"Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise der Geschichte der Bundesrepublik"

In der vergangenen Ausgabe der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" sprach die IHK-Präsidentin Nicole Grünewald über die verheerende wirtschaftliche Lage der Veranstaltungsbranche und forderte weitere Erleichterungen.

"Masken, Tests und neue Strafen - was nützen die Corona-Regeln?": Das war das Thema der vergangenen Ausgabe der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" am Donnerstag. Zu Gast waren unter anderem die Virologin Melanie Brinkmann von der Universität Braunschweig, Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx und Nicole Grünewald, Präsidentin der IHK Köln.

"Erst fehlten die Masken, jetzt fehlen die Reagenzien. Müssen die Bürger jetzt mit Masken und einer gesteigerten Vorsicht wegtragen, was die Politik zwischenzeitlich versäumt?", wollte Moderatorin Maybrit Illner im Verlauf ihrer Sendung wissen. Es sei schwierig auszumachen, wer die größere Last trägt, erklärte Alena Buyx. Sie betonte: "Wir müssen aus allen Zylindern feuern." Die Bürger müssten ihre Verantwortung wahrnehmen, "sonst funktioniert das sowieso alles nicht", erklärte die 42-Jährige weiter.

Gleichzeitig müssten aber auch die vorhandenen Mittel und Maßnahmen unterstützt werden: "Ich finde zum Beispiel die Schnelltests extrem wichtig. Das ist in meinen Augen eine dieser Exit-Strategien", so Buyx, "denn sonst sieht das alles sehr freudlos aus mit den Konzerten und mit den Partys und mit den Feiern." Die Bürger erwarte ohnehin "ein Winter der Entsagung". Natürlich seien die derzeitigen Maßnahmen gut, allerdings müsse die Politik auch einen Blick in die Zukunft werfen. Buyx verwies auf das Konzert mit Tim Benzko vergangene Woche in Leipzig. Dieses sei als "wissenschaftliches Experiment" genutzt worden, um zu schauen, was da eigentlich passiert. Wenn man daraus lerne, sei das in ihren Augen eine gute Möglichkeit, um weitere Freiheiten zuzulassen. Politik und Bürger müssten mehr ineinandergreifen.

"Das würde die Wirtschaft in Deutschland um Jahrzehnte zurückwerfen"

"Es gibt tatsächlich Voraussetzungen, unter denen ich mich in so ein Konzert setzen würde", erklärte auch die Virologin Melanie Brinkmann. Die Liste der Voraussetzungen sei für sie aber lang. Nun seien Großveranstaltungen ja aber nicht nur ein Vergnügen, sondern sorgten auch für Milliarden Umsätze, lenkte Illner ein. "Was bedeutet es für ihre Mitglieder, für die Firmen in und um Köln, jetzt unter anderem auf Großveranstaltungen zu verzichten?": Diese Frage stellte sie an Nicole Grünewald von der IHK Köln.

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"Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise der Geschichte der Bundesrepublik", erklärte Grünewald, und weiter: "Es gibt ganze Branchen, die komplett am Boden liegen." Das betreffe die Veranstaltungsbranche, die Schausteller und die Kultur- und Kreativwirtschaft. Es seien "unheimlich viele Unternehmen", welche seit März keinen Umsatz mehr machten, betont sie. "Die haben im Moment keine Perspektive." In ihren Augen sei es "ganz, ganz wichtig", einen weiteren flächendeckenden Lockdown zu verhindern. "Das würde die Wirtschaft in Deutschland um Jahrzehnte zurückwerfen", so Grünewald.

Bereits jetzt sprächen Konjunkturprognosen von zehnprozentigen Wirtschaftseinbußen. "Das gab es noch nie", meint die 47-Jährige. Mögliche Konsequenzen könne man jetzt noch gar nicht abschätzen. Sie betont: "Wir füttern diese Branche zwar mit Soforthilfen und Krediten, aber auch das wird sich nicht endlos so weiterführen lassen."

Düstere Aussichten für den Karneval

Mit Blick auf den Karneval beschreibt Grünewald die Stimmung als "sehr, sehr schlecht". In Köln sei dieser immerhin einer der größten Wirtschaftsfaktoren. Eine Absage, wie sie 2021 droht, habe es noch nie gegeben. Umso mehr appelliere sie nun an die Bürger, die derzeit unbedarft "feiern gehen": Sie gönne den Gastronomen zwar ihren Umsatz, aber man solle die wirtschaftliche Lage im Hinterkopf behalten und verantwortungsbewusst handeln.

An die Politik hatte Grünewald ebenfalls eine Botschaft: "So viele Bürokratien runterzuschrauben, wie geht. So viele Lockerungen zu erlauben, wie es zu verantworten ist. Und es vor allem bundesweit einheitlich zu regeln." Die neu beschlossenen einheitlicheren Regeln könnten ebenfalls bei der Planung helfen.

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