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„Glück” – Eine tragisch schöne Liebesgeschichte mit Überraschungseffekt

Worum es geht
Einsam unter vielen. Kalle (Vinzenz Kiefer) und Irina (Alba Rohrwacher) sind allein in der großen Stadt: Irinas Heimatland ist vom Krieg überschattet. Von einem Krieg, der das Leben ihrer Eltern gekostet hat. Traumatisiert flüchtet sie nach Berlin, verdient ihr Geld mit Prostitution. Den psychischen Schmerz mindert sie, in dem sie sich selbst körperlich verletzt. Dann lernt sie auf der Straße Kalle kennen. Zaghaft nähern sich die beiden Gestrandeten, die ihren Platz in der Gesellschaft, vom Glück verlassen, nicht finden können, an. Zusammen aber scheinen Kalle und Irina die Liebe am Leben zurück zu gewinnen. Sie scheinen glücklich in ihrer kleinen gemeinsamen Welt. Doch dieses kurzfristige Glück droht schon bald wieder zu platzen: Als eines Tages ein Freier (Oliver Nägele) tot in der gemeinsamen Wohnung zusammenbricht, flüchtet Irina völlig aufgelöst aus den vier Wänden. Kalle kommt nichtsahnend nach Hause, entdeckt die Leiche und beschließt, das Glück nicht wieder davon ziehen zu lassen, auch wenn das ungewöhnliche Maßnahmen erforderlich macht…

Kurzgeschichte als Kinofilm
„Glück" basiert auf einer Erzählung von Ferdinand von Schirach aus seinem schriftstellerischem Debüt „Verbrechen" und wurde von der deutschen Regisseurin Doris Dörrie als Kinofilm umgesetzt. Ein Kinofilm mit ganz eigenem Charme. Anfangs ist der Streifen — wie bereits der Inhalt erahnen lässt — eine tragisch schöne Liebesgeschichte. Das zaghafte Annähern zweier Menschen, die vom Glück verlassen wurden und das Schöne im Leben scheinbar verloren haben. Mit tollen Bildern, fantastischen Kameraeinstellungen und dem Abbilden einfacher Dinge, wie beispielsweise auf einem Spielplatz schaukeln oder gemeinsam essen, wird die sich langsam entwickelnde Liebe verdeutlicht. Die Bilder wirken oft stark konstruiert, sind aber so schön, dass sie buchstäblich glücklich machen. Sie erinnern uns daran, dass das Glück zum Greifen nah ist. Manchmal reicht schon ein Blick in den Himmel, um sich glücklich zu fühlen.

Wie „In China essen sie Hunde"
Im zweiten Teil des Films wird verdeutlicht, wie schnell das Glück bedroht sein kann. Ein „Zur-falschen-Zeit-am-falschen-Ort"-Moment reicht aus, um alles zu Fall zu bringen. Kalle will diese Bedrohung abwenden. Um jeden Preis möchte er den Ist-Zustand, die Beziehung zu Irina, bewahren. Dafür bringt er große Opfer. Was das ist, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel: „Glück" macht an dieser Stelle eine krasse Wendung. Es fühlt sich plötzlich an, als würde man einen ganz anderen Film schauen. Dieser Überraschung-Effekt begeistert und ist gelungen inszeniert. Aus dem tragisch schönen Liebesfilm wird eine schwarze Komödie, bei der ich mir oft nicht sicher war, ob ich lachen oder besser wegschauen sollte. Aber bei so viel „In China essen sie Hunde"-Charme, muss man einfach laut jubeln. Ein Gefühlsausbruch, bei dem auch ein wenig Ekel mitschwingt.

„Manchmal wäre ich gern ein bisschen naiver" — Exklusives Interview mit „Glück"-Darsteller Vinzenz Kiefer

Was ist eigentlich Glück?
„Glück" ist - ich kann es nicht anders sagen - ein besonderer Film. Besonders, wegen seiner Vielfältigkeit, dem Genre-Sprung und den traumhaft inszenierten Naturbildern. Ein Porträt eines Paares, das in einer Höher-Schneller-Besser-Welt mit so wenig, doch so glücklich sein kann — das schaut man sich gern an. Ein Film, der dazu beiträgt, über seine eigenen Ansprüche nachzudenken und uns lehrt: Zusammen ein Honigbrot essen ist tausend Mal schöner, als ein gemeinsamer Restaurantbesuch.

Berlinale 2012 — Doris Dörrie kritisiert Filmauswahl