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Corona-Sonderlage soll enden - Ampelpartner planen Schutzkatalog

Die Corona-Zahlen steigen wieder - doch mit flächendeckenden Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren soll Schluss sein. SPD, Grüne und FDP wollen die Einschränkungen dem Impffortschritt anpassen. Der Termin Ende November sei aber kein "Freedom Day".

Die möglichen künftigen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP wollen die Rechtsbasis für weitgehende Corona-Einschränkungen in Deutschland nicht weiter verlängern. Die "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" soll nach rund 20 Monaten zum 25. November enden. Als Hauptgrund nannten die drei Fraktionen am Mittwoch den Fortschritt der Impfungen. Für eine Übergangszeit bis zum 20. März 2022 sollen den Ländern aber weniger umfassende Vorgaben ermöglicht werden. "Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren wird es jedenfalls mit uns nicht mehr geben und sind auch in der aktuellen Situation unverhältnismäßig", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.

Weiter anordnen können sollen die Länder unter anderem: Maskenpflicht, Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene und Getestete, Hygienekonzepte, Abstandsgebote, Kontaktdaten-Erfassung. Bisher knüpfen Corona-Vorgaben laut Infektionsschutzgesetz daran an, dass der Bundestag die epidemischen Lage feststellt. Das Parlament hatte dies erstmals im März 2020 getan und mehrfach bestätigt - zuletzt Ende August. Die Sonderlage läuft ohne Verlängerung automatisch nach drei Monaten aus.

"Eine ernste Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik, die nach dem Infektionsschutzgesetz Voraussetzung für die Feststellung der epidemischen Lage nationaler Tragweite ist, besteht aus unserer Sicht jedenfalls nicht fort", sagte Wiese. "Der 25. November wird aber kein Freedom Day sein." Damit wird ein Ende aller Corona-Maßnahmen umschrieben.

Weiter Schutz für Kinder nötig - möglichst ohne Schulschließungen

Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte, insbesondere für diejenigen, die sich nicht impfen lassen können, brauche es angesichts der problematischen Coronalage weiter Schutz. "Alle Möglichkeiten sollen ausgeschöpft werden, um einen weiteren Schutzkokon um die Kinder zu ziehen." Denn gerade bei kleineren Kindern gebe es derzeit hohe Infektionszahlen. Pauschal sollten Schulen oder Kultureinrichtungen nicht mehr geschlossen werden können, aber den Ländern sollten Schließungen weiter ermöglicht werden, so Göring-Eckardt. "Wir legen den Ländern den Instrumentenkasten auf den Tisch."

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, erinnerte daran, dass die FDP die erste der Parteien gewesen sei, die gesagt habe, die epidemische Lage müsse beendet werden. "Die epidemische Lage von nationaler Tragweite hat zeitweise zu einer nahezu absoluten Dominanz der Exekutive geführt." In der Pandemie sei der öffentliche Eindruck entstanden, dass das Parlament die Corona-Politik der Ministerpräsidentenkonferenz nur noch nachvollziehe. Göring-Eckardt betonte: "Was wir nicht wollen, ist dass der Rechtsstaat in Gefahr gerät."

Marco Buschmann, Katrin Göring-Eckardt und Dirk Wiese stellen die Pläne für eine Corona-Übergangsregelung vor (Bild: Kay Nietfeld/dpa)
Marco Buschmann, Katrin Göring-Eckardt und Dirk Wiese stellen die Pläne für eine Corona-Übergangsregelung vor (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

Buschmann sagte, über den Herbst und Winter werde den Ländern daher "ein überschaubarer Katalog wenig eingriffsintensiver Maßnahmen" zur Verfügung gestellt. "Alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022." Dies gelte unter Vorbehalt - wenn nicht beispielsweise neue Mutationen auftauchten, gegen die etwa Impfungen wenig helfen und die eine neue Bewertung nötig machten.

Spahn bietet Unterstützung bei Entwurf an

Der noch geschäftsführend amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bot den möglichen Ampelpartnern Unterstützung an. "Dies gilt auch für die Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfes", teilte ein Sprecher mit. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte: "SPD, Grüne und FDP wollen uns an den Ausnahmezustand als Dauereinrichtung gewöhnen. Diese als 'Übergangsregelung' deklarierte Gesetzeskonstruktion gibt der Exekutive nach wie vor zu viel Gewicht."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich besorgt über die deutlich steigenden Corona-Zahlen. Für die Kanzlerin stelle sich die Frage, ab welchem Warnwert etwa bei der Krankenhausbelegung auch über zusätzliche Maßnahmen zu beraten wäre, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht die pandemische Lage noch nicht zu Ende. "Im Gegenteil sie gewinnt gerade wieder an Kraft und Gefährlichkeit", sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Sachsen hat mit 200,8 Infektionen pro 100.000 Einwohner die zweithöchste Inzidenz und liegt hinter Thüringen (241,8I) und vor Bayern (191,3).

Verlängert werden sollen bis 20. März einige soziale Erleichterungen. "Es gibt einige, die wir definitiv aus unserer Sicht aufrechterhalten müssen", sagte Göring-Eckardt. Dazu zähle der leichtere Zugang zur Grundsicherung insbesondere für Künstlerinnen und Künstler oder Soloselbstständige sowie die Absicherung von Kinderkrankentagen durch Lohnersatzleistungen, so dass es Geld für 30 statt 10 Kinderkrankentage gibt (Alleinerziehende: für 60 statt 20).

Die Grünen-Politikerin teilte zugleich mit: "Was wir nicht mehr vorsehen, ist eine Pflicht zum Homeoffice." Das sei angesichts der Impfmöglichkeiten und der Impfrate nicht mehr notwendig. Doch werde sich eine neue Koalition generell mit dem Thema Homeoffice befassen.

Stärkung der Impfkampagne angestrebt

Weiter stärken wollen die möglichen Koalitionspartner das Impfen. Im November solle beraten werden, wie diejenigen mit Corona-Impfungen erreicht werden könnten, die bisher falschen Informationen etwa über Impfnebenwirkungen aufsäßen, so Göring-Eckardt.

Buschmann und Göring-Eckardt betonten, dass sich die Ampelpartner geräuschlos auf die Änderungen verständigt hätten. "Dass wir in der Lage sind, ein so kontroverses Thema sachlich, vernünftig, vertrauensvoll gemeinsam zu regeln ist, glaube ich, ein gutes Zeichen für die Demokratie und sicherlich auch ein Beitrag, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik zurückzugewinnen", sagte Buschmann.