des im Jahr 2019 angesiedelten Dramas spielt in einer Zeit danach – nämlich nach einer verheerenden Katastrophe. Welcher Art diese war, darüber verschweigt sich Hillcoat. Sie ist aber – davon kann man ausgehen – menschenverschuldet. Die Folge: Erde und Menschheit befinden sich nahe am Abgrund. Die wenigen Überlebenden leben nicht, sie existieren allenfalls. Wovon ernähren sie sich? Nahezu alles ist zerstört, zu dem wenigen Organisch-Essbarem gehört der Mensch. Düsterer könnte das Menschenbild nicht ausfallen. Doch es gibt noch Hoffnung und die knüpft der Film an die nächste Generation. Werden die Kinder aus den Fehlern ihrer Eltern lernen?

Auch im Anime-Klassiker “Akira” hat es eine atomare Katastrophe gegeben. Sie ereignete sich Ende der 1980ern – in einer Zeit also, als die Welt noch immer in zwei Blöcke geteilt war, die sich mit Atomwaffen gegenseitig Angst machten. 30 Jahre späte fressen sich die Menschen in Tokio, das nunmehr New-Tokyo heißt, zwar nicht gegenseitig auf. Doch die Stadt ist in zwei Zonen eingeteilt. Es ist ein typisches Motiv der Science Fiction: Es gibt eine Welt der Privilegierten und eine mit Zukurzgekommenen, eine Welt des Oben und des Unten, des Dort und des Hier mit einer Mauer dazwischen. In “Akira” besteht Neo-Tokyo aus wenigen Vermögenden, die ihre Vorteile gegen die Mehrheit aus Kriminellen und Banden verteidigen. Zur Reihe der Outlaws gehört auch Tetsuo. Der junge Mann ist kein gewöhnliches Mitglied einer Motorradgang. In ihm stecken besondere Kräfte. Auch westliche Comicfans wissen: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. “Akira” geht einen anderen, hier hinterlässt der “Superheld” eine Spur der Verwüstung.

Szene aus dem Anime-Klassiker “Akira” (Bild: Based on the graphic novel “Akira” by Katsuhiro Otomo. First publilshed by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. © 1988 MASHROOM/AKIRA COMMITTEE. All Rights Reserved.)
Szene aus dem Anime-Klassiker “Akira” (Bild: Based on the graphic novel “Akira” by Katsuhiro Otomo. First publilshed by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. © 1988 MASHROOM/AKIRA COMMITTEE. All Rights Reserved.)

Natürlich eignet sich auch das Serienformat bestens für bunte bis hin zu düsteren Zukunftsentwürfen. Einen wenig schmeichelnden Ausblick auf unsere heutige Zeit gibt “Dark Angel“. Zu den Machern der Serie gehört James Cameron, der bekanntlich Experte ist für fantastisch-dystopisches Erzählen. Die 2019 spielende Mystery-Serie kreist um Themen wie nukleare Zerstörung, Militärforschung und Genmanipulation, in einem höheren Sinn also um die menschliche Hybris. In einer Militäreinrichtung werden Kinder genmanipuliert, damit sie später die perfekten Soldaten abgeben werden. Doch dann werfen Terroristen eine Atombombe auf die USA und degradieren den technologischen Vorreiter zu einem Dritte-Welt-Staat. Vor diesem düsteren Szenario entspinnt sich in “Dark Angel” ein Konflikt zwischen genmanipulierten Menschen, allen voran Max Guevara, und den Militärs.

Beharrlich auf das Ende zu?

Vergleicht man das fiktive mit dem tatsächlichen Jahr 2019, lässt sich festhalten: Nicht alles, was die Filmvisionäre vorausgesagt haben, ist eingetreten. Einiges jedoch ist in Ansätzen vorhanden – und droht mit Riesenschritten auf die Schreckensszenarien zuzuschreiten. Ist diese Bewegung aufzuhalten? Oder anders gefragt: Haben wir oder werden wir von der Fiktion etwas lernen? Ein Blick auf die Wirklichkeit gibt uns die ernüchternde Antwort. Die genannten und viele weitere Filme mehr bleiben Windmühlenkämpfe, weil der Mensch – so scheint es- beharrlich bleibt. Statt aus Warnungen und Fehlern zu lernen, tun wir manches – so scheint es -, um die Dystopien zu verwirklichen. Wir leugnen Wahrheiten; wir teilen die Welt in Schwarz und Weiß ein; wir beuten die Natur aus; wir bauen Maschinen und Roboter; wir rüsten wieder nuklear auf und können es nicht erwarten, uns genetisch zu frisieren. Mit all dem aufhören? Warum denn? Wenn alles zu Ende ist, können wir doch auf dem Mars leben.