Dürre trifft deutsche Landwirtschaft, doch nicht alle Betriebe leiden

Es lohnt sich – trotz der angekündigten Hitzewelle – ein Blick auf das vergangene Jahr. In Norddeutschland fiel der Sommer damals gewissermaßen ins Wasser – ständiger Regen bis in den Herbst hinein. Etliche Landwirte und ihre Verbände schlugen Alarm: Erntemaschinen könnten nicht fahren, das Getreide saufe ab.

In der amtlichen Statistik taucht der Effekt aber bundesweit kaum auf: Je Hektar holten die Landwirte genauso viel Weizen ein wie im Vorjahr. Bei Roggen gab es einen Rückgang, dafür fiel die Gerstenernte üppiger aus.

2018 regnet es kaum. Für diese Woche ist eine Hitzewelle angekündigt. Es ist ein trockenes Jahr – jedenfalls in weiten Teilen Deutschlands.

Und wieder klagen die Landwirte. Vom „schlechtesten Jahr seit 20 Jahren“ spricht etwa Frank Schiffner vom Bauerverband Mecklenburg-Vorpommern auf Handelsblatt-Anfrage. „Bei Marktfrüchten, bei landwirtschaftlichen Kulturen erwarten wir einen Erlösausfall zwischen 300 und 350 Euro pro Hektar.“

Doch die Politik bleibt zurückhaltend. Der alljährliche Alarmismus der Branche nutzt sich ab. Dazu kommen große regionale Unterschiede.

„In weiten Teilen Bayerns ist die Ernte gut, beziehungsweise nicht schlecht“, heißt es etwa vom bayerischen Bauernverband. Im Norden des Freistaats, also in Franken, sehe es allerdings schlecht aus.

Bei Wintergerste und Winterweizen drohten im Bundesschnitt deutliche Rückgänge je Hektar, warnt der Deutsche Bauernverband in seinem ersten Erntebericht 2018. Vier Tonnen seien je Hektar beim Roggen im Schnitt zu erwarten – nach 5,7 Tonnen im Schnitt der Vorjahre. „Die Ertragseinbußen sind immens und damit auch die Folgen für die Betriebsgewinne und Umsätze der Landwirte, selbst wenn die Getreidepreise steigen. Sie können nicht so stark steigen, dass die Ernteeinbußen wettgemacht werden können“, heißt es beim Landvolk Niedersachsen.

Allerdings: Die Einbrüche treffen Landwirte sehr punktuell. Gewitterschauer etwa können selbst lokal Unterschiede ausmachen. Und: Ähnliche Rückgänge gibt es immer wieder. Die drei Jahre 2010 bis 2012 etwa waren deutlich schwächer als die darauffolgenden bis heute.

Betroffen sind von der Trockenheit diesmal auch Tierhalter: Einige Wiesen können einmal weniger gemäht werden, Weiden sind schneller abgegrast. „Was ein wirkliches Problem ist, ist die Futterknappheit, die wir kommen sehen“, warnt Verena Kämmerling vom Westfälisch-Lippischen Bauernverband.

Etliche Landwirte brächten ihre Milchkühe jetzt schon in den Stall, weil sie ihre Tiere sonst nicht satt bekämen. Manche Landwirte müssten schon anfangen, ihre Wintervorräte zu verfüttern. „Das wird in den nächsten Monaten das größere Problem werden, weil einfach kein Futter für die Tiere da ist“, so Kämmerling.

Auch in Nachbarländern wie Polen fehlt Futter, sodass Zukäufe teuer werden. Mehrere Bundesländer geben bereits Brachflächen zum Mähen frei. „Erhebliche Einbußen sind auch bei den Hackfrüchten wie den Kartoffeln und Zuckerrüben zu befürchten“, sagt Kämmerling. Niedersachsens Landwirte dürfen bereits Steuerzahlungen verschieben. Betriebsprämien könnten früher gezahlt werden.

Wein und Obst gedeihen prächtig

Doch die Landwirtschaft ist komplex. Die stabile sonnige Wetterlage verhilft anderen Landwirten zu ausgesprochen guten Ergebnissen. Obstbauern etwa im ebenfalls recht trockenen Alten Land bei Hamburg, in Bayern und Brandenburg berichten von frühen und guten Ernten auf den Böden, die Wasser gut speichern. Die Äpfel und Kirschen sind in diesem Jahr voraussichtlich so früh im Jahr erntereif wie sonst in Italien. Auch einige Gemüsesorten profitieren von der Sonne.

Nicht zuletzt gibt es beim deutschen Wein Potenzial für einen besonders guten Jahrgang. Ausgemacht ist das aber noch nicht: Abhängig sind Ernteergebnis und Qualität der Trauben auch vom Wetter in den kommenden Wochen. Dennoch diskutieren Winzer verstärkt, zwischenzeitlich aufgegebene Randlagen wieder neu zu bepflanzen.

Somit ist es zur aktuellen Hitzewelle noch schlicht zu früh, um einen Überblick über die gesamte Ernte zu gewinnen. Beim Bundeslandwirtschaftsministerium heißt es auf Anfrage, der Bund könne bei widrigen Witterungsverhältnissen nur bei einem Ereignis „von nationalem Ausmaß“ helfen – ansonsten seien die Länder am Zug. Das Ministerium werde das Ausmaß der Schäden eingehend prüfen, sagte eine Sprecherin. Eine Besprechung der Abteilungsleiter des Bundes und der Länder mit dem Ziel einer Bestandsaufnahme der diesjährigen Witterungsschäden ist für den 31. Juli 2018 geplant.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hält sich bis dahin zurück. Wie viele Landwirte tatsächlich um ihr Einkommen oder gar ihre Existenz bangen müssen, steht erst im Herbst fest. Und auch dann ist erst klar, wie viele Landwirte vom warmen Wetter profitiert haben werden.