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Auf Dauer "für die Gesundheit nicht gut": TV-Doku zeigt belastenden Arbeitsalltag mit Kinderpornografie

Wie ist es, sich jeden Tag mit Kinderpornografie zu beschäftigen? Eine "37°"-Dokumentation begleitete ein LKA-Team im Arbeitsalltag, und zeigt, dass der Job nicht nur gefährlich ist, sondern auch psychisch an die Grenzen geht.

In Zivil und mit gezückter Waffe standen Kriminalhauptkommissar Lutz Thienel-Winkelmann und sein Team vom LKA Hamburg vor der Tür eines Verdächtigen. Sie sollten seine Wohnung durchsuchen. Der Verdacht: Kinderpornografie oder Kindesmissbrauch. Der Mann gestand sofort, dass er sich im Internet pornografisches Material heruntergeladen habe. Die Beamten beschlagnahmten seine Datengeräte zur Auswertung: Wie weit ging seine Pädophilie wirklich? Szenen wie diese erleben die Kommissare tagtäglich. Bereits am Vormittag stehen die ersten Hausdurchsuchungen an - immer in Zivil und mit gezückter Waffe. 160 Durchsuchungen waren es 2020, manchmal sogar mehrere Wohnungen an einem Tag. Der renommierte Investigativ-Journalist Manfred Karremann, der sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema Kindesmissbrauch beschäftigt, begleitete die Ermittler mehrere Tage bei ihrer Arbeit.

Die Einblicke bündelte Karremann in seinem neuen 30-minütigen Film "Auf der Spur der Täter - Delikt Kinderpornografie", den das ZDF im Rahmen der Reportage-Reihe "37°" ausstrahlte. Der Beitrag wollte vor allem eines zeigen: Wie gehen Ermittler damit um, tagtäglich mit Kinderpornografie konfrontiert zu werden?

Bilder im Netz: Weltweit und für immer

Bereits der Besitz von Kinderpornografie ist strafbar. Menschen, die sich "nur" Bilder ansähen, seien diejenigen, die "am Ende den zahllosen Missbrauch in Auftrag geben durch ihre Nachfrage", erklärte Lutz Thienel-Winkelmann. Die Kinder seien die "am meisten Betroffenen": Ist ein Video oder ein Bild erst mal im Internet, könne dies "quasi nicht mehr rückgängig" gemacht werden. "Sie 'müssen' damit leben, dass ihre Bilder im Internet verbreitet werden", verdeutlichte der Ermittler. Das Kind werde nicht nur missbraucht, die Bilder seien auch weltweit im Netz verfügbar - für immer.

Dass die Situation auch für die Täter extrem belastend sein kann, zeigte die Dokumentation anhand einer weiteren Hausdurchsuchung. Der vorbestrafte Mann erklärte sich bereit, mit den Reportern zu sprechen. "Man möchte das gar nicht. Ich zumindest möchte das gar nicht. Aber es ist halt da", sprach der Betroffene von seiner sexuellen Neigung. "Ich bin kein Mensch, der jemandem etwas tut", beteuerte er. "Aber ich weiß nicht, wie ich bin. Ich weiß, dass das nicht normal ist, vielleicht bin ich ja so unnormal, dass ich doch jemandem etwas tun könnte." Aus diesem Grund verlasse er nur selten seine Wohnung. Aber ob den Aussagen der Täter zu trauen ist?

"Man muss sich persönlich davon abgrenzen"

Sich diesen Menschen gegenüber aggressiv zu verhalten, ist für Kriminalkommissar Rico Gierschmann kein Thema. "Umso 'freundlicher' man mit den Leuten umgeht, und man sie in dem Moment so akzeptiert, wie sie sind, umso mehr sagen sie mir auch", wusste der Ermittler zu berichten. Allerdings sei der Job auf Dauer "für die Gesundheit nicht gut", gab er zu. "Ich gucke mich schon nach was Neuem um."

Immer mehr Menschen neigen zu Pädophilie, 2019 stiegen die Fälle um 65 Prozent an. Doch in ganz Deutschland fehlen Polizisten. Thienel-Winkelmann beschrieb, dass gerade Polizeibeamte mit Kindern oder Enkeln immer im Hinterkopf haben, dass die missbrauchten Kinder im selben Alter seien. "Möglicherweise liegt hier in dem Stapel ein Durchsuchungsbeschluss, der genau da hinführt." Deswegen verspüre man immer einen inneren Druck: "Wir müssen die Durchsuchungsbeschlüsse vollstrecken." Doch die Beamten kommen an ihre Grenzen: Es sind einfach zu viele Fälle.

Kriminalkommissarin Kira Vieregge hat einen Weg gefunden, mit dem belastenden Alltag, den grausamen Bildern, den Gesprächen mit den Tätern und dem täglichen Druck umzugehen. Sie habe gelernt, dass sie die Sichtung des Materials nur "eine bestimmte Anzahl an Stunden am Tag machen" könne, die sie nie überschreite, erzählte sie. "Wenn man es mit nach Hause nimmt, muss man anfangen sich Gedanken zu machen, ob man hier noch arbeiten kann. Man muss sich schon persönlich auch davon abgrenzen." Um abends den Kopf freizubekommen, macht sie Sport: Ihr Ausgleich ist Kickboxen.