Die zwölf größten Oscar-Aufreger

Einer der größten Aufreger der Oscars 2015 – abgesehen von John Travoltas generell seltsamen Verhalten – war, dass „Boyhood“ gegen „Birdman“ in den Kategorien Bester Film und Bester Regisseur verlor.

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Er ist zweifellos ein großartiger Film, aber schlussendlich war es ein Film über Schauspieler und Hollywood, während Linklaters Drama wesentlich reicher und lebensbejahender war.

Filme tendieren dazu, wie gute Weine mit der Zeit zu reifen, also wird nur die Zeit zeigen ob diese Entscheidung gerechtfertigt war. Hier sind zwölf unerhörte Oscar-Entscheidungen, die mit jedem Jahr, das vergeht, noch lächerlicher erscheinen.

Schlagende Wetter – Bester Film, 1941

Hätte gewinnen sollen: Citizen Kane

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Orson Welles innovatives Regie-Debüt hat seit seiner Veröffentlichung vor über 70 Jahren schon fast einen legendären Status erreicht und führt zahllose „Beste Filme aller Zeiten“-Listen an, darunter fünf Mal nacheinander die Umfrage von „Sight and Sounds“ unter Kritikern und zwei Listen des American Film Institute von 1998 und 2007.

Je mehr Zeit vergeht, umso klarer wird, dass die Academy einen großen Fehler gemacht hat, John Fords tolles aber zumeist vergessenes Minen-Drama Welles‘ bahnbrechendem Meisterwerk vorzuziehen.

Forrest Gump – Bester Film, 1994

Hätte gewinnen sollen: Pulp Fiction

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Es ist vielleicht unfair vorzuschlagen, dass Robert Zemeckis Epochen umspannendes Drama seinen Oscar nicht verdient hätte. Es hält wiederholten Ausstrahlungen immer noch stand, aber 1994 war ein Jahr des Vintage-Stils und die Geschichte zeigt, dass die Academy den falschen Film ausgezeichnet haben könnte.

Die rätselhafte Struktur von Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ wird immer noch in Film-Kursen rund um die Welt analysiert, die schmissigen Dialoge werden bis heute zitiert.

Art Carney, „Harry und Tonto“ – Bester Schauspieler, 1974

Hätte gewinnen sollen: Al Pacino, Der Pate – Teil II

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Al Pacino wurde sieben Mal von der Academy nominiert, bevor er endlich 1993 mit „Der Duft der Frauen“ gewann (mehr dazu gleich), aber dass er die Toptrophäe für „Der Pate – Teil II“ verlor, ist der größte Fehler der Academy.

Carney, der später im „Star Wars Holiday Special“ zu sehen war – gewann für seine Performance in „Harry und Tonto“, ein Roadmovie über einen älteren Witwer, der mit seiner Katze durch das Land fährt. Wir sind sicher, dass es ein großartiger Film ist, aber mal ehrlich – das ist Al Pacinos beste Performance in der besten Fortsetzung aller Zeiten.

Crash – Bester Film, 2005

Hätte gewinnen sollen: Brokeback Mountain

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Ang Lees ergreifende Cowboy-Romanze galt als Favorit für die Auszeichnung als bester Film in dieser Nacht, aber es gab ein hörbares Raunen, als Laudator Jack Nicholson stattdessen Paul Haggis‘ Film zum Gewinner erklärte.

Das Rassen-Drama wurde inzwischen von Film Comment als „Schlechtester Film unter allen Gewinnern des besten Film-Oscars“ deklariert, viele Kritiker meinen, dass die Academy lieber die „sichere“ Variante auszeichnete, als Lees Schwulendrama. Seit dem ganzen „Crash“-Debakel gab es keine größeren Oscar-Aufreger mehr, also vielleicht hat die Academy ihre Lektion gelernt.

Der mit dem Wolf tanzt – Bester Film, 1990

Hätte gewinnen sollen: Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia

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Im Rennen um den besten Film gab es 1990 nur wenig Auswahl: Kevin Costners Western musste sich für die höchste Auszeichnung mit „Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“, „Ghost – Nachricht von Sam“, „Zeit des Erwachens“ und „Der Pate – Teil III“ messen.

Der Reiz von Martin Scorseses Gangster-Epos hielt sehr viel länger, als der des Gewinners, der inzwischen in der Versenkung verschwunden ist. Es sollte noch 16 Jahre dauern, bis die Academy für ihre Sünden büßte und Marty den Oscar für den besten Film für „Departed – Unter Feinden“ verlieh.

Titanic – Bester Film, 1997

Hätte gewinnen sollen: L.A. Confidential

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Der große Erfolg von James Camerons romantischem Epos lässt sich kaum bestreiten, schließlich war er der finanziell erfolgreichste Film aller Zeiten, als er den Oscar für den besten Film gewann, aber können Sie ganz ehrlich sagen, dass es der beste Film des Jahres war?

Theatralische Dialoge und eine rührselige Liebesgeschichte haben die Zuschauer nicht verschreckt, aber es hätte zumindest die Academy-Abstimmer abhalten sollen. Der bei Weitem bessere Film „L.A. Confidential“ wird inzwischen als echter Genre-Klassiker angesehen, während der ursprüngliche Beifall für „Titanic“ über die Zeit abflaute.

Shakespeare In Love – Bester Film, 1998

Hätte gewinnen sollen: Der Soldat James Ryan

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Der grimmige Oscar-Fürsprecher Harvey Weinstein wurde oft als Strippenzieher hinter diesem berühmten Oscar-Aufreger vermutet. Seine Firma Miramax bezahlte erwiesenermaßen „mindestens 5 Millionen Dollar“ für die Oscar-Kampagne zu „Shakespeare in Love“, um den härtesten Konkurrenten „Der Soldat James Ryan“ zu schlagen sowie für eine zweifelhafte Party für die Academy-Abstimmungsberechtigten, was ganz klar gegen die Oscar-Regeln verstieß.

Bei der Aftershow-Party soll Weinstein Spielberg zu seiner Nominierung gratuliert haben, und der „Der Weiße Hai“-Regisseur soll mit einem schneidenden „Keine Ursache“ geantwortet haben.

Kramer gegen Kramer – Bester Film, 1979

Hätte gewinnen sollen: Apocalypse Now

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Um es absolut klar zu machen: „Kramer gegen Kramer“ ist ein brillanter Film. Robert Bentons Scheidungsdrama ist ein Klassiker durch und durch, aber im Vergleich mit Francis Ford Coppolas Anti-Kriegs-Meisterwerk verblasst seine kulturelle Bedeutung.

Auch wenn er zuerst kritisch aufgenommen wurde, gilt der Film „Apocalypse Now“ heute zu Recht als einer der besten Filme seine Ära, sogar aller Zeiten. 2009 wurde er vom Londoner Filmkritiker-Kreis zum besten Film der letzten 30 Jahre ernannt. Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen.

Sean Penn, Mystic River – Bester Schauspieler, 2003

Hätte gewinnen sollen: Bill Murray – Lost In Translation

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Der jähzornige Komiker schien dafür bestimmt, von der Academy für seine Performance in Sofia Coppolas romantische Komödie ausgezeichnet zu werden, aber am Ende verlor er gegen Sean Penn.

Murrays unbefangene, selbst-parodierende Rolle gilt immer noch als eine der besten des „Ghostbusters“-Stars – erinnert sich irgendwer überhaupt noch an Penns?

Al Pacino, Der Duft der Frauen – Bester Schauspieler, 1992

Hätte gewinnen sollen: Denzel Washington – Malcolm X

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Pacinos Sieg roch, als ob die Academy damit wieder gut machen wollte, dass der Schauspieler bei seinen ersten sieben Nominierungen nicht geehrt worden war. Pacino bekam seinen Oscar, aber nicht für seine beste Performance – eine Schande, gerade weil es in diesem Jahr noch viele weitere großartige Schauspieler gab, die um die Trophäe wetteiferten.

Denzel Washington sollte vielleicht am meisten gekränkt sein, dass er mit „Malcolm X“ nicht berücksichtigt wurde, aber die Oscars machten das Jahre später wieder gut, als sie ihn 2001 für „Training Day“ als besten Schauspieler auszeichneten.

Phil Collins: „You’ll Be In My Heart“ aus „Tarzan“ – Bester Filmsong, 1999

Hätte gewinnen sollen: Randy Newman: „When She Loved Me“ – Toy Story 2

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Wenn Sie nicht gerade ein Hardcore-Disney-Fan sind, dann wette ich, dass es für sie unmöglich ist, auch nur eine Zeile aus Disneys „Tarzan“ zu pfeifen, dennoch bekam der Film einen Oscar für den besten Song.

Randy Newmans Schmachtfetzen aus „Toy Story 2“ ist einer der bemerkenswertesten musikalischen Momente aus den Filmen der letzten Jahre, also dass gerade dieser wundervolle Song wegen Phil Collins übersehen wurde ist wirklich besonders ärgerlich.

Eine ganz normale Familie – Bester Film, 1980

Hätte gewinnen sollen: Wie ein wilder Stier

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Martin Scorseses Boxer-Biografie gilt als der letzte großartige Film, der aus dem großen Hollywood-Revival der 1970er hervorging, dennoch verlor er den Oscar für den besten Film an einen anderen großen Film dieser Zeit, an Sundance Kid höchstpersönlich.

Robert Redford erhielt für sein Regiedebüt auch die Auszeichnung als bester Regisseur, aber die Geschichte meint, dass Scorsese sich über diese Brüskierung besonders ärgern sollte.

Bilder: Getty Images/Press Association/REX

Tom Butler