Das Problem mit fiktiven Nazi-Allegorien
Kurz nach dem Kinostart von Das Erwachen der Macht diskutierte ich mit einem Freund darüber, wie der Film sich für seine Bösewichte, die Erste Ordnung, von den Nazis inspirieren ließ.
Es gibt einige visuelle Hinweise – es gibt einige Kundgebungen, die an Nürnberg angelehnt sind, Farbwelten und ein Logo, die an das Hakenkreuz erinnern und eine Grußgeste, die zweifellos nur eine Assoziationen erlauben. In beinahe jeder Szene fordert der Film den Nazi-Vergleich geradezu heraus, um zu betonen, wie böse und niederträchtig diese Figuren sind.
Damals – ich bin nicht sicher, ob es mir heute genauso geht – kam mir das Ganze bequem, ja geradezu allzu einfach vor. Die Nazis als Inspirationsquelle zu verwenden, war beinahe ein Klischee – und ließ genauer gesagt einen Mangel an Relevanz erkennen. Mit Sicherheit gab es andere, aktuellere Allegorien, derer man sich bedienen konnte? Im Nachhinein ist es natürlich klar, wie viel sich in einem relativ kurzen Moment verändern kann – und ich frage mich, ob diese fiktionale Version des Nationalsozialismus nicht etwa dazu diente, etwas zu Verschleiern.
Ich möchte hier die neuesten DC-Crossover-Episoden von CW erwähnen – ganz einfach deshalb, weil sie in Kürze ausgestrahlt werden und ziemlich gut illustrieren, was mir vorschwebt. In Crisis on Earth X vereinen Arrow, Flash, Supergirl und die Legends of Tomorrow ihre Kräfte in einem einzigen großen interdimensionalen Kampf gegen ihre alternativen Ichs von der Erde X – einer geheimen Welt, in der die Alliierten den Zweiten Weltkrieg verloren und all unsere Helden somit Nazis sind.
Für mich liegt in diesem Szenario etwas Unangenehmes, und zwar aus einem Grund, der nicht so einfach in Worte zu fassen ist. Es liegt nicht unbedingt daran, dass das Crossover Nazis banalisiert, denn das tut es nicht. Stattdessen macht es sie zu Fantasiegebilden, Bösewichten, die nur auf einer geheimen, alternativen Erde existieren – obwohl das ganz klar nicht der Realität entspricht. Es spielt dabei keine Rolle, ob auf die furchtbaren Gräueltaten Bezug genommen wird, die damals begangen wurden (und in diesem Crossover scheinen Konzentrationslager eine wichtige Rolle zu spielen) – es wird impliziert, dass Nazis letztendlich nur überzeichnete Figuren sind, in dem man sie so darstellt.
Die Leute werden vermutlich sagen, dass es etwas naiv ist, von Serien wie Arrow viel Fingerspitzengefühl zu verlangen, besonders wenn es um diese Dinge geht. Und vermutlich ist dieser Einwand berechtigt. Ich hingegen bin der Meinung, wenn man etwas nicht mit dem angemessenen Fingerspitzengefühl behandeln kann, sollte man die Finger ganz davon lassen. Wie dem auch sei – das Problem beschränkt sich nicht auf diese Serien. Es ist ein weitreichenderes Problem, das unser kulturelles Bewusstsein betrifft und sich durch viele verschiedene Medien zieht.
Ich vermute sogar, dass diese Form der fiktionalen Darstellung von Nazis zu einer Banalisierung echter Nazis führt – oder zumindest dazu beiträgt. Wenn wir Nazis nur noch als Comicschurken, Daleks oder Kylo Rens Kumpels wahrnehmen, so ist das der erste Schritt zu der Aussage: „Naja, diese Person wedelt nicht mit einer Saugglocke herum und schreit ‚AUSLÖSCHEN’ und er mag Seinfeld, also ist sie vielleicht gar nicht so schlimm?“ – eine gefährliche Sichtweise, auch wenn es augenscheinlich nicht so ist (nicht so sehr, wie es nötig wäre und nicht so sehr, wie wir es uns wünschen).
https://youtu.be/du_vAM5TbRc
Nichts davon soll heißen, dass wir Nazis in der Fiktion nicht als Bösewichte verwenden sollen oder dass sie nicht als Inspirationsquelle dienen dürfen. Immerhin sind sie Bösewichte unserer Realität, daher liegt nichts Falsches darin, sie in der Fiktion widerzuspiegeln.
Doch wir müssen vorsichtig sein, wenn wir es tun, um sicherzustellen, dass der Schurke nicht als eine Karikatur endet und die Bedeutung des realen Bösen damit abgeschwächt wird, denn nicht die fiktionalen Faschisten sind eine Gefahr, sondern die echten.
Alex Moreland