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Bayerns begnadigte Rückkehrer

Bayerns begnadigte Rückkehrer

Die Lastminute-Transfers der Bayern regen zu Diskussionen an. Weltstars haben sie nicht bekommen, wohlige Phantasien lösen die fünf Neuen nicht aus beim Anhang. Wohl aber starke Verwunderung, besonders im Fall Douglas Costa. Denn der war als einziger schon mal dagewesen und wurde von Uli Hoeneß 2017 als "Söldner, der uns charakterlich nicht gefallen hat", verabschiedet. Nun ist Hoeneß nur noch Ehrenpräsident und alles scheint vergessen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Bayern Sorgenkinder wiederholen. Eine Übersicht.

Paul Breitner

Er war einer von sieben Weltmeistern im Kader der Bayern. Sechs blieben nach dem Triumph von 1974, nur "der Paule" nicht. Damit traf er den Verein unvorbereitet, aber das war ihm wurscht. Auf das Mannschaftsfoto hatte er sich noch in einem roten Freizeitshirt gestellt, um etwas Nähe zu suggerieren, aber im Hintergrund lief schon der Transfer zu Real Madrid. Sie hielten den Reisenden nicht, denn die Bayern bekamen so viel Geld wie nie (drei Millionen DM) und einen gut gemeinten Rat mit bösem Zungenschlag gratis dazu: "Die Bayern sind satt und brauchen vom Zeugwart bis zum Schuhputzer eine neue Motivation."

Präsident Wilhelm Neudecker und einige Spieler waren froh, den Quertreiber endlich los zu sein, doch leider hatte er Recht – Bayern stürzte in eine Krise, Meister wurden nun andere. Weshalb sie Breitner, über Real 1977 in Braunschweig gelandet, auf Betreiben seines Spezis Uli Hoeneß 1978/79 für 1,95 Millionen DM zurückholten. Dass er nach seinem Gastspiel im Olympiastadion mit der Eintracht im Herbst 1977 noch einen Kübel Gift auf die Bayern-Fans geschüttet hatte? Egal. "Ich bedauere es, für diese Leute vier Jahre lang gespielt zu haben“, hatte er nach einem 90minütigen Pfeifkonzert gesagt – und hängte bald danach noch fünf Jahre dran.

Es lohnte sich. Natürlich machte er wieder Ärger. Er erlöste die Mannschaft vom exzentrischen Trainer Gyula Lorant, der im Machtkampf gegen ihn keine Chance hatte, und führte den Verein nach sechs Jahren wieder zur Meisterschaft, 1981 wurde sie verteidigt, 1982 kam der Pokal dazu. Es war die "Breitnigge"-Zeit, die Weltstars Breitner und Rummenigge regierten Verein und Nationalmannschaft.

Ein Happy End gab es dennoch nicht, nach seiner letzten, verkorksten, Saison 1982/83 entlud sich Breitners Frust ausgerechnet an Managerfreund Hoeneß, den er auf einer Asienreise in der Kabine runterputzte. Der Paule halt. Jahrelang herrschte Eiszeit. Sie versöhnten und schlugen sich noch ein paarmal, 2013 lief er in Ritterrüstung beim Champions League-Finale in Wembley als Bayern-Repräsentant ein. 2018 zerriss er Hoeneß und Rummenigge für ihre merkwürdige Grundgesetz-PK und verspielte jeden Kredit. Derzeitiger Beziehungsstatus Breitner-Verein: frostig. Aber noch nicht das letzte Wort.

Lothar Matthäus

Nicht im Krach, aber doch mit einem Gefühl der Enttäuschung trennten sich die Bayern 1988 von Lothar Matthäus. In seinem vierten Jahr war der Vize-Weltmeister von 1986 hinter den Erwartungen zurück geblieben und alte Wunden im Verhältnis zu Jupp Heynckes, der schon in Mönchengladbach sein Trainer gewesen war, rissen wieder auf. Dass Lothar Heynckes‘ rheinischen Dialekt nachmachte, um ihn zu veräppeln, war nur ein Punkt. Vor allem versagte er in jener Karrierephase häufig in wichtigen Spielen, was auch Heynckes verärgerte. "Lothar jetzt ein rotes Tuch für Jupp", titelte die Münchner tz am 2. Mai 1988. Nach seinem letzten Spiel, das er mit zwei Toren gegen Stuttgart (2:1) quasi allein entschied, sagte Abwehrchef Klaus Augenthaler: "Wenn einige immer so gespielt hätten wie heute, bräuchten wir keine neuen Leute mehr. Ich denke da besonders an Lothar. Wenn der in dieser Saison nur teilweise so aufgetrumpft hätte wie heute, stünden wir jetzt anders da." So standen sie 1988 ohne Titel da – die Höchststrafe für die Bayern.

Im September 1992 holten sie ihn zurück, Heynckes war ja längst weg. Nun war er Weltmeisterkapitän und Weltfußballer. Bei Inter nach einer Operation auf dem Abstellgleis gelandet, kämpfte vor allem Vize Franz Beckenbauer für seine Rückkehr. Er kam, sah gut aus (gelbes Sakko bei der Vorstellung) und siegte mehr als er verlor. Acht Jahre blieb Matthäus noch in München, in sechs davon gab es irgendeinen Titel und in jedem Ärger. Sein persönlicher Disput mit Jürgen Klinsmann trieb diesen nach zwei Jahren aus dem Verein, sein Saisontagebuch 1996/97, auszugsweise in BILD zu lesen, kostete ihn viel Kredit im Team. "Kranken Menschen muss man helfen", sagte Thomas Helmer weniger hilfreich.

Die Spannungen waren so groß, dass Matthäus in einem Spiel zur Pause die Spielführerbinde in der Kabine ließ, weil er nicht mehr Kapitän dieser Mannschaft sein wollte. Und im Training bekam er gar eine Watsch’n von Bixente Lizarazu. Auch mit der Führung gab es Ärger wegen der Abrechnung seines Abschiedsspiels. Matthäus klagte und Hoeneß versprach im DSF (heute SPORT1), dass er "nicht mal Greenkeeper beim FC Bayern" werde, solange er und Rummenigge noch etwas zu sagen hätten. Fazit der Rückholaktion: sehr unterhaltsam für Außenstehende, nicht erfolglos für die Bayern, aber auch sehr anstrengend. Wer Matthäus holt, muss wissen was er tut.

Stefan Effenberg

Im Sommer 1990 holten die Bayern den 22-jährigen Heißsporn aus Mönchengladbach, um das Mittelfeld zu verstärken. Stärker machte er vor allem die Konkurrenz, die er mit seinen Sprüchen anheizte ("Die anderen sind zu dumm, um Meister zu werden"). Damit wurde er zum Buhmann der Nation, bei Länderspielen wurde er vom eigenen Publikum ausgepfiffen. Intern machte er sich auch unbeliebt ("Ich spiele nur für die Kohle"), vor allem als er sich in einer Teamsitzung mit Trainer Jupp Heynckes anlegte ("Wenn Du was von mir willst, können wir vor die Tür gehen"). Den Eklat machte Kapitän Klaus Augenthaler im Blickpunkt Sport öffentlich.

Heynckes schoss in Sport Bild gegen Effenberg zurück: "Er hat sich so flegelhaft benommen und im Ton vergriffen, dass ich gesagt habe: Du bist nicht ganz richtig im Kopf, für dich ist der Zug abgefahren." Er verzieh ihm dennoch, flog dann vor ihm raus. Nun knöpfte sich Effenberg den nächsten Trainer vor, bezeichnete Sören Lerby als Marionette Franz Beckenbauers, damals Vize-Präsident: "Wir Spieler sehen doch, was da abläuft." Dafür wurde er suspendiert. Im Training geriet er mit Olaf Thon aneinander, Hans Pflügler kritisierte ihn dafür ebenfalls öffentlich: "Irgendwann muss er doch vernünftig werden."

Nach der Katastrophensaison 1991/92 fuhr er noch als einziger Münchner zur EM, denn die Leistung stimmte trotz allem, dann floh er nach Florenz. Der Vertrag (bis 1994) wurde aufgelöst. An seine Rückkehr verschwendet keiner einen Gedanken.

Aber als er, aus Italien zurück, ein zweites Mal in Gladbach groß aufspielte, holte ihn Bayern 1998 erneut. Ottmar Hitzfeld war der neue Trainer, die meisten Mitspieler von damals waren auch weg und es herrschte ein neuer Geist an der Säbener. Diese Investition (8,5 Mio. DM) bereuten die Münchner nicht. Hitzfeld baute Effenberg nach dem Abgang von Matthäus (2000) zum Leader auf, er war sein Kapitän beim Champions League-Sieg 2001. Noch heute wird sein Name genannt wenn man einen Prototypen des Anführers sucht. Ärger gab es zwar auch ab und zu (Alkoholfahrt, Zoff mit weiblichen Fans auf Bankett beim Pokalsieg 2000), aber das war eben Effe. In der Mannschaft hatte er keine Probleme mehr. Seinen Abschied hatte er sich 2002 etwas stilvoller gewünscht, aber daran war er nicht ganz unschuldig. In einem Playboy-Interview hatte er durchblicken lassen, dass allzu faulen Arbeitslosen die Stütze besser zu streichen wäre. Ottmar Hitzfeld stellte ihn nicht mehr auf, aus Angst vor wütenden Pfiffen. Präsident Franz Beckenbauer gab ihm zwar "im Prinzip recht", aber er hätte es eben besser nicht sagen sollen. Da nahm sich Effenberg vor seinem geplanten Abschiedsspiel gegen Rostock eine Verletzung. In seiner Biographie schrieb er: "So wurde mein Abschied nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Ich bekam eine Uhr und einen warmen Händedruck. Das war’s!"

Ciriaco Sforza

Nach einer verkorksten Saison rüsteten die Bayern 1995 auf. Allen voran mit Trainer Otto Rehhagel aus Bremen, dem mit Jürgen Klinsmann, Andy Herzog und Ciriaco Sforza gleich drei Hochkaräter zur Seite gestellt wurden. Glücklich wurde keiner. Am unglücklichsten war der Schweizer Sforza, der für 6,6 Millionen DM aus Kaiserslautern geholt, aber in München nie angekommen war. Schon nach einem halben Jahr atmosphärischer Störungen beim FC Hollywood streckte er seine Fühler nach einem neuen Arbeitgeber aus und fand in Italien einen Interessenten: Inter Mailand. Doch Sforza hatte sich bei der EM 1996 in England mit Vize-Präsident Karl-Heinz Rummenigge getroffen und sich auf eine weitere Zusammenarbeit geeinigt. Rummenigge: "Sforza bleibt." Laut Vertrag bis 1998.

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Das sagte ausgerechnet der Mann, der ihm das Etikett "Stinkstiefel" verpassen würde. Wie die Bezeichnung zustande kam, erzählte der Schweizer 2016 dem Blick: "Karl-Heinz Rummenigge kam in die Bayern-Kabine und gab jedem Spieler die Hand. Als ich an der Reihe war, schüttelte er mir zwar die Hand, schaute aber schon dem nächsten ins Gesicht. Ich sagte ihm anständig und ehrlich, dass man einem Menschen beim Händeschütteln in die Augen schaue – so bin ich erzogen worden. Ab jenem Moment war Feierabend. Er verpasste mir diesen Ausdruck und ich war in einer Schublade. Das hat mir mein ganzes Leben geschadet."

Die Art des Abgangs schadete ihm auch. Die Bayern hatten ihm schon eine Rückennummer (14) für die Saison 1996/97 gegeben, da fing er wieder an mit Inter zu flirten. Sein Vertrag lief noch zwei Jahre, aber "meine Familie stammt aus Italien und es zieht uns da runter." Runter gingen auch seine Leistungen in Testspielen, Hoeneß unterstellte ihm Absicht, um den Preis zu drücken. Sforza: "Das ist eine Frechheit, was Hoeneß sagt." Nun war das Tischtuch zerschnitten, eine Woche vor Saisonstart wechselte er für sechs Millionen Mark nach Mailand. Drei Jahre wollte er bleiben, nach einem war finito und er ging wieder in die Pfalz, wo er wieder der Star sein durfte, für den er sich hielt – und sensationell Meister wurde.

Einmal wollte er sich aber noch beweisen, auch außerhalb von Kaiserslautern glänzen zu können.

Und warum nicht noch mal in München? Das Theater von 1995/96 hielt ihn jedenfalls nicht von einer Rückkehr ins Bayerische ab, wo er nun beweisen wollte "dass ich kein Stinkstiefel bin."

Rummenigge war allerdings entschiedener Gegner der Idee von Ottmar Hitzfeld, ihn 2000 zurückzuholen, auch Manager Uli Hoeneß war nicht gerade begeistert. Sforza kämpfte in eigener Sache: "Man braucht Akzeptanz, und die muss man sich erarbeiten. Nun kennen mich meine Mitspieler besser."

Allerdings hatten sie ihn in München auch weit besser in Erinnerung. Hitzfeld bekam zwar seinen Willen, bloß nicht den Spieler, den er eigentlich wollte. War Sforza unter Rehhagel noch Stammspieler (30x in der Startelf), kam er in zwei Hitzfeld-Jahren nur auf 36 Ligaeinsätze, davon elf als Joker. Tore? Nur eins. Etwas dürftig für einen Mittelfeldspieler und gemessen an der Ablösesumme, die Kaiserslautern diesmal kassiert hatte (12 Millionen DM). Dorthin ging er 2002 ein zweites Mal zurück. Für Bayern war er ein Zuschussgeschäft, aber auch Glücksbringer. Mit ihm gewannen sie den Uefa-Cup (1996), eine Meisterschaft in der Nachspielzeit und in derselben Saison nach einem Vierteljahrhundert wieder mal die Champions League (2001). War er 1996 noch voll dabei, schmorte er 2001 auf der Bank.

Mal sehen, wie es Douglas Costa ergeht. Der kannte die Bayern-Bank schon bei seinem ersten Gastspiel zur Genüge.