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"Es ist eine absolute Katastrophe für die freien Theater!"

Mariele Millowitsch wurde 1955 als jüngste Tochter des Kölner Volksschauspielers Willy Millowitsch geboren. Ihr Bruder Peter leitete bis 2018 das berühmte "Millowitsch-Theater" in Köln, dessen ehemalige Spielstätte heute Volksbühne am Rudolfplatz heißt. (Bild: 2017 Getty Images/Ulrik Eichentopf)
Mariele Millowitsch wurde 1955 als jüngste Tochter des Kölner Volksschauspielers Willy Millowitsch geboren. Ihr Bruder Peter leitete bis 2018 das berühmte "Millowitsch-Theater" in Köln, dessen ehemalige Spielstätte heute Volksbühne am Rudolfplatz heißt. (Bild: 2017 Getty Images/Ulrik Eichentopf)

Viele kennen sie als Kommissarin Marie Brand: Doch in ihrem neuen Film "Klara Sonntag - Kleine Fische, große Fische" (Freitag, 23. April, 20.15 Uhr, das Erste) verkörpert Mariele Millowitsch eine Bewährungshelferin. Ein Gespräch über einen unterschätzten Beruf und die Fähigkeit, zu verzeihen.

Mariele Millowitsch ist das, was man für gewöhnlich eine "Vollblut-Schauspielerin" nennt: Als jüngste Tochter des Kölner Volksschauspielers Willy Millowitsch kam sie schon früh mit der darstellenden Kunst in Kontakt. Zunächst auf der Bühne, später in Serien wie "girl friends - Freundschaft mit Herz" (1995-2004), "Nikola" (1996-2005) und eben "Marie Brand" (ZDF), in welcher sie seit 2008 die gleichnamige Kommissarin spielt. Kein Wunder also, dass die inzwischen 65-Jährige sich schnell in Rage redet, wenn es um die verheerende Situation der Künstler in Pandemie-Zeiten geht. Doch auch über ihre neue Rolle in dem ARD-Film "Klara Sonntag - Kleine Fische, große Fische" (Freitag, 23. April, 20.15 Uhr) hat sie einiges zu berichten: Erstmals, erzählt sie, war sie hier maßgeblich an der Entwicklung ihrer Figur beteiligt.

teleschau: Frau Millowitsch, können Sie gut verzeihen?

Mariele Millowitsch: Ja, kleine Dinge schon! Etwa wenn jemand anstelle von "Ich habe keine Lust, heute Abend zu dir zu kommen" sagt: "Ich bin erkältet." Wenn ich denjenigen dann auf der Straße träfe, würde ich sagen: "Pass mal auf, du hättest es mir ja sagen können, wenn du keine Lust hast!" (lacht) Ich bin dann nicht sauer oder so. Aber bei größeren Dingen wie Verrat oder Bösartigkeiten würde ich mich vermutlich sehr schwertun. Da wäre ich dann nicht so gut im Verzeihen wie Frau Sonntag im Film.

teleschau: Wie würden Sie in einer solchen Situation reagieren?

Millowitsch: Ich bin niemand, der Streit sucht. Das war ich noch nie. Aber ich würde schon hingehen und fragen: "Was war das jetzt?"

In dem neuen ARD-Film "Klara Sonntag - Kleine Fische, große Fische" spielt Mariele Millowitsch eine Bewährungshelferin, die von ihrem Lebenspartner, Richter Thomas Aschenbach (Bruno Cathomas) auf einen besonders kniffligen Fall angesetzt wird. (Bild: ARD Degeto / Frank Dicks)
In dem neuen ARD-Film "Klara Sonntag - Kleine Fische, große Fische" spielt Mariele Millowitsch eine Bewährungshelferin, die von ihrem Lebenspartner, Richter Thomas Aschenbach (Bruno Cathomas) auf einen besonders kniffligen Fall angesetzt wird. (Bild: ARD Degeto / Frank Dicks)

"Ich finde die Rechtssprechung sehr spannend"

teleschau: Gerade am Anfang des Films beweist Klara Sonntag eine Engelsgeduld mit ihren Schützlingen. Denken Sie, Sie könnten in diesem Job ähnlich cool reagieren?

Millowitsch: Nein, das wäre nichts für mich! Ich könnte die Enttäuschungen, die Bewährungshelfer mitunter aushalten müssen, nicht wegstecken. Doch genau das müssen Bewährungshelfer! Die müssen immer wieder ran und dürfen das Vertrauen nicht verlieren. Andere Berufe lägen mir da vielleicht schon eher.

teleschau: Etwa der einer "Familienanwältin" oder der einer Kommissarin wie in "Marie Brand"?

Millowitsch (lacht): Ja, das schon eher! Ich finde die Rechtsprechung sehr spannend, weil die Paragrafen meist so formuliert sind, dass man als Anwalt ganz viel machen kann. Man muss es nur können. Deshalb liebe ich auch amerikanische Anwaltsserien. Als Kommissarin würde ich mich eher auch nicht so sehen. Auch da muss man an den Menschen und ihren Schicksalen sehr eng dran bleiben und das ist oft sehr finster und unerfreulich.

teleschau: Sie sagten, Sie lieben amerikanische Anwaltsserien. Was mögen Sie an dem Genre denn so?

Millowitsch: Die Plädoyers! Eine meiner absoluten Lieblingsserien ist "The Good Fight" mit Christine Baranski, ein Spin-off der älteren Serie "Good Wife". Die ist ziemlich aktuell: Es geht um Hacker und um Wahlmanipulation und um Donald Trump. Gut, der ist nun, Gott sei Dank, kein Thema mehr! Das finde ich sehr spannend, weil es eben ein ganz anderes Gerichtssystem ist als bei uns.

teleschau: Heißt das, Sie sitzen oft abends vor Netflix und Co.?

Millowitsch: Ich stehe davor! - Weil ich dabei mein Crosstrainer-Programm absolviere (lacht).

Seit 2008 verkörpert Mariele Millowitsch die Kriminalhauptkommissarin Marie Brand in der gleichnamigen ZDF-Serie. Ihr Partner ist von an der Seite von Beginn an der Kriminalhauptkommissar Jürgen Simmel, gespielt von Hinnerk Schönemann. (Bild: ZDF / Guido Engels)
Seit 2008 verkörpert Mariele Millowitsch die Kriminalhauptkommissarin Marie Brand in der gleichnamigen ZDF-Serie. Ihr Partner ist von an der Seite von Beginn an der Kriminalhauptkommissar Jürgen Simmel, gespielt von Hinnerk Schönemann. (Bild: ZDF / Guido Engels)

"Das war neu für mich"

teleschau: Zurück zum Film: Das Thema Bewährungshilfe wurde bislang eher selten im deutschen Fernsehen behandelt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Millowitsch: Das war die Idee unseres Produzenten Ivo-Alexander Beck, den ich bei den Dreharbeiten zu "Käthe und ich" bei der Bavaria kennenlernte. Irgendwann saßen wir damals zusammen und überlegten: "Die Frau Möller ist schon eine schräge Type! Könnten wir daraus vielleicht eine extra Reihe spinnen?" Ich dachte an irgendjemanden, der mit Menschen zu tun hat, wie zum Beispiel bei der "Tafel". Am Ende kam Ivo Beck dann auf die tolle Idee mit der Bewährungshilfe!

teleschau: Das klingt, als wären Sie von Anfang an am Entwicklungsprozess beteiligt gewesen ...

Millowitsch: Ja. Das war sehr schön, aber auch neu für mich. Normalerweise bekommt man als Schauspieler ein Drehbuch und sagt dann: Mache ich oder mache ich nicht. Natürlich kann man hier und da ein bisschen rangehen, aber dass ich so früh involviert war, das gab es bislang noch nicht. Ich saß bei den Drehbuchbesprechungen von Anfang an dabei. Das heißt, ich konnte an der Figur, aber auch an den Zusammenhängen mitarbeiten: Ich bin zum Beispiel ein großer Fan von Konflikten. Wenn ein Konflikt nicht wirklich erzählt wird, dann sage ich schon mal: Nee, da kann man mehr daraus machen. Natürlich gebe ich dem Autor nicht vor, was er zu schreiben hat.

In "Klara Sonntag - Große Fische, kleine Fische" wird die Geduld der Protagonistin (Mariele Millowitsch) von Rudi (Christian Grashof) auf eine harte Probe gestellt. (Bild: ARD Degeto / Frank Dicks)
In "Klara Sonntag - Große Fische, kleine Fische" wird die Geduld der Protagonistin (Mariele Millowitsch) von Rudi (Christian Grashof) auf eine harte Probe gestellt. (Bild: ARD Degeto / Frank Dicks)

"Es ist eine absolute Katastrophe!"

teleschau: Sie stammen aus einer großen Theaterfamilie. Können Sie sich vorstellen, irgendwann selbst mal wieder auf einer Bühne zu stehen?

Millowitsch: Man soll niemals nie sagen, aber im Moment habe ich gar keinen Drang dahin. Ich gehe wahnsinnig gerne ins Theater und gucke meinen Kollegen zu, aber ich muss nicht auf die Bühne.

teleschau: Wie sehr schmerzt es Sie, wenn Sie an die momentane Lage der Theater denken?

Millowitsch: Es ist eine absolute Katastrophe für die freien Theater! Da werden auch einige nicht überleben. Mir tun sie alle wahnsinnig Leid; Früher konnten sich die Kollegen wenigstens zwischendurch mit einem Kellnerjob über Wasser halten, aber selbst das geht nicht mehr. Ich kann wirklich dankbar sein, dass ich drehen darf.

teleschau: Wie denken Sie, hätte das Theater Ihres Vaters die Krise gemeistert?

Millowitsch: Ohne Hilfen hätten er und mein Bruder das auch nicht geschafft. Was mich richtig ärgert, ist: Sie waren alle so kreativ, was Lösungen anbelangt: Nur jeder dritte Platz besetzt, jeder Gast musste sich eintragen, sodass man im Notfall die Infektionswege nachvollziehen konnte. Überall waren Plexiglasscheiben. Die Abstände wurden eingehalten - auch auf der Bühne! Und trotzdem sind die Theater geschlossen worden, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann!

Nach ihrem Abitur studierte Mariele Millowitsch zunächst Veterinärmedizin in München, ehe sie 1983 ans Theater zurückwechselte. (Bild: 2012 Hannes Magerstaedt/Hannes Magerstaedt)
Nach ihrem Abitur studierte Mariele Millowitsch zunächst Veterinärmedizin in München, ehe sie 1983 ans Theater zurückwechselte. (Bild: 2012 Hannes Magerstaedt/Hannes Magerstaedt)

"Hilfe, endet das denn nie?"

teleschau: Was würden Sie sich denn von der Politik wünschen?

Millowitsch: Ich wünsche mir, dass man der Kultur viel mehr Platz gibt und dass man sagt: "Das ist jetzt auch wichtig!" Die Supermärkte sind voll, die Baumärkte haben aufgemacht - hier im OBI ist der Teufel los! Das ist doch nicht gerecht! Da wird mit mehrerlei Maß gemessen! Sie merken schon wieder, dass ich mich aufrege ... Das ist überhaupt nicht zu Ende gedacht. Deshalb bin ich auch sauer!

teleschau: Immerhin in der Filmbranche scheint es mittlerweile wieder zu laufen ...

Millowitsch: Hier in Köln wird aktuell sehr viel gedreht. Normalerweise fangen wir mit einer "Marie Brand" früher im Jahr an, aber die Produktion wollte noch etwas abwarten: Verständlich, denn die Produktionsfirmen gehen ein Eigenrisiko ein, denn gegen Corona kann man nicht versichern. Jetzt habe ich kürzlich im Radio gehört, dass der Pollenflug das Eintreten des Virus bei Allergikern erleichtern kann. Ich dachte mir nur: Hilfe, endet das denn nie? Da denkt man schon, man ist draußen und da haben die Aerosole keine Chance, weil sie gleich weggeweht werden, aber dann geht es im Zusammenhang mit den Pollen! Aber wir werden sehen, wie es kommt. Ändern können wir daran eh nichts.

Seit 2019 steht Mariele Millowitsch (Mitte) zusammen mit Christoph Schechinger regelmäßig für die ARD-Reihe "Käthe und ich" vor der Kamera. Der bislang letzte Teil unter dem Titel "Käthe und ich - Papakind" mit Martha Haberland lief im September 2020 im Ersten. (Bild: ARD Degeto / Bavaria Fiction / Britta Krehl)
Seit 2019 steht Mariele Millowitsch (Mitte) zusammen mit Christoph Schechinger regelmäßig für die ARD-Reihe "Käthe und ich" vor der Kamera. Der bislang letzte Teil unter dem Titel "Käthe und ich - Papakind" mit Martha Haberland lief im September 2020 im Ersten. (Bild: ARD Degeto / Bavaria Fiction / Britta Krehl)