Der nicht endende Rassismus: Kritik zu Spike Lees 'BlacKkKlansman'

Adam Driver und John David Washington in Spike Lees “BlacKkKlansman” (Bild: Universal Pictures International)
Adam Driver und John David Washington in Spike Lees “BlacKkKlansman” (Bild: Universal Pictures International)

Spike Lee hat mit “BlacKkKlansman” eine unglaubliche aber wahre Geschichte verfilmt. Ein afroamerikanischer Polizist wird Mitglied des Ku-Klux-Klans. Entstanden ist eine unterhaltsame Kriminal-Komödie, in der sich der Regisseur mehr denn je über den nicht endenden Rassismus in den USA empört.

Spike Lee war schon immer ein wütender Regisseur. Seinen Durchbruch hat der US-Filmemacher Mitte der 1980er Jahre mit dezidiert politischen Filmen. Vor allem “Nola Darling”, “Do the Right Thing” und der in den 1990ern erscheinende “Malcolm X” sind kritische Bestandsaufnahmen der noch immer nicht überwundenen Rassendiskriminierung in den USA. Seine Empörung über die Verhältnisse äußert Lee gerne direkt und unvermittelt. Dafür wird er nicht selten kritisiert, da seine Zeitdiagnosen schon mal gerne schwarz-weiß-malerisch daherkommen.

Auch mit seinem neuen wunderbaren Film “BlacKkKlansman” erweist sich Lee als ebenso feinfühliger und wie zugleich plakativer kritischer Zeitgenosse. Wie sein Klassiker “Malcolm X” basiert auch diese Kriminal-Komödie auf einer wahren Begebenheit. Wie seine großartige Groteske “Chi-Rac” ist auch der Stoff hier einer literarischen Vorlage entnommen. Wie so manch anderes Werk des Regisseurs handelt auch sein neues trotz der Quellenvorlage explizit von der Gegenwart, dem gegenwärtigen Amerika im Besonderen. Und dieses Amerika ist, will man Lee glauben, rassistisch wie eh und je.

Hat mit “BlacKkKlansman” den großen Durchbruch: John David Washington, Sohn des großen Denzel Washington (Bild: Universal Pictures International)
Hat mit “BlacKkKlansman” den großen Durchbruch: John David Washington, Sohn des großen Denzel Washington (Bild: Universal Pictures International)

Afroamerikaner wird Ku-Klux-Klan-Mitglied

Lee erzählt in “BlacKkKlansman” die unglaubliche Geschichte Ron Stallworths, die dieser in seinen Memoiren “Black Klansman” niederschreibt und 2014 veröffentlicht. Dem von Denzel Washingtons Sohn John David überzeugend gespielten Polizisten gelingt Anfang der 1970er Jahre ein sensationeller Coup. Stallworth schafft es tatsächlich, die rassistische Organisation Ku-Klux-Klan zu infiltrieren, indem er als angeblicher Sympathisant in die Reihen ihrer Mitglieder aufgenommen wird. Wie das geht? Der Ermittler kommuniziert mit einem führenden Mitglied des Ku-Klux-Klans via Telefon, zu den persönlichen Treffen und offiziellen Versammlungen schickt er seinen weißen Partner Philipp Zimmerman (Adam Driver).

Ron Stallworth (rechts) mit Schauspieler John David Washington, der Stallworth im neuen Film “BlacKkKlansman” verkörpert. (Bild: Getty Images)
Ron Stallworth (rechts) mit Schauspieler John David Washington, der Stallworth im neuen Film “BlacKkKlansman” verkörpert. (Bild: Getty Images)

Die spektakuläre Geschichte, von der Lee übrigens eigenen Aussagen zufolge erst viel später gehört hat, verwandelt der Oscar-Preisträger in ein äußerst unterhaltsames Potpourri aus unterschiedlichen Erzählstilen und Genres. Mal ist “BlacKkKlansman” eine lustige Buddy-Komödie, dann ein ungeheuer spannender Thriller. Mal handelt es sich um eine Hommage an die Blaxploitation-Filme der 1970er Jahre, dann um eine kritisch-giftige Gesellschaftsdiagnose. Immer wieder überrascht Lee auch mit Einsprengseln von Archivaufnahmen. Vor allem aber verblüfft “BlacKkKlansman” mit seinem Nebeneinander von leisen und lauten Momenten.

Lee nimmt sich bei aller Empörung über den nicht nachlassenden Rassismus in seinem Land immer wieder Zeit für die Seelenerkundung seiner Protagonisten. Bevor er Stallworth den Ku-Klux-Klan infiltrieren lässt, schickt er den verdeckt ermittelnden Polizisten unter die Mitglieder der afroamerikanischen Studentenbewegung. Die Erfahrung wird für den bis dahin unpolitischen Mann zu einem Erweckungserlebnis. Stallworth, der den Aktivisten Kwame Ture alias Stokely Carmichael aushorchen soll, erkennt den Zwiespalt, in dem er sich befindet. Seine Aufgabe in einer von Weißen dominierten Polizeibehörde wird für ihn unvereinbar mit seiner Identität als Afroamerikaner. Dass er den KKK bespitzelt, hängt unmittelbar mit seinem Gewissenskonflikt zusammen.

In der Höhle des Löwen: Der jüdische Polizist Philipp Zimmerman (Adam Driver) will Mitglied des Ku-Klux-Klan werden, um die rassistische Organisation zu bespitzeln (Bild: Universal Pictures International)
In der Höhle des Löwen: Der jüdische Polizist Philipp Zimmerman (Adam Driver) will Mitglied des Ku-Klux-Klan werden, um die rassistische Organisation zu bespitzeln (Bild: Universal Pictures International)

Gut und Böse, Schwarz und Weiß

Leise und differenzierte Momente wie dieser stehen allerdings oft im Schatten der lauten in “BlacKkKlansman”. Lee macht nie einen Hehl aus seinen Sympathien. In der Szene, in der Ture seine Rede hält und den Studenten zu versehen gibt, dass Schwarze auch schön seien (“black is beautiful”), hebt die Kamera einzelne Zuhörer hervor. Dabei wird deutlich: Ebenso wie die jungen Menschen ist auch Lee fasziniert von den Botschaften des politischen Aktivisten.

Um seine Haltung zum Ausdruck zu bringen, scheut der Regisseur und Ko-Drehbuchautor selbst vor gröbstem Pathos nicht zurück. In einer anderen Szene zeigt Lee einen von Harry Belafonte gespielten alten Mann, der sich an ein rassistisch motiviertes Verbrechen aus seiner Jugend erinnert. Ein junger Afroamerikaner wird um 1915 der Vergewaltigung einer jungen Frau bezichtigt und von einem wütenden Mob gelyncht. Die Erzählung des Mannes schneidet Lee parallel mit einem grotesken Initiationsritual des Ku-Klux-Klans, der in einer Filmvorführung gipfelt. Geschaut wird mit größter Begeisterung D.W. Griffiths Klassiker “Birth of a Nation”, jener Film also, der zwar zu den großen Meisterwerken der US-Kinos gehört, wegen seiner rassistischen Darstellung der schwarzen Bevölkerung jedoch nach wie vor umstritten ist.

Dass der Zuschauer dort betroffen und hier angewidert ist, liegt auch und vor allem an der Inszenierungs Lees. Man darf den Regisseur für seine Schwarz-Weiß-Malerei kritisieren, ihm das Recht absprechen, seine Empörung möglichst klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, davor sollte man sich indes hüten. Lee will mit seiner manipulierenden Bildsprache aufrütteln und seine Zuschauer zu einer Veränderung der Verhältnisse animieren. Dafür ist ihm das Plakative das rechte, wenn nicht gar notwendige Mittel.

Spike Lee (links) mit seinem “BlacKkKlansman”-Darsteller John David Washington (Bild: Universal Pictures International)
Spike Lee (links) mit seinem “BlacKkKlansman”-Darsteller John David Washington (Bild: Universal Pictures International)

Kino im Kopf

Das heißt, Lee hält es auch filmästhetisch nicht mit Griffith, dem Erfinder des unsichtbaren Erzählens. Vielmehr scheint er sich dem manipulierenden Montagekino eines Sergej M. Eisenstein verpflichtet zu fühlen, bei dem sich auch die Erzählung auf der Leinwand erst mit einem Gedanken im Kopf des Zuschauers verwirklicht. Die Erkenntnisse, die Lee seinen Zuschauern vermittelt, sind alarmierend. Denn er zeigt, dass die Missstände der Vergangenheit in der Gegenwart weiter Bestand haben. “America First” und “Make America Great Again” – US-Präsident Trump ist, so offenbar die Überzeugung Lees, ein gelehriger Schüler des Ku-Klux-Klan, die Phrasen dreschen im Film auch die übelsten KKK-Rassisten.

“BlacKkKlansman” endet mit Nachrichtenbildern aus Charlottesville im August 2017. Als damals rechte Gruppierungen, darunter auch Anhänger des Ku-Klux-Klans, mit linken Gegendemonstranten zusammenprallen, kommt es zu einem tödlichen Zwischenfall. Ein Rechtsextremist rast vorsätzlich in eine Gruppe von Menschen und verletzt eine junge Frau tödlich. Der frischgewählte Präsident Trump tritt später vor die Kamera und erklärt, dass es bei dem Vorfall Gute und Böse auf beiden Seiten gab. Zu den Empörten dieser wahnwitzigen Erklärung gehört auch Spike Lee. In “BlacKkKlansman” findet sein Entsetzen unmittelbaren Ausdruck.

Kinostart: 23. August 2018

Spike Lee im exklusiven Yahoo-interview zu “BlacKkKlansman”