Die Story hinter der Doku „Fly, Rocket, Fly“

Die Geschichte hinter „Fly, Rocket, Fly“ ist fast so abenteuerlich wie der Film selbst: Regisseur Oliver Schwehm hat fast vier Jahre in seinen Dokumentarfilm investiert, der seit dem 26. September in den Kinos zu sehen ist. (Bild: Kinostar)
Die Geschichte hinter „Fly, Rocket, Fly“ ist fast so abenteuerlich wie der Film selbst: Regisseur Oliver Schwehm hat fast vier Jahre in seinen Dokumentarfilm investiert, der seit dem 26. September in den Kinos zu sehen ist. (Bild: Kinostar)

Ein deutsches Unternehmen will Trägerraketen entwickeln, testet sie im afrikanischen Urwald und wird dabei von den mächtigsten Staaten der Welt bekämpft: Die Doku „Fly, Rocket, Fly“ zeigt die abenteuerliche Geschichte eines schwäbischen Unternehmers, den es ins Weltall zog.

Beim Namen Lutz T. Kayser läuten zunächst keine Glocken, obwohl der Mann zu seinen Hochzeiten wohl vergleichbar mit Elon Musk war. Die Dokumentation „Fly, Rocket, Fly“ dürfte das nun ändern: Regisseur Oliver Schwehm hat die unglaubliche Geschichte des Unternehmers und Weltraumpioniers recherchiert und auf die Kinoleinwand gebracht. Sie beginnt im Jahr 1975 mit der Gründung der Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft, kurz OTRAG, deren Ziel es war, als privatwirtschaftliches Unternehmen den Transport von Satelliten ins Weltall zu organisieren. Dazu brauchte es eine Trägerrakete, an deren Entwicklung parallel auch das französische „Ariane“-Projekt forschte. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die USA dem Rest der Welt in der Entwicklung dieser Raketen weit überlegen und das Weltall nur eine weitere Sphäre zur Austragung von zwischenstaatlichen Konflikten.

Abenteuerliches Testgelände im afrikanischen Urwald

Um ihre eigene Rakete schließlich testen zu können, benötigte die OTRAG eine Fläche, die das ermöglichen würde. In der Bundesrepublik war das undenkbar: Nicht aber im damaligen Zaire. Auf dem Gebiet der heutigen Demokratischen Republik Kongo stellte der damalige Diktator Mobutu Sese Seko ein Testgelände zur Verfügung. Ein abenteuerliches Projekt begann, denn für viele der Beteiligten stellte sich zunächst die Frage: „Zaire, wo ist das denn überhaupt?“

Ihre Ingenieure wollten eine Trägerrakete für Satelliten entwickeln: Die Aktivitäten der OTRAG beschäftigten Ende der 70er und Anfang der 80er Staatschefs von Washington bis Moskau. (Bild: Kinostar)
Ihre Ingenieure wollten eine Trägerrakete für Satelliten entwickeln: Die Aktivitäten der OTRAG beschäftigten Ende der 70er und Anfang der 80er Staatschefs von Washington bis Moskau. (Bild: Kinostar)

Auf einer Fläche von 100.000 Quadratkilometern – das entspricht in etwa der Größe der ehemaligen DDR – machten sich die Ingenieure daran, ihr eigenes Testareal in den Urwald zu bauen, komplett mit eigener Landebahn für Flugzeuge, die das Material ankarrten. Am Schluss stand ein fertiges Raumfahrttestzentrum, das neben Montagehalle und Raketenrampe auch eine Kantine und Gemüsebeete beinhaltete. „Nicht hightech, sondern low-cost“, sollte die Operation laut ihrem Gründer sein.

Mächtige Gegenspieler

Doch das Thema Raumfahrt war zu politisch, als dass dem Visionär Erfolg beschieden sein sollte. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges bemühten sich gleich mehrere Staaten, darunter auch die Bundesrepublik selbst, das Geschäft der OTRAG zu vereiteln. Wie politisch das Unterfangen war, zeigte sich auch daran, dass die OTRAG sogar bei einem Besuch Berlins des damaligen Staatschefs der UdSSR, Leonid Breschnew, im Jahr 1978 Gesprächsthema war. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion herrschte Einigkeit über die Ablehnung des Projekts. Der SPD-Kanzler Helmut Schmidt sagte damals zu Breschnew, er wünsche die Stuttgarter Firma „zum Teufel“ und könne „dem Kerl den Hals umdrehen“. Nach dem Fehlstart einer Rakete, nahm der dem Projekt bis dato wohlgesonnene Diktator Sese Seko das zum Anlass, der OTRAG den Vertrag für das Testgelände aufzukündigen – zu groß war der Druck, den die USA, die damalige Sowjetunion und andere Länder, die keine privatwirtschaftliche Konkurrenz bei der Entwicklung einer Trägerrakete wünschten, auf das verschuldete Zaire ausüben konnten.

Der gutaussehende und charismatische Lutz T. Kayser war das Gehirn hinter der OTRAG. Im Bild ist er links von Regisseur Oliver Schwehm zu sehen, der ihn auf der Insel Bikendrik besucht hat. (Bild: Kinostar)
Der gutaussehende und charismatische Lutz T. Kayser war das Gehirn hinter der OTRAG. Im Bild ist er links von Regisseur Oliver Schwehm zu sehen, der ihn auf der Insel Bikendrik besucht hat. (Bild: Kinostar)

Dann besiegelte ein Schicksalsschlag das Ende des waghalsigen Projekts. Beim diplomatisch erzwungenen Abzug aus Zaire, der binnen weniger Wochen zu erfolgen hatte, kam es bei einem Bootsausflug auf dem reißenden Fluss Luvua zu einem Unglück, bei dem sieben Mitarbeiter ertranken. Geschockt von dem Unfall und von dem Umstand, dass die deutsche Regierung gegen ihn arbeitete, suchte Kayser nach Alternativen und fand sie bei einem anderen afrikanischen Diktator. Muammar al-Gaddafi richtete der OTRAG in Libyen ein als Obstplantage getarntes Testgelände ein, von wo aus Kayser seine Forschung weiter betreiben wollte. Doch da hatten die Investoren, die dem Unternehmen seine Vorhaben ermöglichten, bereits zu große Verluste erlitten. Die OTRAG wurde geschlossen und ihr Gründer zog sich auf eine Pazifikinsel zurück, auf der er noch lebte, als ihn Oliver Schwehm aufsuchte, um seine unglaubliche Lebensgeschichte aufzuarbeiten. Im November letzten Jahres ist der Unternehmer, der den Griff nach den Sternen wagte, verstorben. Die Geschichte seines Lebenswerkes, die von der „Kinostar Verleih“ als Mischung aus „Abenteuergeschichte und Politthriller, aus Lausbubenstreich und Wirtschaftskrimi“ beschrieben wird, läuft seit 27. September 2018 in den deutschen Kinos.