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„Festival des deutschen Films” in Ludwigshafen: Von Containerschiffe und Geistergeschichten

Ludwigshafen am Rhein ist auf den ersten Blick wirklich keine schöne Stadt. Es riecht nach Chemie und in der Fußgängerzone reiht sich ein 99-Cent Laden an den anderen, bis ein verwaistes Einkaufszentrum am Ende die Tristesse noch einmal auf den Punkt bringt. Dann aber kommt der Rhein und nur ein fußläufiges Stückchen weiter die Parkinsel, wo auch die Villen der BASF-Vorstände stehen. Die BASF ist dann natürlich auch der Hauptsponsor des "Festivals des deutschen Films".

Das "Festival des deutschen Films" am Rhein in Ludwigshafen (Bild: Festival des deutschen Films/Norbert Bach/Ben Pakalski)
Das "Festival des deutschen Films" am Rhein in Ludwigshafen (Bild: Festival des deutschen Films/Norbert Bach/Ben Pakalski)

Die Insel schmiegt sich lieblich in den Strom, auf dem containerbeladene Binnenschiffe vorüberziehen. Und als wäre das nicht schon Kino genug, lockt dort immer in der zweiten Junihälfte ein Filmfestival: Das „Festival des deutschen Films". In diesem Jahr kamen 50.000 Besucher, es ist also kein kleines Festival mehr. Von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde es zu einem der sieben schönsten Sommerfestivals Europas gewählt — in Cannes hat es 2012 schließlich nur geregnet.

Alexander Fehling im Wettbewerbsbeitrag "Der Fluss war einst ein Mensch" (Bild: Jakub Bejnarowicz)
Alexander Fehling im Wettbewerbsbeitrag "Der Fluss war einst ein Mensch" (Bild: Jakub Bejnarowicz)

Von Cannes, der Berlinale und den anderen, so genannten A-Festivals unterscheidet sich Ludwigshafen natürlich nicht nur durch das meist schöne Wetter. Es ist auch ein Festival für das Publikum und nicht nur für die Branche, will deshalb aber trotzdem nicht auf eine anspruchsvolle Filmauswahl verzichten. Auf Welt- oder Deutschlandpremieren ist man in Ludwigshafen nicht angewiesen. Manchmal hatten die Filme vorher sogar schon einen kleinen Kinostart — was aber auch nur bedeutet, dass sie später auf dem Festival oft mehr Zuschauer haben, als vorher deutschlandweit in den wenigen Städten und Kinos, in denen sie liefen.

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Der Gewinner des Filmkunstpreises 2012 "Für Elise" (Bild: Festival des deutschen Films)
Der Gewinner des Filmkunstpreises 2012 "Für Elise" (Bild: Festival des deutschen Films)

Zu sehen ist die Jahresauslese deutscher Kinokunst, Ludwigshafen ist eine Art Best-Of-Festival — wenn man von einzelnen Ausreißern Mal absieht: So etwa von den Fernsehfilmen im Wettbewerb, zum Beispiel „Bella Block — Unter den Linden". Das geht eigentlich gar nicht — auch wenn dann Hannelore Hoger kommt.

Ansonsten aber sind in den zwei großen Zeltkinos echte Perlen zu sehen: „Der Fluss war einst ein Mensch" von Jan Zabeil zum Beispiel. Der Regisseur reiste mit dem deutschen Jung-Schauspielstar Alexander Fehling drei Monate durch ein Flussdelta in Botswana. Der Protagonist spielt einen Schauspieler, der sich verliert, in der Wildnis nach afrikanischen Mythen und Legenden sucht, die wie die Nebel über dem Wasser immer dichter werden.

In Deutschland startet der Film Ende August. Auch in Mexiko wird er ins Kino kommen — dort wurde Zabeils filmische Meditation auf Festivals als Geistergeschichte gefeiert. Der Tonmann von „Der Fluss war einst ein Mensch" Uwe Bossenz wurde bei der Preisverleihung von der Jury (die F.A.Z.-Redakteurin Verena Lueken und der Verleiher Torsten Frehse) mit einer besonderen Auszeichnung gewürdigt.

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Eine Familiengeschichte erzählt Wolfgang Dinslage in „Für Elise", die einzige Weltpremiere des Festivals. Mutter und Tochter stehen im Mittelpunkt, in Hassliebe sind sie sich verbunden. Die Tochter wird gerade erwachsen, während die Mutter sich fröhlich mit jugendlichen Liebhabern betrinkt. Konkurrenz, Druck in der Schule, soziales Abseits, Alkoholismus, Liebe zur Musik — es wird mit harten Bandagen gekämpft in „Für Elise" und trotzdem ist ein anrührender Film gelungen. Ausgezeichnet wurde diese Leistung „jenseits von Klischees" mit dem Drehbuchpreis für die Autorin Erzsébet Rácz und dem mit 50.000 Euro dotierten Filmkunstpreis, den sich nun die Regie und die Produktion teilen dürfen. Auch wenn Dinslage im Gespräch nach der Preisverleihung betonte, dass 90 Prozent seines Anteils an seine Frau gingen.

Der außergewöhnliche Dokumentarfilm "Work Hard - Play Hard" (Bild: Festival des deutschen Films)
Der außergewöhnliche Dokumentarfilm "Work Hard - Play Hard" (Bild: Festival des deutschen Films)

Der außergewöhnliche Dokumentarfilm „Work Hard — Play Hard" lief in der Nebenreihe „Lichtblicke". Hier beleuchtet Carmen Losmann in kühlen Bildern die Grausamkeiten schöner, neuer Arbeitswelten: Fassaden aus Glas und Stahl treffen auf Wortkaskaden aus Anglizismen, in denen der Mensch zum Material wird. Den Publikumspreis des Festivals teilten sich „Blaubeerblau" von Rainer Kaufmann und „Schuld sind immer die Anderen" von Lars-Gunnar Lotz.

Sandra Hüller holt sich den Preis für Schauspielkunst ab (Bild: Festival des deutschen Films/Ben Pakalski www.pakalski.de)
Sandra Hüller holt sich den Preis für Schauspielkunst ab (Bild: Festival des deutschen Films/Ben Pakalski www.pakalski.de)

Ein Filmfestival wäre kein Filmfestival ohne roten Teppich. In Ludwigshafen liegt er recht malerisch unter alten Platanen. Beliebtes Fotomotiv war er besonders, als der Preis für Schauspielkunst vergeben wurde: Einmal an den 71-jährigen Schauspieler Otto Sander, der sich ebenso kalauernd präsentierte wie in seiner Komödie „Bis zum Horizont, dann links!" und einmal an die junge Schauspielerin Sandra Hüller („Requiem"), die glamourös im nudefarbenen Babydoll erschien. Vielen Gästen allerdings sind die Stars auf dem Teppich ganz egal. Sie sitzen in Liegestühlen am Flussufer und blicken auf den Rhein. Gerade fährt ein Schiff vorbei, die Wellen schlagen ans Ufer. Wenn man die Augen schließt, hört es sich an wie das Meer.

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