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15 Minuten Freiheit für TV-Anarchie: Joko und Klaas für Grimme-Preis nominiert

Das Grimme-Institut hat die Nominierungen für den diesjährigen Grimme-Preis, eine der wichtigsten Ehrungen der Medienbranche, bekannt gegeben - und viel Kritik an der deutschen TV-Unterhaltung geübt. Gute Chancen dürfen sich Querköpfe ausrechnen - vor allem bei ProSieben.

Es waren turbulente zwölf Monate, die auch die Fernsehmacher vor große Herausforderungen stellten: "2019 war ein Jahr, das uns als Gesellschaft gefordert hat. Themen des Jahres wie Klimaschutz, 30 Jahre Mauerfall oder Seenotrettung spiegeln sich in den Einreichungen des 56. Grimme-Preisjahres", erklärte Frauke Gerlach, die Direktorin des Grimme-Instituts, als sie am Donnerstag die 73 preiswürdigen Produktionen bekannt gab. Diese TV-Sendungen können sich eine Chance auf eine der begehrtesten Auszeichnungen der Branche, den Grimme-Preis, ausrechnen. "In diesem Jahr finden wir kategorienübergreifend Produktionen, die eine Antwort auf die Frage suchen, wie wir zusammenleben wollen."

Nicht gerade leichtgängige Themen standen bei den Produzenten und TV-Verantwortlichen demnach im Fokus. Da ging es etwa um Fragen von Flucht und Migration, den Klimawandel, die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland sowie in Europa und neue rechtsextreme Umtriebe. In der Fiction-Kategorie geht beispielswiese "The Love Europe Project" (ZDF) ins Rennen. In einer Spezial-Würdigung sind Nadia Kailouli und Jonas Schreijäg für ihre Recherchen von einer Fahrt des Seenotrettungsschiff Sea-Watch 3 (NDR/Funk) nominiert. Ebenfalls mit harter Kost, die preiswürdig sein könnte, traten Britt Beyer und Vassili Silovic sowie Volker Heise mit dem Großprojekt "24h Europe - The Next Generation" (ARD/ARTE) an. "Die Story im Ersten: Tote auf der Balkanroute" (BR) steht in der "Info & Kultur"-Abteilung auf der Liste.

Streaming-Produktionen nominiert

Umso schwerer schien sich 2019 die Unterhaltung zu tun, was auch die Grimme-Verantwortlichen bemerkten - und zum Teil scharf kritisierten. Von 19 möglichen Nominierungen wählten sie diesmal nur neun Beiträge aus, was auch als Kritik an den Qualitätsstandards der Branche zu werten ist. "Die negative Entwicklung der vergangenen Preisjahre beim Unterhaltungsfernsehen setzt sich fort", sagt Frauke Gerlach. Umso bemerkenswerter, was in der zentralen Kategorie für einen möglichen Grimme-Preis ausgewählt wurde: So dürfen sich die ProSieben-Entertainer Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf Chancen auf eine Auszeichnung ausrechnen. Nominiert wurden sie für "Joko und Klaas Live - 15 Minuten". Damit war die sogenannte "Siegprämie"-Sendung gemeint, die sie bei ihrem Heimatsender ProSieben ausspielen durften. In diesem Rahmen sorgten sie unter anderem für nachdenklich stimmende Fernsehminuten über Seenotrettung im Mittelmeer und das Schicksal von Obdachlosen in Deutschland - zur besten Sendezeit, und unbeeinflusst von ProSieben.

Klaas Heufer-Umlauf kann sich gleich doppelt freuen. Er ist auch für seine ProSieben-Talkshow "Late Night Berlin" nominiert. Ohnehin überraschen diesmal die gleich drei Nominierungen für ProSieben - auch für die Show "The Masked Singer". Ebenfalls keine Selbstverständlichkeit: Die Mediengruppe RTL wird in der Unterhaltungskategorie mit einer Nominierung für "Prince Charming", die erste explizit schwule Dating-Show im deutschen Fernsehen, nominiert. Sie lief allerdings bislang "nur" beim RTL-Streamingdienst TV Now, soll aber noch ins Free-TV kommen.

Ohnehin macht sich die neue Marktmacht des Streaming-Fernsehens auch bei den Grimme-Nominierungen bemerkbar. Ebenfalls bedacht wurde die TV Now-Produktioin "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" sowie die Netflix-Serien "How to sell drugs online fast" (allerdings in der eher unpassenden "Kinder & Jugend"-Rubrik" und "Skylines" (Spezial-Nominierung für den Umgang mit Musik). Der bei Grimme-Preisen oft erfolgreiche Pay-Sender TNT wurde nun auch für die Serie "Andere Eltern" nominiert. Sky zieht mit der Serie "Der Pass" in die Schlacht. Dennoch dominieren vor allem in den vermeintlichen "Königskategorien", bei Informations-, Kultur- und Nachrichten-Sendungen sowie bei den Fernsehfilmen, wie üblich die Öffentlich-Rechtlichen. Alle 22 Nominierungen sind Programme von ZDF und 3sat.

Die Preisverleihung des Grimme-Instiuts findet am Freitag, 27. März, in Marl statt. 3sat überträgt ddie Veranstaltung ab 19.00 live in der 3sat-Mediathek und zeigt am selben Abend um 22.40 Uhr eine Zusammenfassung auf dem Sender.