"Born to Be Blue": Kunst und Drogen - der schmale Grat

"Born to Be Blue" (Kinostart: 8. Juni) ist ein Künstlerdrama mit Ethan Hawke (46, "Reality Bites") in der Hauptrolle. In weiten Strecken ist der Film angelehnt an die Biografie der Jazz-Ikone Chet Baker (1929-1988) - auch bekannt als "James Dean of Jazz" und "King of Cool". Gezeigt wird jene Phase im Leben des Künstlers, in der der kometenhafte Aufstieg und große Ruhm der 1950er Jahre längst im Drogenexzess versunken sind. Absoluter Tiefpunkt ist eine Prügelattacke, bei der ihm der Kiefer gebrochen und die Zähne ausgeschlagen werden. Eigentlich das Aus für einen Trompeter. Doch Baker kämpft sich zurück.

Dabei hilft ihm auch die dunkelhäutige Schauspielerin Jane (Carmen Ejogo). Der Film-Baker lernt diese fiktive Figur 1966 bei den Dreharbeiten zu einem Biopic über sich selbst kennen. Sie spielt seine Ehefrau Elaine. Die beiden werden auch hinter der Kamera ein Liebespaar - was einigen Widerstand in den rassistisch geprägten USA heraufbeschwört. Beflügelt durch diese leidenschaftliche Liebe und ihren bedingungslosen Glauben an ihn, gelingt ihm das Comeback. Der Preis ist allerdings hoch...

Der schmale Grat

"Born to Be Blue" wirft medizinisch wohl eindeutige, moralisch aber etwas kompliziertere Fragen auf: Ist Kunst ohne Drogen möglich? Wie viel Droge braucht ein Genie wie Chet Baker? Welchen Anteil an seiner kreativen Leistung ist der Droge zuzuschreiben? Beantwortet werden sie nicht. "Ich weiß nicht, was schlimmer ist: ein gar nicht mehr spielender oder ein mittelmäßiger Chet?", zeigt den schmalen Grat an, auf dem jene Künstler mit Drogenproblem stets wandelten.

Das unterscheidet den Streifen auch ganz klar von einem anderen Musikerfilm, an den der Baker-Film immer mal wieder erinnert: das Johnny-Cash-Biopic "Walk the Line" (2005). Beide Filme erzählen von großen Künstlern mit massivem Drogenproblem, die zeitliche Ansiedlung ist ähnlich, beides sind zudem große Lovestorys, der Vater-Sohn-Konflikt... Während die Cash-Botschaft aber "drogenfrei ist machbar und besser" heißt, ist es bei "Born to Be Blue" keinesfalls so eindeutig.

Einfach nur zu verurteilen, ist der Drogenkonsum des Chet Baker jedenfalls nicht. Denn die große Angst, die Unsicherheit, der immense Druck bei all der sensiblen Zartheit des legendären Künstlers - und Miles-Davis-Konkurrenten - vor seinem großen Auftritt verkörpert Ethan Hawke nur allzu glaubhaft.

Der Plattenboss

Spannend und durchaus subtil erzählt ist auch die Rolle des erfolgreichen Plattenbosses Richard "Dick" Bock (Callum Keith Rennie) beim Auf und Ab des Musikers. Er lässt Baker fallen und gibt so simple wie gleichermaßen schwere Ratschläge à la "Werde clean!", "Bleib clean!" oder dergleichen. Doch Dick gibt ihm auch die alles entscheidende Chance. Kurz vor dem großen Triumph freut er sich mit Baker: "Versuch mal, länger als zehn Sekunden glücklich zu sein!"

Dann kommt der große Auftritt und Baker ist zu einem von Selbstzweifeln geplagten Häufchen Elend zusammengefallen. Als Dick ihn jedoch kurz vor dem Konzert mit Heroin vor sich erwischt, nimmt er es ihm nicht etwa weg. Am Ende eines eindringlichen Dialogs sagt Dick: "Deine Entscheidung" - und lässt Baker in der Garderobe allein - mit dem unbenutzten Spritzbesteck. Chet Baker geht auf die Bühne und spielt. Dann endlich zeigt die Kamera das Spritzbesteck...

Lohnt sich die Kinokarte?

Für Chet-Baker-Fans, Jazz-Fans und Freunde dramatischer Künstlerbiografien dürfte "Born to Be Blue" ein echtes Kino-Highlight sein. Streckenweise erinnert der Film an "Walk the Line", den Film über Johnny Cash (Joaquin Phoenix). Doch Bakers Story ist bedrückender, dunkler - zugleich aber auch eine Liebeserklärung an einen großen Künstler.

Foto(s): Alamode Film, Alamode Film, Alamode Film, Alamode Film