Deutsche Filmemacher kopieren ungeniert

Wenn einem deutschen Regisseur gar nichts mehr einfällt, dann geht er eben auf Ideenklau in Hollywood. Stellt er sich dabei geschickt und witzig an, ist er ein König, macht er es dreist und zu offensichtlich, wird er damit keinen Pfifferling gewinnen.

Gut geklaut ist besser als schlecht erfunden, sagt ein altes Sprichwort. Dies gilt auch und besonders für den Bereich Film. Denn mittlerweile sind alle Themen abgegrast, sämtliche Ideen umgesetzt und es gibt eigentlich nichts mehr, was es nicht schon einmal gab. In dieser inspirationslosen Situation schielt der eine oder andere deutsche Filmemacher gerne über den großen Teich und guckt den Kollegen aus Hollywood auf die Finger, in der Hoffnung, man könnte das eine oder andere Erfolgsrezept für unseren Markt anwenden. Dieses Kopieren klappt manchmal ganz gut wie zum Beispiel bei den klassischen Boy Meets Girl-Geschichten, romantischen Komödien á la “Pretty Woman”, in denen ein Mann und eine Frau diverse Hürden überwinden müssen, um sich am Ende in die Arme fallen zu können. Einer, der das richtig gut beherrscht, ist Til Schweiger.

Mit Filmen wie “Barfuß”, “Keinohrhasen” oder “Kokowääh” setzt er auf Spaß und Emotionen und zeigt, dass er vom amerikanischen Kino eine Menge gelernt hat. Wenn Schweiger aber versucht, Genre-Filme zu machen, geht das gründlich in die Hose. Denn Explosionen im Minutentakt und hoher Body Count machen noch keinen guten Action-Kracher, zudem reichen martialische Posen und grimmige Blicke nicht aus, um der Konkurrenz aus Übersee um Willis, Statham & Co. ernsthaft Paroli bieten zu können. So scheiterte Schweiger zuletzt kläglich bei dem Versuch, mit seinem Tatort “Tschiller: Off Duty” das TV-Publikum vor die Leinwand zu locken. Manchmal können die Filme aber auch richtig gut sein und trotzdem interessiert sich kein Mensch dafür. So ist es dem hochtalentierten Nachwuchsregisseur Tim Fehlbaum ergangen. Er inszenierte

2011 den herausragenden Horrorthriller “Hell”, der sich zwar bei großen US-Vorbildern wie dem Vampir-Western “Near Dark” oder dem Schocker-Kultfilm “Texas Chainsaw Massacre” bediente, aber dennoch in Look und Story eine eigene Handschrift entwickeln konnte. Fehlbaum brachte sogar das Kunststück fertig, mit Paramount ein berühmtes amerikanisches Studio als Verleih zu gewinnen. Doch genutzt hat es nichts. Der deutsche Kinogänger kann sich schlicht und einfach nicht vorstellen, dass in diesem unseren Lande auch gutes Genre-Kino gemacht werden kann. Allerdings gibt es auch genügend einheimische Regisseure, die auf Trends aus Hollywood reagieren, die US-Vorlagen eins zu eins übernehmen oder nur minimal für den nationalen Markt anpassen. Dazu gehört die Adaption der Roman-Bestseller-Trilogie “Liebe

geht durch alle Zeiten”, deren letzter Teil “Smaragdgrün” am 7. Juli in die Kinos kommt. Hier haben sich die Autorin Kerstin Gier und das Regie-Duo Felix Fuchssteiner und Katharina Schröde eindeutig von Stephenie Meyers‘

“Twilight”-Saga inspirieren lassen, mit dem einzigen Unterschied, dass bei dieser romantischen Love Story die Vampir-Komponente durch den Zeitreise-Aspekt ersetzt wurde. Gerade junge Menschen werden gerne mit Filmen traktiert, die nichts als ein billiger Abklatsch amerikanischer Vorbilder sind. So müht sich “Die Nacht der lebenden Loser” vergebens, das Zombie-Splatter-Movie made in Germany salonfähig machen, und Bad Taste-Teen-Comedies

wie “Harte Jungs”, “Doktorspiele” oder “Abschussfahrt” wildern ungeniert bei der “American Pie”-Reihe, den britischen “Sex on the Beach”-Klamotten oder den schlüpfrigen Späßen eines Judd Apatow (“Superbad”, “Männertrip”, “Beim ersten Mal”). Es gibt aber auch Filmemacher, denen man die Erstellung von Plagiaten verzeiht. Dazu gehört eindeutig Michael Bully Herbig. Sein “

(T)Raumschiff Surprise - Periode 1” ist ein einziges Konglomerat an Filmzitaten aus “Star Trek”, “Star Wars”, “Men in Black”, “Minority Report” und sämtlichen wichtigen, jemals gedrehten Science-Fiction-Filmen, aber Herbig zitiert sie witzig und geschickt, dass ihm das Publikum trotzdem in Scharen zu Füßen liegt. Gleiches gilt auch für “Der Schuh des Manitu”, der als Hommage an Karl May und die Winnetou-Filme ebenso gedeutet werden kann wie als Hohelied auf Klassiker mit John Wayne und die legendären Spaghetti-Western von Sergio Leone. Dass man auch mit alten Formeln aus der Traumfabrik die Kinokasse zum Klingeln bringen kann, stellte zuletzt “7 Zwerge”-Macher Sven Unterwaldt unter Beweis. Mit seiner Fantasy-Komödie “Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft” lehnte er sich formal wie inhaltlich an Joe Johnstons nunmehr 25 Jahre alten Blockbuster “Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft” an und lockte damit letztes Weihnachten über eine Million Zuschauer in die Kinos. Von derlei Zahlen träumt jetzt auch Regisseurin Vivian

Naefe, deren Bodyswitch-Komödie “Seitenwechsel” am 2. Juni anläuft. Darin spielen Wotan Wilke Möhring und Mina Tander ein Paar, deren Körper während eines heftigen Gewitters den Besitzer wechseln. Da werden Erinnerungen wach an US-Meilensteine wie “Big” (1988), in dem Tom Hanks das Kind im Manne entdeckt, “Freaky Friday - Ein voll verrückter Freitag” (2003), in dem Jamie Lee Curtis im Körper ihrer pubertierenden Tochter

landet, oder “Switch - Die Frau im Manne” (1991), wo Jimmy Smits im adretten Body von Ellen Barkin zurechtkommen muss. Aber wie schon gesagt: wer raffiniert kopiert, hat letztlich mehr Erfolg als diejenigen, deren Plagiate zu offensichtlich und uninspiriert ausfallen.

Bilder: ddpImages/Warner Bros.

Autor: Thomas Lassonczyk