Das Anhaltende Rätsel des Tarzanschreies

Wenn Legend of Tarzan Ende des Monats in unseren Kinos erscheint, werden die Unterschiede zu den vielen vorherigen Adaptionen der Buchserie von Edgar Rice Burrough sofort deutlich. Alexander Skarsgårds ist nicht der kitschige, sich von Liane zu Liane schwingende Dschungelkönig, den wir kennen, und der Unterschied liegt vor allem in der neuesten Version des ursprünglichen Tarzanschreies. Vorbei mit dem hohen Gejodel, das das Kennzeichen Tarzans geworden war und nun mit einem wilden Geheul ersetzt wird, eine Kombination aus Skarsgårds Stimme und der eines Opernsängers zusammen mit gutturalen Tiergeräuschen.

Die Geschichte zweier Tarzans: Johnny Weissmuller und Alexander Skarsgård. (Fotos: Everett; Warner Bros.)

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Dass wir die grundlegenden Elemente des neuen Schreies kennen, zeigt einen weiteren Unterschied zu den vergangenen Jahren auf. Die Herkunft des ikonischen Schreies, der das erste Mal im Jahre 1932 im Film Tarzan der Affenmensch zu hören war, hat in den letzten 84 Jahren viel Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, während er in die Popkultur durchdring und in Die Rückkehr der Jedi-Ritter und Van Halens Everybody Wants Some und vielen anderen Teilen auftauchte, genauso wie in den vielen Tarzan Filmen und Fernsehsendungen. Und trotzdem konnte niemand wirklich sagen, wie der Schrei zustande gekommen ist oder wer dafür verantwortlich war.

Burroughs, Erfinder des wilden Lendenschurz-Modelles im Jahre 1912, kann sich für den Schrei nicht verantwortlich fühlen. Seine Beschreibungen waren opak und beschreiben ihn nur vage als „Siegesschrei des Riesenaffens“. Der erste Schauspieler, der ihn auf die Leinwand gebracht hat – Frank Merrill in The Adventures of Tarzan von 1921 – gab ein heiseres Bellen von sich, das sich eher nach einem Dachshund anhörte als ein Dschungelkönig.

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Dann im Jahr 1932 erschien ehemaliger olympischer Schwimmer Johnny Weissmuller in Tarzan der Affenmensch und produzierte den Kampfschrei, den wir heute so gut kennen. Zumindest wird das so erklärt. Der Schauspieler sagte, dass er sich den Schrei immer wie ein Jodeln vorgestellt hat, als er die Tarzanbücher als Kind gelesen hat, vielleicht, weil er regelmäßig seine eigene wellenartige, Kopfstimme bei deutschen Picknicks in Chicago geschmettert hat.

Das Filmstudio hat eine andere, laut Burroughs Biographen John Taliaferro zusammengebraute Geschichte erzählt, nachdem es die Tragweite Weissmullers Schreies erkannt hatte. MGM nach haben Toningenieure den Kampfschrei entwickelt, indem sie die Stimme des Schauspielers mit einem „rückwärts gespielten Hyänenschrei, einem Kamelgeblöke, ein Violinenzupfen und dem hohen C einer Sopranstimme“ gemischt haben. Andere Versionen dieser Behauptung ersetzen den Hyänenschrei mit einem Hundegeheul. Taliaferro schreibt, dass es sich bei allem um „Flunkereien“ handelt.

Aber Tom Held, ehemaliger Toningenieur bei MGM, steht zu dieser Geschichte. An Weismullers Gejodel selber hat noch etwas gefehlt, sagte er, also hat das Studio diese ganzen Töne in verschiedenen Geschwindigkeiten hinzugefügt mit dem Ziel, dem Schrei „einen Effekt beizutragen, der Dschungel ähnlicher, Elefanten erschreckend und Blut gerinnend“ sei.

Andere Geschichten sind nach und nach an die Öffentlichkeit geraten, viele atemlos von ERB Zine katalogisiert, einer Webseite, die dem Erschaffer Tarzans gewidmet ist. Opernsänger Lloyd Thomas Leech sagt, sein Gejodel wurde für den Schrei aufgenommen. Journalist Bill Moyers behauptete, es war „eine Aufnahme dreier Männer, einem Bariton, einem Tenor und einem Schweinerufer aus Arkansas – alle während sie aus voller Lunge schreien.“ Auch Weissmullers Geschichte hat sich von Zeit zu Zeit verändert. Obwohl er meistens darauf bestand, der Erfinder des Schreies zu sein, sagte er 1939 der Hollywood Parade, dass es sich um „drei Männer mit eisernen Lungen“ handelte. Egal, wie der Schrei zu Stande kam, man kann es wohl kaum bestreiten, dass Weissmuller ihn letzten Endes selbst produzieren konnte und ihn auf Partys und Premieren bis zu seinem Tode im Jahr 1984 oft ausrief.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Tarzanschrei zu einer Basis in der Popkultur etabliert. Jeder Film, in dem ein Charakter an einer Liane schwang, musste den Schreib beinhalten. Er wurde zu einem Grundtoneffekt, der beispielsweise von Chewbacca in Die Rückkehr der Jedi-Ritter und von James Bond in James Bond 007 – Octopussy gebrüllt wurde. Wie auch immer er benutzt wird, es sollte bemerkt werden, dass er gut angesehen ist. Der Schrei ist eine desorientierende Erinnerung an die echte Welt – sollten wir daraufhin gewiesen werden, dass Chewie ein Fan der Tarzanfilme war? – und ein Scherz, der lieber Filmen wie Pee-Wees irre Abenteuer überlassen werden sollen.

Hören Sie sich hier Chewies Tarzanschrei an:

Oder vielleicht Komikern wie Carol Burnett, die hinter Weissmuller auf dem zweiten Platz liegt, wenn es um das Geheult geht. (Sie können sich am Ende dieses Videos eine Zusammenstellung ihrer Schreie ansehen). Natürlich basiert ihr Schrei auf seinen. Wie Burnett es Larry King beschreiben würde, gingen sie und ihre Cousine als Kinder oft ins Kino. Auf dem Nachhauseweg haben sie Rollenspiele gespielt. Burnetts schöne Cousine war Jane und sie war Tarzan. „Und so habe ich ihn mir beigebracht“, sagte sie.

Als The Carol Burnett Show im Jahre 1967 herauskam, lieh sie sich die Idee des ehemaligen TV-Varieté-Moderators Garry Moore und beantwortete Fragen aus dem Publikum. Es konnte nicht vermieden werden, dass man sie darum gebeten hat, ihren Tarzanschrei vorzuführen, was genauso ein Kennzeichen ihrer Persona wurde wie die bekannte Geste, an ihren Ohren zu ziehen. (Einmal wurde die Geste sogar benutzt, um sie offiziell irgendwo zu identifizieren.) Aber im Gegensatz zur sentimentalen Geste für ihre Großmutter, gab es etwas Subversives in Burnetts Gejodel. Es ermöglichte ihr, den femininen Konventionen, mit der sie sich nicht identifizierte und die sie nicht annehmen wollte, zu trotzen. Sie war Tarzan, nicht Jane, und sie hatte kein Problem, das auszuschreien.

Über acht Jahrzehnte nach Weissmullers ersten Tarzanschreies bestand eigentlich gar keine Chance mehr, ihn in die aktualisierte Geschichte des Affenmenschen einzubauen, die demnächst in den Kinos erscheinen wird. Das Gejodel ist zu bekannt. Es wird heute als direkte Referenz zur Filmrolle des Tarzan betrachtet und nicht als Kampfschrei eines ungezähmten, menschlichen Biestes. Das hört sich – zumindest dem neuen Film nach – so ähnlich an:

Adam K. Raymond