Steuerprognose deutlich gesenkt - Lindner sieht Rückenwind für Haushaltspolitik
Die Steuereinnahmen des Bundes fallen in den nächsten Jahren deutlich niedriger aus als zuvor geschätzt - für Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist das aber keine schlechte Nachricht: Die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung zeigten, wie die Regierung Bevölkerung und Unternehmen finanziell entlaste, sagte er am Donnerstag. Zugleich sieht sich Lindner in seiner Linie für die schwierigen Haushaltsverhandlungen in der Koalition bestätigt.
Bis 2027 nimmt der Bund laut der neuen Schätzung 70,2 Milliarden Euro weniger an Steuern ein als im Herbst vorhergesagt - und zwar wegen seither beschlossener Steuersenkungen. Für Bund, Länder und Kommunen zusammen betragen die Mindereinnahmen von 2023 bis 2027 rund 148,7 Milliarden Euro.
Die Schätzung seien ein Beleg dafür, dass die Bundesregierung ihr Versprechen halte, "dass der Staat sich nicht an der Inflation bereichert", sondern die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen entsprechend entlaste, sagte Lindner. Die Entlastungen summierten sich allein im kommenden Jahr auf rund 34 Milliarden Euro.
Deutschland habe trotzdem "kein Einnahmeproblem", sondern "wir sind ein Hochsteuerland", betonte Lindner. Er wies darauf hin, dass laut Prognose die Gesamtsteuereinnahmen 2025 erstmals die Marke von einer Billion Euro überschreiten.
Für den Bundeshaushalt 2024 bringe die Steuerschätzung "keinerlei neue finanzielle Handlungsspielräume", unterstrich Lindner. "Es bleibt deshalb das Gebot der Stunde, die Konsolidierung des Bundeshaushalts voranzutreiben und sehr strikt sich auf Prioritäten zu verständigen. Ein Mehr an Ausgabewünschen können wir gegenwärtig mit den gegebenen Einnahmen nicht realisieren."
Lindner sprach erneut von einer Finanzierungslücke im Haushalt 2024 von rund 20 Milliarden Euro. Die Koalition streitet seit vielen Wochen über die Etataufstellung. Mehrere Ministerien meldeten teils hohen Mehrbedarf an, Lindner will aber die Schuldenbremse einhalten und schließt Steuererhöhungen aus. Die übliche Verabschiedung von Eckpunkten im März hatte der Finanzminister abgesagt.
Am Donnerstag beerdigte er einen weiteren Termin: Anders als geplant erfolge der Kabinettsbeschluss des Haushaltsentwurfs nicht am 21. Juni. Einen neuen Termin nannte Lindner nicht; ein Zeitplan soll im Laufe dieses Monats verkündet werden. Der Minister gab sich zuversichtlich: "Wir haben es mit Realistinnen und Realisten zu tun, sowohl innerhalb des Kabinetts als auch innerhalb der Koalition." Er erwarte, dass "wir die Lösungen erarbeiten, die wir brauchen".
Auch die Unionsfraktion mahnte Haushaltsdisziplin an. "Die Koalition ist aufgerufen, sich endlich an dem Machbaren und nicht dem Wünschenswerten in der Haushaltspolitik zu orientieren", erklärte Haushaltsexperte Christian Haase (CDU). "Mit der Steuerschätzung müsste jetzt auch der Letzte in der Koalition aus seinen Träumen und Illusionen erwacht sein."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hingegen forderte einen Kurswechsel in der Steuerpolitik. "Dass die Staatseinnahmen geringer ausfallen als erwartet, liegt an Steuersenkungen, von denen auch Top-Verdienende stark profitieren", erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. "Der DGB fordert einen Einkommensteuertarif, der den Großteil der Menschen entlastet, aber wirkliche Spitzenverdiener stärker in die Pflicht nimmt." Auch hohe Vermögen und Erbschaften müssten stärker belastet werden.
Auf eine Reform der Erbschaftsteuer drang auch der Linken-Finanzpolitiker Christian Görke. "Es kann nicht sein, dass Mega-Erbschaften am geringsten besteuert werden", erklärte er in Berlin. Zudem müsse die Regierung "Millioneneinkommen und Milliardenvermögen stärker zur Kasse ziehen".
cne/bk