Ein amerikanisches Märchen
Frances Tiafoes Story ist fast schon hollywoodreif - einzig am perfekten Ende werkelt der neue Liebling der Amerikaner noch mit größter Entschlossenheit. „Zwei Matches noch, Leute“, rief der 24 Jahre alte US-Amerikaner seinen wild jubelnden Fans im Arthur Ashe Stadium zu: „Zwei noch.“
Tiafoes furios erspielter Lauf bis ins Halbfinale entzückt das sportverrückte Land, das seit Andy Roddick 2006 keinen eigenen Spieler mehr unter die besten Vier beim Heim-Grand-Slam in New York gebracht hat. (NEWS: Alles Wichtige zum Tennis)
Er ist dazu auch noch der erste schwarze US-Amerikaner, der seit Arthur Ashe, dem Namensgeber der größten Tennisarena der Welt, vor 50 Jahren so weit gekommen ist.
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Schon die Statistiken beeindrucken, doch Tiafoes ganz besondere Geschichte geht über das Zahlenwerk hinaus. Es ist die Story eines Aufsteigers aus einfachsten Verhältnissen, der sich an die Weltspitze kämpft.
„Jeder liebt eine Aschenputtel-Geschichte. Ich versuche, eine zu schreiben“, sagte Tiafoe, der am Freitag gegen den spanischen Shootingstar Carlos Alcaraz um den Einzug ins Finale spielt. Den zweiten Finalisten ermitteln der Norweger Casper Ruud und der Russe Karen Chatschanow.
Tiafoe bezwingt Nadal
1999 begann Tiafoes Vater Frances Sr. als Tagelöhner beim Bau des Junior Tennis Champions Center bei Washington D.C. zu helfen, später erhielt der Einwanderer aus Sierra Leone einen Job als Hausmeister der Einrichtung.
Er schlief in einem kleinen Raum auf der Anlage, um sein großes Pensum zu schaffen. Und wenn seine Frau Alphina ihre Nachtschichten als Krankenschwester absolvierte, blieben die Zwillinge Franklin und Frances bei ihm.
Mit fünf Jahren meldete der Papa seine Söhne, die quasi auf dem Tennisplatz aufwuchsen, zu einem kostenfreien Kurs für die Jüngsten an - ab dem Moment brannte Frances für die Sportart und wurde immer besser. „An sich selbst zu glauben, das ist so wichtig“, sagte Tiafoe nun in New York, er steckt sich die höchsten Ziele: „Man muss an sich selbst glauben, bevor es jemand anderes tut.“
Spätestens seit dem Achtelfinalerfolg gegen Grand-Slam-Rekordsieger Rafael Nadal erkennt nicht nur Tiafoe selbst die günstige Gelegenheit, als erster Local Hero seit Roddick 2003 den schmucken Silberpokal des Siegers in die Hände zu nehmen.
Für den Erfolg verzichtet Tiafoe auf Kekse
Schon 2019 hatte er mit einem Viertelfinaleinzug in Melbourne ein erstes Ausrufezeichen gesetzt. Jetzt lebt er noch professioneller und darf sich zu den echten Titelanwärtern zählen.
„Seine Essensgewohnheiten waren am Anfang schrecklich“, sagte sein Coach Wayne Ferreira, der Tiafoe seit 2020 begleitet: „Er hat Süßigkeiten wie Schokolade und Kekse geliebt. Er hat zu ungewöhnlichen Zeiten gegessen und das Frühstück oft verpasst.“
Diese Zeiten sind nun vorbei. Tiafoe verzichtet für große Erfolge auf seine heißgeliebten Cookies und sein südafrikanischer Trainer findet nur positive Worte für seinen Schützling, der eine „großartige Geschichte“ schreibe.
„Hoffentlich wird es eines Tages einen Film darüber geben“, sagte Ferreira: „Aber zuerst muss er den Grand Slam gewinnen.“