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Auf Schalke hilft selbst kein Beten mehr!

Auf Schalke hilft selbst kein Beten mehr!

So schlecht wie heute ging es dem FC Schalke 04 noch nie? Weit gefehlt, wie ein Blick zurück in den November vor zweiunddreißig Jahren eindrücklich und durchaus unterhaltsam zeigt.

Doch zuerst noch ein Schlenker in die Winterpause der Spielzeit 1987/88. Damals hatte das lustige Schalker Betreuer-Original Charly Neumann bereits Muffensausen, was den Klassenerhalt anging: "Ich muss für Schalke beten. Ich bin ein gläubiger Christ. Trainer und Mannschaft haben alles getan in der Vorbereitung. Jetzt muss uns auch der liebe Gott helfen." Doch der Fußball-Gott war in dieser Saison wahrlich kein Schalker. Sang- und klanglos stieg man als Tabellenletzter ab.

Doch was damals niemand ahnen konnte: Mit dem Abstieg aus der ersten Bundesliga begann das große Chaos bei den Königsblauen erst. Schalkes Urgestein Oskar Siebert hatte sich im Februar 1987 noch einmal zum Präsidenten des Vereins wählen lassen, obwohl sein Lebensmittelpunkt mittlerweile auf Gran Canaria war. Die Wahl fand damals im "Sportparadies", einem Freizeitzentrum in Gelsenkirchen, statt.

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Siebert will "Schalke zu neuer Blüte verhelfen"

Kurz darauf sagte Siebert: "Ich werde Schalke zu neuer Blüte verhelfen. Und wenn man mich trotzdem absolut nicht mehr haben will, dann kehre ich ins Paradies zurück. Allerdings nicht ins Sportparadies, sondern in mein Paradies in Porto Rico." Und genau diese "Flucht" auf die schöne Insel Gran Canaria musste er schließlich nach dem Katastrophen-Abstieg im September 1988 antreten.

Wer glaubte, jetzt würde es auf Schalke endlich wieder ruhiger werden, der kennt den Verein offensichtlich nur schlecht. Am 21. November 1988 sollten sich die Königsblauen schließlich endgültig selbst übertreffen. In der gesamten Halle gab es während der Mitgliederversammlung ausschließlich alkoholfreies Bier. Kein Schluck Fuselwasser weit und breit.

Eine sehr sachliche, fast nüchterne Atmosphäre auf der Jahreshauptversammlung war die Folge. Keine Streitereien, keine schmutzige Wäsche, keine lustigen Szenen für die versammelte Presse. Am Ende des Abends war "Mister Unbekannt", ein gewisser Michael Zylka ("Da habe ich gedacht, gehst du einfach mal hin und stellst dich vor"), der neue Präsident eines der größten Vereine Europas.

Schalke-Präsident Zylka tritt nach 72 Stunden zurück

Und weil alles so "Heintje-heile-Welt-mäßig" harmonisch war an diesem Abend, machte Zylka seinen unterlegenen Gegenkandidaten und dessen Kollegen gleich noch eben schnell zu seinen Stellvertretern. Schalke war auf dem besten Wege, zu einem grundsoliden Verein zu werden.

Doch schon drei Tage später kam die "Rettung" für den Skandalklub. Michael Zylka legte nach rekordverdächtigen 72 Stunden im Amt seine Position als Präsident des FC Schalke 04 nieder. Zylka, der sich auf der Jahreshauptversammlung als Betriebswirt vorgestellt hatte, war tatsächlich Berufssoldat und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums im sogenannten sicherheitsrelevanten Bereich.

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Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die alarmierte Boulevardpresse. Sie nannte den Präsidenten fortan süffisant einen "Geheimdienstler" und fragte sich amüsiert, ob der neue prominente Posten beim FC Schalke 04 eine wirklich so geglückte Tarnung im Kalten Krieg sei.

Das hieß Neuwahlen. Die Stunde einer ganzen Armee von Kandidaten war gekommen. Wer zwei Beine und einen gültigen Ausweis hatte, fühlte sich berufen, bei der Jahreshauptversammlung anzutreten. Rentner Hans Bitzkowski hatte sein Sparschwein zerlegt und wollte dem Verein eine viertel Million Mark schenken - "also 250.000", wie er für die weniger mathematikbewanderten Schalker erklärte -, allerdings nur dann, wenn er auch tatsächlich gewählt würde.

Büttenredner Koslowsky sorgt für Unterhaltung

Aber außer Kohle hatte der gute Mann anscheinend nicht viel zu bieten. Anders der eloquente Büttenredner Dieter Koslowsky (hieß tatsächlich so). Der Jungspund und Brillenträger haute bei der Vorstellung seines Wahlprogramms eine Pointe nach der nächsten raus.

Der absolute Brüller in seinem Repertoire war der Witz, als er einmal vom beliebten Schalker Unikum Charly Neumann gefragt wurde, ob er denn den Unterschied zwischen dem Schalker Verwaltungsrat und einer Waschmaschine kenne. Koslowsky tat natürlich um des guten Witzes willen so, als ob er das nicht wüsste. Und darüber freute sich Charly wiederum ganz doll, denn so konnte er die Pointe des Scherzes selbst erzählen: "Eine Waschmaschine kann man entkalken!"

Am Ende des wieder einmal herrlich komischen Spektakels hatten sich die Mitglieder auf den Besitzer mehrerer Krampfadernkliniken als neuen Präsidenten geeinigt. Der spätere "Sonnenkönig" Günter Eichberg hatte die Schalker Gemächer und die Herzen der Anwesenden im Sturm erobert. Noch ahnte schließlich niemand, welch ereignisreiche Zeiten den Königsblauen bevorstanden. Doch dazu mehr in der nächsten Folge von "Best-of-Bundesliga"!

Ben Redelings wurde 1975 im Flutlichtschatten des Bochumer Ruhrstadions geboren und ist Experte für die unterhaltsamen Momente des Fußballs. Sein aktuelles Werk "Das neue Buch der Fußballsprüche" verkauft sich sprichwörtlich wie das gut gekühlte Stadionbier. Als SPORT1-Kolumnist schreibt Ben regelmäßig über die "Legenden des Fußballs" und "Best of Bundesliga".

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