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"American Assassin": Ein Film zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt

Dass man mit Agenten- oder Rachefilmen eine gewaltige Zuschauerschaft ins Kino locken kann, beweist "James Bond" seit Jahrzehnten, "Jason Bourne" immerhin seit nunmehr zehn Jahren und unlängst auch "John Wick" mit zwei erfolgreichen Filmen. Was läge da also näher, als beide Genres miteinander zu vermengen? Genau hier setzt die Verfilmung von Vince Flynns gleichnamigem Roman an. Mit der Vorlage hat der Streifen aber kaum noch etwas gemein - und ballert sich vielleicht zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt durch die Kinos.

Vom Paradies in die Hölle

Es sollte der schönste Tag im Leben des jungen Mitch Rapps (Dylan O'Brien, 26) werden. Im Strandurlaub hält er um die Hand seiner wunderschönen Freundin Katrina (Charlotte Vega, 23) an - und zu seiner Freude sagt diese auch noch "Ja". Doch besagtes Glück währt nur für wenige Minuten. Plötzlich zücken mehrere Männer am Strand Waffen und beginnen die panisch weglaufenden Touristen kaltblütig abzuschlachten. Mitch, selbst bereits lebensgefährlich von mehreren Kugeln durchbohrt, muss mit ansehen, wie seine Liebste regelrecht hingerichtet wird.

18 Monate ziehen ins Land. Von dem charmanten jungen Mann von einst ist nichts übrig geblieben, hinter einem zausigen Vollbart und kalten Augen verbirgt sich nur noch ein Gedanke: Rache. Mit gestählten Muskeln und nichts zu verlieren versucht er auf eigene Faust, die verantwortliche Terrorzelle zu infiltrieren. Nicht, ohne dabei die CIA auf sich aufmerksam zu machen. Dort hat man auf einen Draufgänger wie ihn nur gewartet, auch wenn es Mitch noch an etwas Feinschliff fehlt. Hier kommt der knallharte Ex-Navy-SEAL Stan Hurley (Michael Keaton, 66) ins Spiel, dessen Methoden ebenso fragwürdig wie erfolgreich sind. Jeden seiner Tricks aus der Agenten-Schatulle wird Mitch auch brauchen, immerhin versucht ein mysteriöser Terrorist namens "Ghost" (Taylor Kitsch, 36), eine Atombombe zu zünden...

Zu nah am Alltag?

Ein gewaltiger Elefant sitzt bei "American Assassin" neben einem im Kino. Einer, für den der Film nichts kann, der aber dennoch erwähnt werden muss. 59 Menschen verloren in Las Vegas ihr Leben, als im wahrsten Sinne ein "American Assassin" das Feuer eröffnete. Bei der Namensgebung kommt so ungewollt ein fader, tragischer Beigeschmack auf. Einer, das muss noch einmal betont werden, der für den Film einfach nur wahnsinniges Pech ist.

Doch auch sonst agiert die Regiearbeit von Michael Cuesta (54), die sich mit Ausnahme der Charaktere fast nichts von der Vorlage abgeschaut hat, für den Geschmack vieler Kinogänger wohl zu nahe an aktuellen Gräueltaten. Grafisch dargestellte Folter, Terroranschläge, Tod und Leid - was wir angesichts der Schreckensherrschaft des IS alltäglich in den Nachrichten sehen müssen, will so mancher wohl nicht auch noch im Kino erleben. Vor allem, und das wäre normalerweise ein Qualitätsprädikat, da besagte Szenen ungemein realistisch dargestellt sind.

Oh süße Selbstjustiz

"Es darf nichts Persönliches sein" - gebetsmühlenartig wiederholt Ausbilder Stan Hurley diese Anweisung an seinen Schützling. Was ziemlich widersprüchlich ist, schließlich treiben Rachegelüste Mitch überhaupt erst in die Arme der CIA, die zu Beginn noch ausdrücklich das "psychologische Profil" des nach Vergeltung dürstenden Hitzkopfs gelobt haben. Hier zeigt sich das Problem, das unweigerlich entsteht, wenn man den Agentenfilm mit dem Rache-Genre vermählt. Im besten Fall erschafft man damit einen zerrissenen, vielschichtigen Charakter. Im schlimmsten Fall einen Film, der den Eindruck vermittelt, nicht so recht zu wissen, wo er hin will. "American Assassin" liegt irgendwo dazwischen. Was ihn in vielen Szenen durchaus sehenswert, in anderen aber ungemein banal und tausendfach gesehen macht.

Nichtsdestotrotz ist vor allem die körperliche Verwandlung von Hauptdarsteller Dylan O'Brien vom unbedarften Sunnyboy hin zur Kampfmaschine wahrlich beeindruckend. Auch wenn die angegebenen 18 Monate im Film vielleicht etwas knapp bemessen sind, um nicht nur die Martial-Arts-Spitze zu erreichen, sondern auch noch fließend Arabisch zu lernen. Die Kampf-Szenen erfinden zwar nicht das Action-Rad neu, aber ganz ehrlich - welcher Film schafft das heutzutage noch?

Michael Keaton ist als charismatisches Ekel Stan Hurley voll in seinem Element. Soll heißen, dass er seine Rolle stellenweise derart "overacted", dass man sich unweigerlich fragt, ob er gleich als "Beetlejuice" um die Ecke springt, wenn man nur dreimal seinen Namen ruft. Taylor Kitsch auf der anderen Seite, in einer ungewohnten Bösewicht-Rolle, gibt ebenfalls sein bestes, bleibt aber die meiste Zeit über sehr blass. Kitsch hat sich in den letzten Jahren ein wenig den zweifelhaften Ruf als "Kassengift" erarbeitet - an ihm liegt es aber nicht, dass "American Assassin" an keines seiner vielen Vorbilder heranreichen kann.

Fazit:

Solide Schauspielleistungen treffen in "American Assassin" auf eine realitätsnahe, aber uninspiriert erzählte Handlung. An einigen Stellen weiß der Film von Michael Cuesta nicht so recht, wo er hin will. Agenten-Thriller? Rache-Story? Beides? Zudem dürfte die grafische Gewaltdarstellung für manche Zuschauer schlichtweg zu nah an der derzeitigen Realität sein, die einem durch die Nachrichten tagtäglich vorgesetzt werden.

Foto(s): STUDIOCANAL / Christian Black, STUDIOCANAL / Christian Black