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"Alles wird gut' ist gar nicht mehr so leicht zu sagen"

Seit dem 5. Februar 2007 ist Karen Webb Hauptmoderatorin bei "Leute heute". Zuvor hatte sie bereits Vertretungsmoderationen übernommen. (Bild: ZDF / Jens Hartmann)
Seit dem 5. Februar 2007 ist Karen Webb Hauptmoderatorin bei "Leute heute". Zuvor hatte sie bereits Vertretungsmoderationen übernommen. (Bild: ZDF / Jens Hartmann)

Seit 25 Jahren berichtet das ZDF-Magazin "Leute heute" aus der Welt der Schönen und Reichen. Zum Jubiläum schwelgt Moderatorin Karen Webb in ihren schönsten Erinnerungen. Außerdem verrät die 50-Jährige, warum die ikonische Abschiedsfloskel ihrer Vorgängerin Nina Ruge heute nicht mehr zeitgemäß ist.

Es ist eine Instanz im deutschen Fernsehen: Das People-Magazin "Leute heute" (montags bis freitags, 17.45 Uhr, ZDF) berichtet seit nunmehr 25 Jahren aus der Welt der Stars und Sternchen. In den ersten zehn Jahren, vom 3. Februar 1997 bis zum 3. Februar 2007, wurde das Format von Nina Ruge als Hauptmoderatorin präsentiert. Nach ihrem Ausstieg übernahm Karen Webb den Posten. Die heute 50-Jährige hatte zuvor bereits als Vertretung von Ruge fungiert. Außerdem war die gebürtige Londonerin im ZDF-Frauenmagazins "ML Mona Lisa" (2003-2007) sowie davor unter anderem im "SAT.1-Frühstücksfernsehen" zu sehen. Im Interview wirft Webb ein Blick auf ihre persönlichen Highlights aus den letzten 15 Jahren.

teleschau: "Alles wird gut" - Mit diesen Worten beendete Ihre Vorgängerin Nina Ruge 2007 ihre letzte Moderation von "Leute heute". Wenn Sie auf die vergangenen 15 Jahre zurückblicken: Hatte Ruge Recht?

Karen Webb: Ja, das hatte sie aus meiner Sicht schon. Sowohl was uns als Redaktion betrifft, als auch die Sendung: "Leute heute" ist erfolgreich, wir werden gerne gesehen und haben immer wieder schöne Geschichten. Außerdem haben wir uns weiterentwickelt, indem wir eben auch über andere Plattformen zu sehen sind. Ich würde also sagen: Es ist alles gut geworden.

teleschau: Gibt es auch Dinge, die nicht gut gelaufen sind?

Webb: Wir hatten mal eine Samstagssendung. Das war ein Rückblick auf die Woche. Dass die gestrichen wurde, ist schade, aber ansonsten ist alles gut gelaufen.

teleschau: Warum legten Sie sich keinen vergleichbar charakteristischen Spruch zu?

Webb: Das wäre immer eine Kopie gewesen. Deswegen machte ich das von Anfang an nicht. Außerdem ist "alles wird gut" gar nicht mehr so leicht zu sagen wie damals: Nina moderierte zu einer ganz anderen Zeit. Vor 15 Jahren war die Welt noch von Thomas Gottschalk geprägt. Da gab es die Leute noch nicht, die auf Instagram posten. Und auch Berichterstattungen über Fälle von Prominenten wie Prinz Andrew, der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt ist, häuften sich erst in den letzten Jahren. Es kommt immer wieder vor, dass Stars auch schlimme Geschichten in die Öffentlichkeit tragen. Deswegen würde "alles wird gut" nicht mehr passen.

Nina Ruge moderierte das ZDF-Magazin "Leute heute" von der ersten Stunde bis ins Jahr 2007. Im Studio empfing sie dabei immer wieder prominente Gäste, wie etwa den Sänger Heinz-Rudolph Kunze. (Bild: ZDF / Hermann Roth)
Nina Ruge moderierte das ZDF-Magazin "Leute heute" von der ersten Stunde bis ins Jahr 2007. Im Studio empfing sie dabei immer wieder prominente Gäste, wie etwa den Sänger Heinz-Rudolph Kunze. (Bild: ZDF / Hermann Roth)

"Früher waren die Promis auf die Medien angewiesen"

teleschau: Heißt das, die Promiwelt hat sich zum Unschönen verändert?

Webb: Es kamen andere Themen zum Vorschein. Früher wurden die Promis gut dargestellt. Da ließ sich vielleicht ein Lothar Matthäus scheiden, aber es gab noch keine MeToo-Bewegung ... Gewiss war die Welt nicht unbedingt besser, aber das Negative wurde nicht so viel thematisiert. Dadurch, dass heutzutage jeder selbst etwas posten kann auf Instagram oder YouTube, kommen eben viele Themen überhaupt erst ans Licht.

teleschau: Wie beeinflussen die sozialen Medien Ihre Arbeit?

Webb: Früher waren die Promis auf die Medien angewiesen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist jetzt nicht mehr so. Sie können sich selbst auf Instagram präsentieren: Justin Bieber arbeitete sich zum Beispiel selber hoch, indem er auf YouTube einen Song postete. Umgekehrt sind wir gerade in der Coronazeit auf die sozialen Medien angewiesen, also auch auf das, was Promis beispielsweise auf Instagram zeigen. Das übernehmen wir dann. Wir konnten nicht so viel direkt mit den Leuten nicht drehen.

Die Verleihung der Oscars (hier ein Bild aus dem Jahr 2008) zählt für Karen Webb zu den großen Highlights ihrer Karriere. (Bild: ZDF / Michael Ruppelt)
Die Verleihung der Oscars (hier ein Bild aus dem Jahr 2008) zählt für Karen Webb zu den großen Highlights ihrer Karriere. (Bild: ZDF / Michael Ruppelt)

"Wir haben ein gutes Standing bei vielen Prominenten"

teleschau: Verliert das Boulevard-Fernsehen künftig durch die sozialen Medien an Relevanz?

Webb: Wir haben den großen Vorteil, dass viele Stars uns lange kennen und uns vertrauen. Das einzige Interview, welches die schwangere Helene Fischer vor ihrem "Wetten, dass ..?"-Auftritt gab, war bei uns in "Leute heute". Wir haben ein gutes Standing bei vielen Prominenten, weil sie wissen, dass wir sie nicht durch den Kakao ziehen und auch nichts ausschlachten, was sie nicht ausgeschlachtet haben wollen. Das funktioniert gut. Die Leute werden auch in Zukunft Interesse am Leben der Reichen und Schönen haben. Bei uns bekommen sie das Wichtigste schön komprimiert als bunte Mischung.

teleschau: Warum vertrauen die Promis ausgerechnet "Leute heute"?

Webb: Wir machen keinen Klatsch und Tratsch! Wir checken alles mehrmals. Wenn eine Quelle irgendwas behauptet, dann ist das für uns noch keine Meldung, sondern einfach nur ein Gerücht. Dieses versuchen wir uns dann bestätigen zu lassen, entweder vom Management oder vom Promi selbst. Wir schnappen nicht irgendwas auf und verkaufen es dann als Tatsache, sondern versuchen journalistisch sauber zu arbeiten. Obwohl wir "People"-Journalismus machen, also eher leichte Kost, gehen wir nach den gleichen Kriterien an die Arbeit wie die "harten" Berichterstattungen.

Karen Webb wurde am 21. September 1971 in London geboren. 1975 zog die Familie nach Nürnberg. Mit 17 Jahren bekam Webb ein Stipendium in den USA. Zurück in Deutschland studierte sie BWL und später Politikwissenschaft. (Bild: ZDF / Jens Hartmann)
Karen Webb wurde am 21. September 1971 in London geboren. 1975 zog die Familie nach Nürnberg. Mit 17 Jahren bekam Webb ein Stipendium in den USA. Zurück in Deutschland studierte sie BWL und später Politikwissenschaft. (Bild: ZDF / Jens Hartmann)

Über die Unterschiede zur britischen Boulevardpresse

teleschau: Die Boulevardpresse ist nicht überall auf der Welt gut angesehen: Gerade in Ihrem Geburtsland Großbritannien durchläuft sie gerade eine große Krise ...

Webb: Wenn sich die Presse in England auf etwas einschießt, zum Beispiel die "Sun" auf die Royal Family, dann greifen manche Medien dort schon zu Mitteln, auf die man bei uns hoffentlich nicht zurückgreifen würde. Die sind schon noch mal ein ganzes Stück aggressiver.

teleschau: Wie erklären Sie sich diese Unterschiede?

Webb: Das ist etwas, das über die Jahre wächst. Gerade was die britische Familie betrifft: Wenn man da an die Paparazzi denkt oder an die Fotos, die von Kate aus weiter Ferne gemacht wurden, als sie oben ohne in ihrem Garten lag. Da würde man bei uns hoffentlich aus moralisch-ethischen Gründen sagen: "Nee, solche Paparazzi-Fotos veröffentlichen wir nicht!" Aber dort war es schon immer so. Da gibt es dann eine Klage, und danach geht es trotzdem weiter.

Neben ihrem Job als Moderatorin ist Karen Webb seit 2010 Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität München: Am Institut für Kommunikationswissenschaft lehrt sie Journalismus. (Bild: 2018 Gisela Schober / Getty Images)
Neben ihrem Job als Moderatorin ist Karen Webb seit 2010 Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität München: Am Institut für Kommunikationswissenschaft lehrt sie Journalismus. (Bild: 2018 Gisela Schober / Getty Images)

Waren die Grenzen der Moral für Sie schon einmal überschritten?

teleschau: Könnten Sie sich vorstellen, bei solchen Medien zu arbeiten?

Webb: Nein, darauf hätte ich keine Lust. Ich hätte auch keine Lust darauf, vor einem Krankenhaus zu lauern in der Hoffnung, dass da jemand herauskommt und erzählt, wie es demjenigen geht, der gerade einen Autounfall hatte. Das wäre nicht mein Ding!

teleschau: Gab es in Ihrer Karriere schon einmal eine Situation, in der die Grenzen der Moral für Sie überschritten waren?

Webb: Das schon erwähnte Beispiel mit dem Krankenhaus, vor dem die Medien einer Familie auflauerten, ist für mich eines, bei dem ich sage: Das geht zu weit. Sobald Personen in eine Geschichte mit hineingezogen werden, die von sich aus gar nicht in der Öffentlichkeit stehen, geht es für mich definitiv zu weit!

Über die schöne Begegnung mit Kate Winslet

teleschau: Was war Ihr größtes Highlight in 15 Jahren "Leute heute"?

Webb: Ich fand es immer wahnsinnig schön, zu den Oscar-Verleihungen zu fliegen und von der Film-Biennale in Venedig zu berichten. Das sind so tolle Events! Klar, die Studioarbeit ist auch schön, aber das ist etwas, das nicht jeder erleben darf. Und bei der Film-Biennale sind immer sehr, sehr viele Stars, die dann auch sehr zugänglich sind. Bei den Oscars ist es schwieriger, mit den Hollywood-Stars ins Gespräch zu kommen. Aber in Venedig laufen alle an dir vorbei, alle sagen dir etwas und sind guter Dinge, weil die Sonne scheint, die Stadt sie begeistert ... Die Atmosphäre färbt auf das Gemüt der Leute ab.

teleschau: An welche Promi-Begegnung erinnern Sie sich am liebsten?

Webb: An die Begegnung mit Kate Winslet in Venedig. Ich war damals schwanger, und sie war so nett. Man hat da einen Timeslot: Zehn Minuten darfst du reden, dann pfeifen dich die Presseleute zurück, und der nächste, der seine Fragen stellen will, kommt an die Reihe. Kate Winslet sprach mit mir über meine Schwangerschaft. Sie ist ja auch Mutter. Das war so nett - zugleich dachte ich aber auch: "Um Gottes willen! Die zehn Minuten sind gleich um, und ich habe noch gar nichts von dem gefragt, was ich eigentlich fragen will!" Sie sagte aber zu ihren Presseleuten: "Das zählt noch nicht zur Zeit dazu! Jetzt fangen wir erst mal an!" Total sympathisch!

teleschau: Gab es auch einen Prominenten, der sich überhaupt nicht interviewen lassen wollte?

Webb: (seufzt) Ja, das sind manchmal die deutschen Nachwuchs-Schauspieler. Die Hollywood-Stars sind professionell. Die wissen genau: Das wird von mir verlangt. Auch wenn ich keinen Bock habe, bin ich trotzdem nett und trotzdem höflich. Auch viele deutsche Nachwuchs-Schauspieler sind nett, aber da gab es auch Ausnahmen, die sich einfach wahnsinnig wichtig nehmen. Da denke ich mir dann: "Hey, du hast es noch gar nicht weit geschafft. Warum stellst du dich so an?" Es sind tatsächlich oft die Kleineren, die versuchen, sich groß zu machen, indem sie sich irgendwie wichtig hinstellen.

Wird es nach der Pandemie weniger Liveinterviews geben?

teleschau: Eine Reise zu den Oscars oder nach Venedig war während der Corona-Pandemie kaum möglich. Inwiefern hat sich Ihre Arbeitsweise darüber hinaus in den letzten zwei Jahren verändert?

Webb: Ich schreibe meine Texte inzwischen zu Hause im Home Office. Das ist für mich gut, weil Familie und Job besser miteinander zu vereinbaren sind: Wenn meine Kinder aus der Schule kommen, bin ich da, dann fahr ich ins Büro, dort machen wir eine Probesendung, dann gehe ich in die Maske, und danach mache ich die Sendung. Ansonsten greifen wir inhaltlich immer mehr auf Videointerviews zurück, weil wir nicht mit jedem selber drehen können. Das funktioniert auch.

teleschau: Wird sich daran nach der Pandemie wieder etwas ändern oder wird es in manchen Fällen bei reinen Videointerviews per Skype und Co. bleiben?

Webb: Ich glaube, das wird eine Mischung sein. Ich denke nicht, dass wir gar nicht mehr reisen und keine eigenen Drehs realisieren. Die werden wieder kommen. Die kamen ja auch schon wieder als es im zurückliegenden Sommer ein paar Lockerungen gab. Aber es ist auch von Vorteil, dass wir festgestellt haben, dass solche Videodrehs funktionieren. Deswegen werden diese auch in Zukunft eine Bedeutung haben.

"Zu sagen: Wir bleiben jetzt nur in München und treffen niemanden mehr, ist unrealistisch"

teleschau: Und wie sieht es mit Veranstaltungen wie den Oscars oder den Golden Globes aus? Werden manche Promis künftig vielleicht auf eine Anwesenheit vor Ort verzichten?

Webb: Ah, ich glaube, bei den Oscars wird jeder, der bisher kam, in Zukunft auch kommen, egal, woher. (lacht) Bei den Golden Globes gab es auch andere Gründe, warum die nicht mehr so erfolgreich waren. Die standen in der Kritik wegen Diskriminierung und so weiter. Bei allen anderen Veranstaltungen werden die Promis auch weiterhin anreisen, vor allem, wenn sie Preise bekommen.

teleschau: Also glauben Sie nicht, dass umweltpolitische Überlegungen manchen davon abhalten könnten, in ein Flugzeug zu steigen?

Webb: Bei manchen Sachen schon: Zum Beispiel, wenn man nur ein Interview mit jemandem führt. Wenn es um große Preisverleihungen geht, reisen sie vielleicht mit dem Zug an und nicht mit dem Flugzeug, aber eine Preisverleihung aus der Ferne ... Auch unsere Redaktion wird weiterhin bei den großen Terminen vor Ort sein. Denn zu sagen: Wir bleiben jetzt nur in München und treffen niemanden mehr, ist unrealistisch!

"Wichtig ist, dass man sich dem Wandel der Zeit anpasst"

teleschau: Was wünschen Sie sich für die Zukunft von "Leute heute"?

Webb: "Leute heute" soll auf jeden Fall noch 50-Jähriges feiern! (lacht)

teleschau: Unter welchen Bedingungen kann das gelingen?

Webb: Was die nächsten 25 Jahre da bereitstellen, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass man sich dem Wandel der Zeit anpasst, und das haben wir auch gemacht: Es gibt uns inzwischen auf verschiedenen Plattformen und in der Mediathek. Wir haben sehr gute Einschaltquoten. Ich glaube schon, dass digitale Medien immer mehr an Bedeutung gewinnen und das Analoge weniger wichtig sein wird. Das sieht man jetzt schon: Wenn ich meine Studenten an der LMU frage: "Wie viele von euch schauen noch lineares Fernsehen?" Dann lachen sie mich aus. (lacht) Wie lange es mit dem Fernsehen und mit unserem Format noch gutgeht, weiß ich nicht. Aber noch läuft es ja - und das sehr erfolgreich.