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Das Chaos ist die Macht: Was die Serie "The Boys" mit der Realität zu tun hat

Die fulminante Anti-Superhelden-Serie "The Boys" kommentiert in acht blutigen neuen Episoden das Tagesgeschehen in den USA (und anderswo).

Chaos und Gewalt taugen zwar selten dazu eine Nation zu einen, aber sie könnten zum Beispiel die Chancen erhöhen, als Präsident wiedergewählt zu werden. Man muss nur publikumswirksam die Wirklichkeit verbiegen, hier und da Öl ins Feuer gesellschaftlicher Konflikte gießen und sich einfache Feindbilder schaffen. Nun geht es in der zweiten Staffel der chaotischen und gewaltsamen Amazon-Serie "The Boys" (ab 4. September) zwar nicht ums Weiße Haus, aber die Perversionen von Wahrheit, Gerechtigkeit und in der Konsequenz des American Way of Life haben es von der Realität in die Fiktion geschafft. Und zwar mehr noch als zuvor.

Ging es in der ersten Staffel noch um die menschlichen Makel der Superhelden, die vor allem korrupte, geldgeile und eitle Snobs sind, widmen sich die acht neuen Episoden nicht mehr nur der Dekonstruktion des Einzelnen. Es geht gleich der ganzen Gesellschaft an den Kragen: Um ihre Macht zu sichern, erklären die Superhelden und der hinter ihnen stehende Megakonzern die zugegebenermaßen nicht gerade zimperliche Widerstandsgruppe "The Boys" zu Staatsfeinden oder verüben selbst Terroranschläge, um sich die Abschaffung der Demokratie demokratisch legitimieren zu lassen.

Kommentare zur politischen Lage in den USA

Mit Vernebelungstaktiken und Fake News arbeiten Superheldenchef Homelander (Antony Starr) und seine neue Verbündete Stormfront (Aya Cash) daran, mit einer Armee von Superhelden die Kontrolle über die USA zu übernehmen. Gegenwind bekommen sie eigentlich nur von "The Boys" um den schnoddrig-vulgären FBI-Agenten Billy Butcher (Karl Urban), den schüchternen Hughie (Jack Quaid) und Doppelagentin Starlight (Erin Moriarty).

Beide Lager ziehen mit blutiger Zielstrebigkeit in den Kampf, und man hat ziemlich viel damit zu tun, all das zu verarbeiten, was hinter dem Splatter und Gore zum Vorschein kommt. Die Kommentare zur politischen Lage in den USA (und in vielen anderen Ländern auf der Welt) sind jedenfalls kaum zu übersehen.

Die besten Momente hat die zweite Staffel der Verfilmung einer Comicvorlage von Garth Ennis ("Preacher") freilich nicht in den düsteren, mit aktuellem Kontext aufgeladenen Gewaltorgien. Showrunner Eric Kripke gönnt seinen Figuren - den guten wie den bösen - mehr noch als in der ersten Staffel entschleunigte Momente, in denen sie sich persönlich hinterfragen und weiterentwickeln können. Das ist nicht nur ziemlich überraschend, sondern zeigt auch, dass es für die Gesellschaft nie zu spät ist, sich tieferen Gefühlen von Menschlichkeit zu öffnen. Man muss dafür nur mal innehalten und "den Anderen" zuhören.