Auf so ein Lob kann man getrost verzichten
Eine Kolumne von Carlos Corbelle
Ein erster Satz will gut überlegt sein. Man will ja schließlich gleich zu Beginn das Interesse des Lesers wecken. Das dachte sich wohl auch Jasper von Altenbockum, der für seinen aktuellen Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgenden Einstieg wählte: “Der einzige Mann in der SPD-Führung scheint Andrea Nahles zu sein.”
Wie ist das denn zu verstehen? Natürlich wohlwollend. “Anders als die zeternden und zaudernden Sozialdemokraten griff sie am Montag den Stier bei den Hörnern, um die Verhandlungen mit CDU und CSU zu verteidigen”, erklärt von Altenbockum und ergänzt später: “Nahles hat recht, dass es sich für die SPD lohnt, für ihre Erfolge in den Verhandlungen zu kämpfen.”
Wenn der FAZ-Autor die SPD-Frau also als “einzigen Mann in der SPD-Führung” bezeichnet, will er eigentlich sagen, dass Nahles in der Situation alles richtig macht. Dass sie sagt, wie es ist und keine Angst hat, weder “zetert” noch “zaudert”. Sie tut eben das, was ein Mann tun muss: Tacheles reden. So wie einst Gerhard Schröder. Oder von mir aus auch John Wayne. Hauptsache männlich.
Auf Twitter stößt der Kommentar auf Kritik:
Lieber @altenbockum, warum genau scheint Andrea Nahles „der einzige Mann in der SPD-Führung zu sein“? Sie attestieren ihr Mut – und den haben Frauen sonst eher nicht, ja?
Und die SPD-Männer „zetern“ und „zaudern“ – so weibermäßig, ja? #2018versus1958 #FAZ pic.twitter.com/5rsTVu77xg
— Bastian Obermayer (@b_obermayer) January 16, 2018
Worauf Jasper von Altenbockum erwidert:
Den Satz kann nur richtig einordnen, wer investigativen Humor hat, lieber @b_obermayer
— Jasper v.Altenbockum (@altenbockum) January 16, 2018
Was er damit meint? Darauf könnte dieser Tweet eine Antwort geben:
Wohl eine Replik auf den @sternde. Und irgendwie auch auf @fr und @SZ. Es gab schon viele "letzte Männer der SPD" pic.twitter.com/iYNLO5HKTm
— Tim Niendorf (@TimNiendorf) January 16, 2018
Ist also alles nur eine clevere Anspielung auf andere journalistische Texte über die SPD? Möglich. Erschließt sich dem Leser die vermeintliche Ironie? Nicht wirklich.
So jedenfalls suggeriert der Kommentar ein vollkommen überholtes, klischeehaftes Geschlechter-Rollenbild, das die Frau im Allgemeinen als passiv und durchsetzungsschwach abstempelt. Es mag bloß der Einstieg seines Artikels sein, doch er tut dem Text damit keinen Gefallen – selbst, wenn er damit bloß auf andere Artikel anspielen wollte. Alles, was von Altenbockum im Folgenden über Andrea Nahles sagt, mag noch so wohlwollend sein – den gönnerhaften Beigeschmack des Einstiegs wird sein Text nicht mehr los.
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