Angriffe auf die Freiheit der Medien nehmen zu

Als Journalist im EU-Bewerberland Montenegro zu arbeiten, ist lebensgefährlich. Erst vor kurzem wurde ein Sprengstoffanschlag auf Sead Sadikovic, den regierungskritischen Journalisten der Zeitung „Vijesti“, verübt. Das Attentat demonstriert, wohin das von Korruption und Vetternwirtschaft paralysierte Adrialand steuert.

Der am Sonntag mit knapper Mehrheit gewählte Präsident Milo Djukanovic, der direkt und indirekt das Nato-Land wie seinen Familienbesitz regiert, ist kein Freund der Medienfreiheit.

So sagte Djukanovic kürzlich: „Die Zentrale der oppositionellen Arbeit in Montenegro ist nicht in oppositionellen Parteien. Die inhaltliche Zentrale ist ein Medienzentrum, das versucht, ein gewisses Bild über Montenegro zu schaffen.

„Ich denke dabei vor allem an den Medienkonzern ,Vijesti‘“, ergänzte der als prowestlich geltende Ex-Kommunist im Wahlkampf. Mit dieser Haltung will der umstrittene Politiker das nur 620.000 Einwohner große Land ab 2025 in die EU führen.

Auch in EU-Ländern selbst ist es um die Medienfreiheit kaum besser gestellt. Nachdem Viktor Orbán und seine rechtspopulistische Koalition Fidesz-KDNP vor kurzem überraschend klar die Wahl gewonnen haben, haben es die freien Medien noch schwerer.

Der frühere Freund und heutige Intimfeind von Orbán, der Oligarch Lajos Simicska, hatte einen Tag nach der Verkündigung des Wahlergebnis die Einstellung der von ihm finanzierten Traditionszeitung „Magyar Nemzet“ sowie des Senders „Lánchíd Rádió“ beschlossen. Damit verstummten zwei wichtige Organe der Opposition.

Ohnehin Orbán kontrolliert – ganz nach dem Modell seiner autoritären Demokratie – die Medien nach Belieben. Nur RTL Klub, den ungarischen TV-Ableger des deutschen Bertelsmann-Konzerns, darf noch frei berichten, nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Vergangenheit persönlich dafür eingesetzt hat.

Doch angesichts des geringen Anteils von Nachrichten im Programm des Unterhaltungssenders kann der seit 2010 regierende Rechtspopulist gut damit leben. Über ein von ihm eingeführtes Wahlsystem kann er mit nur 49 Prozent der Stimmen mehr als zwei Drittel der Sitze im Budapester Parlament kontrollieren.

Am Wochenende gingen über 100.000 Menschen in Budapest auf die Straße. Die Bürger forderten unter anderen freien Medien. Ihr Ruf nach Pressefreiheit wird voraussichtlich ungehört verhallen. Denn Europa schaut einfach weg, wenn die Medienfreiheit mit Füßen getreten wird.

Erst das Geschäft, dann die Moral. Das ist allerdings brandgefährlich. Denn zu einer funktionierenden Demokratie und Marktwirtschaft gehören kritische, unabhängigen Medien, die für Widerspruch, Transparenz und Pluralität sorgen. Der Tod der Medien- und Meinungsvielfalt ist politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich schädlich.

Doch auch in Österreich nehmen seit dem Wahlsieg der konservativ-rechtspopulistischen Koalition die Angriffe auf unabhängige Journalisten zu. Der FPÖ-Medienpolitiker Norbert Steger drohte dem ORF in den „Salzburger Nachrichten“, es würden ein Drittel der 16 Auslandskorrespondentenbüros geschlossen, „wenn diese sich nicht korrekt verhalten“.

Dem Rundfunkrat der rechtspopulistischen Partei ist insbesondere die Orbán-kritische Berichterstattung des ORF-Büros in Budapest ein Dorn im Auge. Der dortige ORF-Korrespondent Ernst Gelegs, der seit vielen Jahren aus Ungarn berichtet, gilt in der Branche als eine der besten Experten für das Land überhaupt.

ORF-Chef Alexander Wrabetz hat daher gut daran getan, Gelegs Entsendevertrag für Ungarn bis zum Jahr 2021 zu verlängern. Für die Rechten ist auch der in Deutschland bekannte ORF-Anchorman Armin Wolf bereits zu einer Art medialen Hassfigur avanciert.

Über den sogenannten Stiftungsrat, dem Aufsichtsgremium, kontrollieren die konservative ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in Wien.

Die Angriffe aus dem Regierungslager auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich sind mehr als ein medienpolitischer Tiefpunkt. Die Attacken sind ein Angriff auf die in der Verfassung verankerte Pressefreiheit – und das mitten in Europa. Noch schaut Österreichs konservativer Bundeskanzler Sebastian Kurz weg.

Doch wenn Österreich nicht in Richtung osteuropäischer Medienzustände abgleiten will, ist schleunigst ein Machtwort des 31-jährigen Regierungschefs gefordert. Schließlich übernimmt Österreich zur Jahreshälfte die Ratspräsidentschaft in der EU. Dann schaut Europa auf das kleine, neutrale Land, das sich so gerne als Bindeglied zwischen West und Ost begreift.

Jede Woche schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.