Wer ist Deutschlands bester Filmemacher?

Nach Maren Ade im letzten Jahr darf sich mit Fatih Akin erneut ein deutscher Regisseur Hoffnungen auf die Goldene Palme von Cannes machen. Beide gehören sie zu den Top Ten der nationalen Filmemacher. Doch sind sie auch die Besten?

Von Thomas Lassonczyk

Am 17. Mai beginnen die 70. Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Erfreulicherweise ist auch in diesem Jahr wieder ein deutscher Beitrag im Wettbewerb um den Hauptpreis, die Goldene Palme, vertreten. Maren Ades von Publikum wie von der Kritik gefeierter “Toni Erdmann" ging 2016 leider leer aus.

Aber vielleicht läuft es ja für Fatih Akin besser. Der in Hamburg lebende Deutsch-Türke schickt das mit Diane Kruger, Denis Moschitto und Ulrich Tukur exzellent besetzte Drama “Aus dem Nichts" ins Rennen. Der hochdekorierte Regisseur, der unter anderem für “Gegen die Wand" den Goldenen Bären und für “Auf der anderen Seite" den Deutschen Filmpreis gewann, gehörte viele Jahre zu den spannendsten und innovativsten Filmemachern hierzulande. In letzter Zeit schwächelte der 43-Jährige allerdings ein wenig.

Seine Bestseller-Adaption “Tschick" war zwar ein Publikumserfolg, zeichnete sich aber nicht unbedingt durch einen originellen Inszenierungsstil aus. Wer also ist der legitime Nachfolger jener Männer, die einst in den 1970er Jahren den Neuen Deutschen Film prägten? Wer tritt in die Fußstapfen von Rainer Werner Fassbinder und Werner Herzog, von Volker Schlöndorff und Wim Wenders? Tom Tykwer wäre da sicher zu nennen.

Doch der Schöpfer des kultigen “Lola rennt" macht schon seit Dekaden internationale Big-Budget-Produktionen wie “Cloud Atlas" oder zuletzt “Ein Hologramm für den König”, außerdem geht er mit seinen nunmehr 51 Jahren nur noch schwerlich als hoffnungsvolles Nachwuchstalent durch. Gleiches gilt für Andreas Dresen und Christian Petzold.

Dresen, Jahrgang 1963, hat bereits zwei Bayerische und zwei Deutsche Filmpreise auf der Habenseite und mit “Halbe Treppe", “Wolke 9” und “Halt auf freier Strecke” mindestens drei Meisterwerke abgeliefert. Und der drei Jahre ältere, dreifache Grimme-Preisträger Petzold steht ihm in nichts nach, feierte etwa mit “Wolfsburg”, “Yella” und “Barbara” große Kritikererfolge. Einer, dem zuletzt wirklich ein starkes Filmkunststück gelungen ist, heißt Sebastian Schipper. Der gelernte Schauspieler ist zwar auch schon 48.

Aber mit “Victoria" (2015) ist er ein wagemutiges Experiment eingegangen wie man es im modernen Kino leider nur noch viel zu selten antrifft. Vor allem auf formaler Ebene ging Schipper hier an die Grenzen des Machbaren, des Aushaltbaren. Denn “Victoria" kommt ganz ohne Schnitte aus, die Kamera verfolgt rund zwei Stunden lang quasi in Echtzeit das Geschehen in einer Berliner Nacht kurz vor dem Morgengrauen. Wirklich großartig, und kaum zu toppen. Und dennoch gibt es einen jungen Künstler, in dem ähnlich außerordentliches Potenzial steckt:

Jakob Lass. Sein “Love Steaks" (2013) war überraschend, unorthodox, direkt, anders. Das sahen auch die Festival-Jurys von München und Saarbrücken so und überschütteten den Film mit Auszeichnungen. Und der Nachfolger kann sich ebenfalls sehen lassen. Wie “Love Steaks” ist auch “Tiger Girl” (2017) formal ein irrer Mix aus Improvisation, Dokumentation und klassischem Genre-Stück. Da kreuzen sich die Wege der dänischen “Dogma"-tiker mit jenen eines Quentin Tarantino, während sich die französischen Kollegen des Cinéma vérité ebenfalls darin wiederfinden dürften. Lass ist übrigens Jahrgang 1981, also auch nicht mehr blutjung, aber jung genug, um noch ein paar richtig große Kinogeschichten auf die Leinwand zu zaubern.

Bilder: ddpImages (6)