Das Frauenbild der Klatschblätter: Für 88 Cent zurück an den Herd

Die Zielgruppe der Klatschblätter ist klar umrissen (Foto: Yasmine M'Barek)
Die Zielgruppe der Klatschblätter ist klar umrissen (Foto: Yasmine M'Barek)

“Klatschblattanaylsen, die liebe ich SO bei dir.” Das hörte und las ich in den letzten Monaten öfter. Bis Anfang März schnappte ich mir wöchentlich Magazine die Namen tragen wie “Neue Woche”, “Prima Woche”, “Freizeit heute” oder “Meine Freizeit”. In diesem Spektrum an Namen liest man vor allem heraus: Zeitvertreib. Diesen Zeitvertreib wollte ich mir nicht entgehen lassen, aber ich muss sagen, dass ich mich mittlerweile eher scheue als freue, solche Analysen zu machen.

Denn in all diesen Heften steht das Gleiche. In journalistischer Höchstform werden Diätideen wie “1 Pfund in 12 Stunden” mit sieben verschiedenen Rezeptideen verarbeitet, damit die nächsten sieben Ausgaben auch gut locken. Ich muss ehrlich sein, ein Toilettengang und rund das halbe Pfund ist runter. Der Kreislauf der Nahrungsaufnahme, würde ich sagen.

In meiner zynischen Dynamik schrieb ich diesen Magazinen Plumpheit zu, Grauen und Ekel. Die Annahme, dass diese Magazine meist in den Händen der älteren Generation landen, habe nicht nur ich. In einem gar wütenden Ton schrieb mir eine Followerin: “Lass den alten Leuten doch ihre Zeitungen. Sie können nicht alle so intelligent sein wie du.” Mhm.

Lass ihnen doch ihren frauenverachtenden Müll

“Von Frau zu Frau” füttert das frauenfeindlichste Bild, das Mensch zeichnen kann. Wäschetipps für die kluge Hausfrau, Mode- und Abnehmtipps, denn sonst könnte Gatte Hans etwas mit der Nachbarin anfangen. In jeder Ausgabe findet sich Werbung für Abnehmdrinks mit den derbsten Lehrbeispielen für angehende Photoshopper.

Frau ist nur schön, wenn sie dünn ist, kocht und pastellfarbene Klamotten trägt. Heteronormativität und klassischer Sexismus sind hier die Schlagworte. Im Diskurs darum, wieso Jung und Alt so weit auseinander gehen und Oma einem beim Osteressen immer noch an den Bauch packt und sagt: “Nanana, ein paar Osterhasen zu viel gehabt?”, spielen solche fatalen Weltbilder wie die dieser Magazine eine außerordentlich zentrale Rolle.

Werbung für Schlankheitsprodukte ist allgegenwärtig (Foto: Yasmine M'Barek)
Werbung für Schlankheitsprodukte ist allgegenwärtig (Foto: Yasmine M'Barek)

So titeln die “Frau im Trend”, “Illu der Frau” und “von Frau zu Frau” als Hauptschlagzeile mit Diäten und Tipps zum Schlankwerden. Bei allen dreien handelt es sich um die erste Maiausgabe, aber auseinanderhalten kann ich sie nicht. “Bauch weg ohne Diät”, “Schlank mit Intervalltrick” oder die “Sommer-Power-Diät”, vor lauter vielversprechenden Angeboten weiß ich gar nicht so recht, was ich zuerst ausprobieren soll.

Kaschiert euch!

Die “Frau im Trend” hat nicht nur erniedrigende und demotivierende Ansagen zum Abnehmen im Angebot, sondern auch Tipps, wie das nicht schlanke - und damit gesellschaftlich nicht akzeptierte - Selbst durch kaschierende Kleidung versteckt werden kann. Der Werbeinhalt der seriösesten aus der Mode gekommenen Labels wird auf drei Seiten aufgeführt. Das Vokabular bewegt sich dabei zwischen “umspielt Problemzonen”, “ideal bei kräftigen Oberarmen”, “betont sämtliche Vorzüge” oder “kaschiert an den richtigen Stellen”.

Die Models, denen so unnachahmlich dabei geholfen wird, ihre Größe-34-Körper schmaler zu machen, irritieren bei der Lektüre keinesfalls. Um die Diversität nicht zu kurz kommen zu lassen, erblickt man links in der Ecke ein Model mit Größe 42, welches von der Überschrift “BIS GRÖSSE 56” überstempelt wird und zeigt, wie man eine “Taille mogeln” kann.

Die Blätter haben Tipps für jede Körperstelle parat (Foto: Yasmine M'Barek)
Die Blätter haben Tipps für jede Körperstelle parat (Foto: Yasmine M'Barek)

Der perfide Wortschatz zieht sich durch das gesamte Heft. “Wunderdiät”, “in so und so vielen Tagen leichter”, und “Körper schmeichelnd kleiden”, während sich die gleiche Werbung für überteuerte Abnehmpulver auf allen zehn Seiten blicken lässt. Liest man all das, fragt man sich, ob Emanzipation überhaupt ein existierender Begriff ist.

Tragische “Real Life”-Storys, in denen Menschen abnehmen und erzählen, dass sie dick niemals glücklich sein könnten und allen ihre Diät nahelegen möchten, sind der Höhepunkt. Es wird auch gerne mit Kilo und Pfund gespielt. Besagte Dame wog früher laut Heft 262 Pfund. Und sie verlor 106 Pfund. Dass das 131 und 53 Kilo sind, wäre viel zu realitätsnah, deswegen bleibt hier die altes Maßeinheit bewährt. Ich frage ich, warum die D-Mark nicht auftaucht, wirklich, Beatrix von Storch würde das bestimmt gefallen.

Alle haben ein Recht auf Emanzipation

Die Vertreiber dieser Magazine nutzen die völlig verständliche Nachfrage nach leichter Lektüre zum Nachmittagskaffee aus. Dass Anita, 66, sich aber grundsätzlich nur dafür interessiert, ob Veronica Ferres oder Jana Ina Zarrella besser aussieht in dem gesponserten Marc-Ostertag-Kleid, wage ich zu bezweifeln. Mit Intellekt hat das nicht viel zu tun, Tipps geben wie man sich gesund ernährt und in seinem Körper wohlfühlen kann sind auch etwas für Anita. Anita kann sich auch von Hans lösen, denn diesem können Anitas Selbstzweifel und Wahrnehmungen nur recht sein.

Mit gnadenloser Optimierung zum "Glück" (Foto: Yasmine M'Barek)
Mit gnadenloser Optimierung zum "Glück" (Foto: Yasmine M'Barek)

Aber das verkauft sich nicht so gut, wie die Selbstzweifel von Frauen zu nähren, Kapitalismus und Patriarchat kennen kein Erbarmen. Ich selbst, und ich würde mich als halbwegs reflektierend und leicht emanzipiert beschreiben, fühle eine Schwere im Magen nach der Lektüre diese Hefte. Und sie ploppen beim Nachdenken über aktuelle Debatten immer wieder in meinem Kopf auf.

Wir kümmern uns um die Weltbilder junger Mädchen, wollen jedes Kilo liebenswert gestalten und von alten Twiggy-ähnlichen Körperbildern weg, aber was die Generation 50+ liest, bleibt auf der Strecke. Diese einfach als zu alt und eingerostet zu deklarieren, ist meistens das Einzige, was die jüngere Generation hervorbringt.

Stagnation und Rückwärtstrend made by U35

Da taucht doch die Frage auf, wer schreibt eigentlich all diese abgründigen, frauenhassenden Sätze? Genau, Frauen, die unter 40, meist sogar unter 30 sind. Sie heißen Jessica oder Lara und stellen in kleinen Pop-Up-Bildern ihre liebsten Trends sponsored by Tchibo vor.

Ich frage mich, ob sie selbst dieses Weltbild gelehrt bekommen haben, denn somit könnte ich Mitleid aufbringen und das treibt den Gedanken, dagegenzuwirken, noch mehr an. Ich bezweifle dies aber. Denn Copy-und-Paste-Texte in anderen Farben und anderer Stockbebilderung sind das System.

Der Hass auf den eigenen Körper wird systematisch eingeimpft (Foto: Yasmine M'Barek)
Der Hass auf den eigenen Körper wird systematisch eingeimpft (Foto: Yasmine M'Barek)

Also: Ich lasse den “alten Leuten” nicht ihre Zeitungen. Ich möchte neue Zeitungen und Publikationsverbot für den sexistischen Mist, den diese immer gleich heißenden prospektartigen Heftchen für 88 Cent von sich geben. Anita hat besseres verdient, ich lasse sie nicht in diesem Teufelskreis.

Solche Vermittlungen sind dabei nicht nur in der 88-Cent-Magazinsparte zu finden, sie gehen bei “Brigitte” und “Greta” und “Lena” und “Lisa” weiter. Diese stehen angeblich ein Stüfchen höher in der Seriösitätsskala, direkt neben Juli Reichelt und seiner “Bild”. Und liest Anita das dort auch, bestätigt dies das Vorurteil, das die “Revue Heute” ihr vermittelt, ohne dass sie es selbst Revue passieren lassen kann und reflektiert.

Nicht nur alt, auch jung wird Opfer

Aber auch Jugendmagazine wie “Mädchen” verbreiten diese Weltbilder und infiltrieren damit unsichere jugendliche Mädchen in der prägendsten Phase ihres Lebens. “7 Tipps wie Jungs dich wirklich mögen” sind da die Spitze des Eisbergs. Den Druck, eine “ABF” (allerbeste Freundin) haben zu müssen mit der ich immer “FUN” haben muss, habe ich selbst in der Jugend erlebt.

Sich von solchen Bildern zu lösen, ist schon in Reflektionsprozessen unfassbar schwierig, auch die hochpolitisiertesten Leute feinden Frauen an, weil das System darauf ausgelegt ist. Man muss also von oben und von unten anfangen, denn die Mitte kann sich emanzipieren wie sie will, die verblendeten Generationen und die verwundbaren sind nunmal da. Als Konklusion also: Weg mit dem Dreck, den wollen wir nicht.