Von Mond-Nazis und anderen Extremen: Julia Dietze im exklusiven Interview zu “Iron Sky”

Zombie, Nutte oder Nazi-Braut — für keine dieser Rollen ist sich die zarte Blondine zu schade. Sie liebt die Abwechslung und findet: „Lieber spiele ich in einem Film mit der polarisiert, als in einem, der langweilt". Mit Yahoo! Kino hat sie sich über ihren neuen Film und ihr bewegtes Leben unterhalten. Und, warum sie jederzeit wieder Burger-Werbung machen würde.

'Wie verrückt ist das denn?' - Julia Dietze als Nazi auf dem Mond (Bild: ironsky.net)
'Wie verrückt ist das denn?' - Julia Dietze als Nazi auf dem Mond (Bild: ironsky.net)

Dein neuer Film „Iron Sky" handelt von Nazis im Weltall — wie bist du dazu gekommen in dieser Produktion mitzuspielen?
Ganz, ganz klassisch! Der Caster hat mich angerufen. Er meinte: „Ich habe ein Wahnsinnsdrehbuch über Mond-Nazis". Das war 3 oder 4 Jahre vor dem Dreh. Meine Rolle war damals sogar noch lesbisch! Ich bin zum Casting gegangen und habe die Rolle bekommen.

Was hast du gedacht, als du das Drehbuch gelesen hast?
Ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen — was ja ein gutes Zeichen ist. Klar hab ich gedacht: „Wie verrückt ist das denn?" Und am Anfang hatte ich natürlich auch moralische Bedenken. Die Skrupel sind aber ganz schnell verflogen, weil die Geschichte mich überzeugt hat und der Film ganz klar gegen den Nationalsozialismus und seine Gedankenrichtung ist.

Wie sehr geht dir die Frage „Ist das überhaupt erlaubt — darf man sich über Nazis lustig machen?" auf die Nerven?
Das werde ich natürlich in jedem Interview gefragt. Humor kann ein Mittel sein zu zeigen, wie absurd das Ganze ist — dann ist er eine starke Waffe! Dieser Waffe hat sich damals auch schon Charly Chaplin bedient. Allerdings haben wir ganz absichtlich die Themen Antisemitismus und Holocaust aus dem Film ausgespart, ich finde, das gehört absolut nicht in eine Komödie. Wenn, dann dürften das nur jüdische Filmemacher erzählen.

Hast du Angst gehabt, die falschen Fans anzusprechen?
Nein. Die müssten taub und blind sein, um unseren Film falsch aufzufassen. Der Film ist ganz klar gegen Nazis.

Hast du zwischendurch Angst gehabt, dass der Film später total verrissen wird?
Es gab mal einen Moment: Da habe ich einen amerikanischen Produzenten in Cannes während der Filmfestspiele kennengelernt. Ich dachte, der könnte uns das fehlende Budget stemmen. Ich wollte ihn überzeugen, dass er bei Iron Sky miteinsteigt. Der hat die Message nicht ganz verstanden und danach hatte ich wirklich Bedenken, dass sich die jüdische Gemeinde auf die Füße getreten fühlt. Im Nachhinein war Israel eines der ersten Länder, die den Film gekauft hat. Das war für mich persönlich das schönste Kompliment. Große jüdische Filmemacher haben uns zu unserem Erfolg gratuliert. Gott sei Dank! Generell finde ich: Lieber spiele ich in einem Film, der polarisiert, als in einem, der langweilig und nett ist.

First Look - Die ersten Bilder aus kommenden Kinofilmen

Die amerikanische Präsidentin in „Iron Sky" sieht Sarah Palin zum Verwechseln ähnlich. Wie war die Reaktion auf den Film und das Palin-Look-alike in Amerika?
Ich war gerade in Texas auf dem SXSW-Filmfestival. Fans haben sich um die Kinokarten gestritten, die Reaktionen aus dem Publikum waren grandios, es gab so viele schöne Komplimente und die Leute haben sich sehr amüsiert. Wir zerbomben sogar die Freiheitsstatue — und das mit Nazi-Ufos! Die Amerikaner feiern den Film trotzdem. Ich wurde sogar gefragt: „Was wäre schlimmer: eine Invasion der Nazis oder wenn Sarah Palin Präsidentin würde?"

Wie kommt der Film an?
Wir haben ihn in die halbe Welt verkauft. CNN und BBC sind sogar so weit gegangen, unsere Premiere während der Berlinale als historischen Moment zu sehen, weil Deutschland endlich über seine Geschichte lachen kann. Dabei hatten wir das überhaupt nicht geplant, wir wollten nur einen schönen, trashigen Film drehen. In der Presse gab es in allen Ländern unterschiedliche Reaktionen, viele davon sehr positiv — auch in Deutschland wurden wir bereits vom Spiegel als Kultfilm gelobt.

Was denkst du, können deine Großeltern über diesen Film auch lachen?
Ich kann leider nur spekulieren, weil meine Großeltern nicht mehr leben. Ich habe mal einen schönen Spruch gehört: Tragik + Zeit = Komik. Es ist eine schwierige Frage, ich bin mir nicht sicher, ob Menschen jenseits der 70 über dieses Thema generell lachen können. Ich denke, dass der Film mit seinem doch sehr düsteren Humor wahrscheinlich eher jüngere Leute anspricht.

Der Film wurde teilweise durch „Crowd-Funding" finanziert. Hättest du gedacht, dass das funktioniert?
Ja, sofort! Weil wir sehr schnell eine riesige Fangemeinde hatten. Es schreiben mir jetzt noch ganz viele Fans, die Jahre auf den Film gewartet haben. Ich glaube, es ist durchaus ein Zukunftsmodell.

Wie ist das, wenn man 4 Jahre auf eine Rolle wartet?
Ich habe sogar mehrere Kinoprojekte abgesagt, weil ich dachte, Iron Sky würde gedreht werden. Die Rolle habe ich 4 Jahre mit mir rumgetragen und eigentlich immer noch nicht abgelegt! (lacht) Irgendwie habe ich die Filmfigur aber auch echt liebgewonnen, weil sie sich so wandelt und eine absolute Heldenreise durchlebt.

Brauchst Du einen Ausgleich, um dich wieder im Alltag einzufinden?
Ja, das brauche ich schon. Musik und Tanzen bringen mich wieder runter, weil es so körperlich ist. Für einen Film, indem ich einen Zombie gespielt habe, habe ich mir ganz viele Horrorfilme angesehen und wurde anschließend völlig paranoid. Ich dachte, ich wäre nicht mehr alleine in meiner Wohnung. Ich hatte jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich gespielt habe. Danach war ich froh, dass ich die Rolle abgelegt hatte. Klar, es ist nur fiktiv, aber auch Bruno Ganz sagt, er würde nicht nochmal Hitler spielen.

Welche Strategien gibt es denn, um Rollen abzulegen?
Ich habe einen Schauspielcoach, den ich nach dem Dreh des Horrorfilms kennengelernt habe, gefragt, was man da machen kann. Sie meinte, man müsste sich einfach technischer vorbereiten. Ich bin immer durch Meditation in eine Rolle reingegangen, da öffnet man sich zu sehr für Energien, die einem nicht unbedingt gut tun, siehe Heath Ledger als „Joker".

Geht dann nicht das Gefühl verloren?
Klar, das ist auf jeden Fall die Gefahr. Aber man entwickelt sich ja auch weiter als Schauspielerin.

Weißt du, wo du in Zukunft hin möchtest?
Jetzt spiele ich erst mal eine debile Prostituierte, gemeinsam in einem Film mit Christoph Maria Herbst. Ich mag krasse Charaktere und emotionales Kino. Und ich würde gerne mehr internationale Filme drehen. Am liebsten möchte ich spannende, aufwühlende Kinofilme drehen und nicht nur auf ein Genre festgelegt werden. Wobei wir auch hier zulande sehr starke Regisseure haben wie Lars Becker, Fatih Akin, Christian Schwochow oder Dennis Gansel.

Nur Kinofilme, oder auch Werbung?
Na mit Werbung kann man gut Engagements in Low-Budget-Kinofilmen finanzieren (lacht). Durch meine Burger-Werbung konnte ich anschließend vier No-Budget-Filme drehen.

Würdest du es wieder tun?
Sofort!

Wie viele Leute haben dich nach der Fastfood-Werbung nach deiner Handynummer gefragt?
Tausend Mal wurde mir im Club von irgendeinem Typen ein Euro hingehalten — ein Running Gag über Jahre! Auch in den Filialen selber, das war eigentlich sehr witzig.

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